Martin SchulzSPD - Deutsch-französische Freundschaft
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die internationale Entwicklung stellt die Europäische Union und die Integration in Europa vor nie dagewesene Herausforderungen. Vor allen Dingen geht es um eine zentrale Herausforderung: Wird in der internationalen Entwicklung, in der weltweiten Entwicklung, die globalisiert und digitalisiert sein wird, ein System sich durchsetzen, in dem sich autoritäre Regierungen ihrer wirtschaftlichen Macht bedienen, um die zivilen Grundwerte, die wir mit unserer Wirtschaft in Europa verbinden – dass wirtschaftliches Handeln, transnationale Demokratie sich immer an der Garantie individueller, sozialer, ökologischer Grundrechte orientieren müssen; das ist die Idee von Europa –, auszuhebeln, oder werden diejenigen sich durchsetzen, die durch die Missachtung genau dieser Rechte auffallen, die den niedrigsten Lohn, das geringste Menschenrecht, die hemmungsloseste Ausbeutung der natürlichen Grundlagen zum Instrument ihres ökonomischen Erfolgs machen? Um diesen Kampf in der Welt geht es. Das ist in Peking ein Programm. Das ist in Moskau ein Programm. Wie wir von diesem verwirrten Präsidenten der USA wissen: Es ist auch sein Programm.
Ist die Alternative dazu, dass Europa sich darauf besinnt, dass die transnationale Demokratie einen Zweck hat, nämlich individuelle Menschenrechte, die Garantie sozialer Rechte und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zur Grundlage des gemeinsamen Handels über staatliche Grenzen hinweg zu machen? Diese Idee von Europa wird innerhalb Europas bedroht, innerhalb der Mitgliedstaaten bedroht, in Deutschland wie in Frankreich; aber beide Länder haben eine überwältigende Mehrheit in ihrer Bevölkerung von Menschen, die eine Alternative dazu wollen, nämlich die, dass die Verfassungsdemokratien Deutschland und Frankreich an der Spitze eines sozial verantwortlichen, friedlichen und vor allen Dingen seine natürlichen Lebensgrundlagen schützenden Europas steht. Deshalb ist die deutsch-französische Zusammenarbeit wichtiger als je zuvor, wenn es darum geht, das europäische Gesellschaftsmodell zu stabilisieren und gegen die Angriffe zu verteidigen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das, meine Damen und Herren, ist der Sinn des Vertrages von Aachen.
Die Konvergenz zwischen diesen beiden Ländern muss vertieft werden; denn ohne eine deutsch-französische Reformagenda, ohne eine deutsch-französische Reforminitiative wird Europa nicht vorankommen. Dabei ist dieser Vertrag kein exklusives Verhandeln von Deutschland und Frankreich. Es muss offen bleiben für all diejenigen, die mitmachen wollen. Aber es wird auch nicht funktionieren, wenn sich Deutschland und Frankreich nicht an die Spitze einer gemeinsamen Reformbewegung in Europa setzen. Diese beiden Länder machen 40 Prozent der Wirtschaftskraft der EU aus, und sie haben über 50 Prozent der Wirtschaftskraft innerhalb der Euro-Zone.
Deshalb gibt es eigentlich für all diejenigen, die unser Gesellschaftsmodell verteidigen und stärken wollen gegenüber den dieses Modell infrage stellenden internationalen Bewegungen, keinen besseren Weg als den, den unser gemeinsamer Antrag hier beschreibt: die Vertiefung der deutsch-französischen Grundlage, unter anderem auch in dem Geist – das will ich hier zum Schluss sagen, Herr Präsident –, den ein heute verstorbener französischer Staatspräsident gemeinsam mit einem Bundeskanzler dieses Landes, wie ich finde, als Ruhmesblatt in der Geschichte unserer beiden Länder praktiziert hat: dass völkerrechtswidrige Kriege nicht zu führen sind. In diesem Sinne Respekt vor dem verstorbenen Präsidenten Jacques Chirac!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der nächste Redner: für die AfD-Fraktion der Kollege Norbert Kleinwächter.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7391236 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Deutsch-französische Freundschaft |