Sabine ZimmermannDIE LINKE - Arbeitslosengeld I
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier einen Antrag der AfD-Fraktion zur Arbeitslosenversicherung vorliegen: Fünf Seiten ohne einen konkreten Vorschlag für die arbeitenden Menschen in unserem Land, fünf Seiten völlig ohne Substanz! Die AfD glaubt ja sogar – so steht es in dem Antrag –, dass der Beitragssatz noch immer bei 3 Prozent liegt und die Rahmenfrist jetzt schon bei 30 Monaten. Dabei ist der Beitragssatz längst auf 2,5 Prozent gesenkt, und die längere Rahmenfrist greift erst ab Januar nächsten Jahres.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mein Gott! Wer hat diesen Antrag denn gemacht?)
Das zeigt doch eigentlich deutlich: Sie haben gar keine Ahnung von dieser Materie.
(Beifall bei der LINKEN, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Linke weist schon seit 15 Jahren auf den Abbau des Sozialstaates hin. Seit 15 Jahren fordern wir eine stärkere Arbeitslosenversicherung für unsere Menschen in diesem Land.
(Beifall bei der LINKEN)
Die AfD sieht jetzt die Möglichkeit, aus den Missständen Profit zu schlagen. Diese Methode hat System. Sie picken sich die einzelnen Punkte heraus und stellen sich mit Ihren Pseudoanträgen als Anwalt der kleinen Leute dar. Aber ist die AfD wirklich der Anwalt der kleinen Leute? Wir sagen: Nein.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das glaubt euch doch keiner mehr!)
Ich zitiere einmal aus den Reden der AfD, unter anderem hier im Bundestag – Frau von Storch, Sie kommen auch gleich dran –:
(Lachen bei der AfD)
Das mit Abstand beste Programm zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsabschwung sind nicht aufgeblähte Töpfe der Sozialversicherungen, sondern ist der Abbau von Bürokratie, Abgaben und Steuern.
Sagte Martin Sichert am 19. Januar 2018; man höre genau hin. „ Runter mit den Sozialabgaben“, sagte Frau Beatrix von Storch am 3. Juli 2018 zum Familienhaushalt.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ah!)
Allerdings ist die Krönung des Ganzen Jörg Meuthen. Er will – es kam heute schon deutlich heraus – die Sozialversicherungen loswerden. Er sagte letztes Jahr auf dem AfD-Parteitag, dass er in der Rentenversicherung eine Abkehr vom zwangsfinanzierten Umlagesystem hin zur regelhaften privaten Vorsorge anstrebt.
Das ist der Sozialstaat, den die AfD will. Die AfD will die Sozialversicherungen finanziell ausbluten lassen oder gleich ganz abschaffen. Dafür sollten Sie sich schämen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das sind nicht die Interessen der kleinen Leute. Nein, das sind die Interessen der Großunternehmen und Gutverdienenden. Wer so viel verdient, dass es für eine private Absicherung reicht, will vielleicht keine Steuern und keine Abgaben zahlen; das mag sein. Aber erzählen Sie das mal bitte den Menschen, die sich jeden Tag für einen Niedriglohn abrackern, mit zwei und mit drei Jobs. Erzählen Sie das denen, die Angst haben, ihren Job zu verlieren – das sollten Sie einmal machen –, und all denen, die auf eine starke Sozialversicherung und einen verlässlichen Sozialstaat angewiesen sind, wenn es hart auf hart kommt. Erzählen Sie das denen; denn die glauben es nicht. Die brauchen nämlich eine starke Sozialversicherung.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nein, die AfD ist nicht die Partei der kleinen Leute, sondern die Partei der Bonzen und Bosse.
(Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])
Wer das nicht wahrhaben will – ich werde es Ihnen erklären, Herr Gauland –, muss sich einmal fragen:
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ausgerechnet die SED-Nachfolgepartei!)
Woher kommen denn die ganzen Spendengelder für die AfD?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Aus Russland!)
Warum werden denn die Namen der Spender um jeden Preis verschleiert? Weil sich diese Partei von Großindustriellen finanzieren lässt, von denen, die am meisten vom Niedriglohn profitieren.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Schön wär’s!)
Dafür sollten Sie sich auch schämen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wir freuen uns ununterbrochen! Vor allem, wenn Sie reden!)
Ich muss Ihnen sagen: Die Linke nimmt niemals Spenden von Unternehmen, von der Wirtschaft an.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Von der SED!)
Meine Damen und Herren, das Arbeitsleben würdigen – kommen wir jetzt einmal zum Thema, der Arbeitslosenversicherung;
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Muss nicht sein!)
ich werde Ihnen erklären, wie es gehen könnte – und die Arbeitslosenversicherung wirklich gerechter machen,
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja!)
das will eigentlich nur Die Linke hier im Deutschen Bundestag.
(Lachen bei der AfD)
Was vor Erwerbslosigkeit am besten schützt, sind gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze. Dazu gehört eine vorausschauende Konjunkturpolitik, die jetzt investiert, wenn sich der Abschwung abzeichnet.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Jawohl! Mehr ausgeben!)
Wir sehen ihn ja jetzt schon. Dazu gehören vernünftige Standards auf dem Arbeitsmarkt. Weg mit Befristungen! Deshalb feste Anstellungen statt Leiharbeit und Werkverträgen!
(Beifall bei der LINKEN)
Eine starke Arbeitslosenversicherung ist wichtig. Der Sinn der Sozialversicherung ist doch, Menschen vor Lebensrisiken gut abzusichern. Genau das tut die Arbeitslosenversicherung jetzt nicht mehr: Zwei von drei Erwerbslosen beziehen Hartz IV. Die einen bekommen das Arbeitslosengeld erst gar nicht, und die anderen geraten schon nach zwölf Monaten in Hartz IV.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Haben Sie unseren Antrag gelesen?)
Die Linke will einen leichteren Zugang zur Arbeitslosenversicherung, damit man das Arbeitslosengeld schneller und länger beziehen kann. Wir fordern: Wer in den letzten drei Jahren vier Monate gearbeitet hat, bekommt Arbeitslosengeld für zwei Monate. Danach gilt: Für je zwei Monate kommt ein Monat Anspruch dazu. Und wer mehr als zwei Jahre beschäftigt war, bekommt für jedes weitere Jahr noch einen zusätzlichen Monat Anspruch auf Arbeitslosengeld. Also: Keine Deckelung, je länger man einzahlt, desto länger ist der Anspruch. Das wäre eine gute Arbeitslosenversicherung.
(Beifall bei der LINKEN – Uwe Schulz [AfD]: Sagt die Gewerkschaftssekretärin!)
Und für Menschen über 50 braucht es bessere Mindestansprüche von zwei bis drei Jahren; denn das haben die Kolleginnen und Kollegen verdient. Sie haben schon hart in ihrem Leben gearbeitet. Niemand soll seine Arbeitskraft unter Wert verkaufen müssen. Deshalb: Weg mit den Sperrzeiten! Wir brauchen keine Lohndrückerei per Gesetz, sondern gute Arbeitsangebote.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wollen Qualifikationen und Erfahrungen anerkennen und einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung. Niemand soll mehr in dieses unwürdige Hartz-IV-System geraten. Das Arbeitslosengeld muss wieder den Lebensstandard sichern. Das ist eine gute Arbeitsmarktpolitik. Das ist eine Politik gegen die Angst. Das ist eine Politik für die Menschen. Wir wollen eine Arbeitslosenversicherung, auf die sich die Menschen verlassen können.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen, hat jetzt das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 116 |
Tagesordnungspunkt | Arbeitslosengeld I |