Lars KlingbeilSPD - Vereinbarte Debatte - Bekämpfung des Antisemitismus
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als uns am Mittwoch die ersten Nachrichten aus Halle über Schüsse an einer Synagoge erreichten, war am Anfang die Hoffnung, dass niemand zu Schaden gekommen ist, die Hoffnung, dass es sich nicht um einen Vorfall handelt, der jüdisches Leben in Deutschland bedroht, die Hoffnung, dass es keine Tat ist, die politisch oder religiös motiviert ist. Diese Hoffnung hat sich im Laufe des Nachmittags leider zerschlagen, und wir alle mussten erleben, dass sich aufklärte, dass sich ein Nazi, ein Rechtsextremer mitten in Deutschland, mitten im Jahr 2019 aufmachte, jüdisches Leben in Deutschland auszulöschen, dass in einer Synagoge Todesangst entstand bei Menschen, die friedlich ihrem Glauben nachgehen wollen. Ich sage Ihnen: Es ist richtig, dass wir uns über diese Tat empören, dass wir hier gemeinsam feststellen, dass das nicht passieren darf. Aber wichtiger ist, dass wir deutlich machen, auch als politisch Verantwortliche: Jüdisches Leben in Deutschland muss geschützt werden. Die Verantwortung dafür müssen wir als politisch Verantwortliche tragen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU])
Frau von Storch, Herr Gauland, ich habe mich gerade gefragt: Wie muss sich eigentlich jemand fühlen, der diese Todesangst in der Synagoge erlebt hat, der sie erleben musste, der von einer Tür geschützt wurde und der jetzt heute erlebt, wie Sie hier versuchen, diesen feigen Anschlag politisch zu instrumentalisieren?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich frage mich wirklich, wie man diese Dreistigkeit haben kann. Wir im Parlament haben häufig unterschiedliche Meinungen. Wir haben häufig Differenzen. Wir streiten über den Weg. Ich habe in den letzten Jahren großartige Kollegen in der Union, bei den Linken, in der FDP, bei den Grünen, natürlich in meiner Fraktion kennenlernen dürfen. Was uns eint, ist doch, dass wir gemeinsam die Demokratie stärken wollen, dass wir den Zusammenhalt stärken wollen.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Dann hetzen Sie doch nicht!)
Aber Sie tun das nicht. Sie spalten, und Sie hetzen, und Sie machen Politik auf dem Rücken von Minderheiten. Das ist unanständig, und das muss Ihnen auch in dieser Deutlichkeit gesagt werden.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Martin Reichardt [AfD]: Sie instrumentalisieren doch!)
Wir müssen über die Frage reden: Welche politischen Konsequenzen folgen aus Halle? Wichtig ist, dass wir uns erst einmal bewusst machen: Es gibt das Problem des Rechtsterrorismus hier in Deutschland. Es ist zu lange von zu vielen gesagt worden, dass es dieses Problem nicht gibt. NSU, Nordkreuz, Terrorlisten, der Mord an Walter Lübcke, das waren alles Anzeichen dafür. Es ist richtig, dass der Rechtsterrorismus jetzt auf der politischen Tagesordnung ganz oben steht.
Herr Seehofer, ich will das sagen: Ich bin Ihnen dankbar für die Worte, die Sie heute hier im Parlament gefunden haben. Ich bin Christine Lambrecht dankbar dafür, dass sie erklärt hat: Der Kampf gegen Hass und Hetze im Netz muss jetzt verstärkt werden. – Das geschieht mit ausgewogenen Vorschlägen, wo wir natürlich die Plattformen in die Verantwortung nehmen. Ich bin Franziska Giffey dankbar dafür, dass sie sagt: Wir müssen diejenigen stärken, die sich seit Jahren in diesem Land gegen Hass und Hetze engagieren, die sich in vielen lokalen Initiativen als Künstlerin, als Künstler, als zivilgesellschaftliche Gruppen engagieren. – Die müssen wir stärken, und es ist an der Zeit, dass wir hier im Parlament ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen, mit dem wir all den Menschen den Rücken stärken, die schon seit Jahren diese wertvolle Arbeit leisten.
(Beifall bei der SPD)
Ich sage aber auch: Wenn wir hier im Deutschen Bundestag über Hass, Hetze, Rechtsextremismus und Spaltung reden, dann kommen wir nicht daran vorbei, auch über die AfD hier im Parlament zu reden. Sie sind die Partei, die am lautesten nach Anstand schreit und am wenigsten Anstand in solchen politischen Debatten hat, sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Zuruf von der AfD: Das ist doch Unsinn!)
Sie sind die Partei, die versucht, aus einem solch furchtbaren Anschlag in Halle politischen Profit zu schlagen. Sie sind die Partei, die versucht, eine Spaltung in Deutschland weiter voranzutreiben.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Unsinn! Das ist nicht richtig! – Zuruf von der AfD: Das tun Sie doch gerade! – Weitere Zurufe von der AfD)
– Ja, hören Sie sich diese Wahrheit an. Das müssen Sie hier im Parlament aushalten. Andere Fraktionen im Parlament versuchen, diese Gesellschaft zusammenzuhalten, und Sie versuchen, weiter zu spalten.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, egal ob es die Nazis auf der Straße, die Nazis im Netz oder die Brandstifter im Parlament sind, ich bin fest davon überzeugt: Die Mehrheit der Menschen in Deutschland kämpft für eine Demokratie, ist leidenschaftlich dabei, wenn es darum geht, unser Land und den Zusammenhalt zu stärken. Das sollten wir auch in diesen schwierigen Phasen mit Optimismus tun
(Zuruf von der AfD: Sollten Sie! Warum tun Sie es nicht?)
und uns nicht von der schlechten Laune der Nazis anstecken lassen oder, wie es die Hamburger Band Kettcar gesagt hat, uns „von den verbitterten Idioten nicht verbittern lassen“.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Christoph Bernstiel für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7395057 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 118 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte - Bekämpfung des Antisemitismus |