17.10.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 118 / Tagesordnungspunkt 7

Lukas KöhlerFDP - Klima- und Energiepolitik

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Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Vater eines bald vierjährigen Sohnes, und natürlich möchte ich für ihn die Welt zu einem besseren Ort machen. Das ist ganz klar, und ich glaube, das ist auch ein Grund dafür, warum ich angefangen habe, Politik zu machen. Ich möchte ihn aber nicht für die heutige Debatte instrumentalisieren, weil er in einer Welt aufwachsen wird, die mit genügend Problemen zu kämpfen hat. Ich möchte eine andere Geschichte erzählen: Mein Sohn spielt sehr gerne ein Spiel: Er hält sich gern seine kleinen Händchen vors Gesicht und tut so, als ob die Welt um ihn herum nicht da wäre. Meine Damen und Herren, der AfD-Antrag spielt das gleiche Spiel.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Es ist hoch beeindruckend, dass Sie völlig ignorieren, dass es – selbst wenn Sie recht hätten – natürlich Klima-, Energie- und Umweltpolitik gibt und wir diese natürlich mitgestalten wollen. Sie geben mit Ihrem Antrag jeden Anspruch auf Gestaltungswillen ab.

(Karsten Hilse [AfD]: Das stimmt nicht!)

Sie verstecken sich hinter Ihren Händen und ignorieren die aktuelle Debatte. Das, meine Damen und Herren, ist traurig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Natürlich ist es richtig, dass wir aktuelle Klimapolitik sinnvoll ausgestalten müssen. Frau Weisgerber, Sie haben uns gerade eingeladen, mitzumachen. Wir warten immer noch auf die Einladung zum Klimakonsens. Wir haben hier schon tausend Vorschläge dazu eingebracht. Aber ein Klimakonsens ohne Angebot eines parlamentarischen Verfahrens ist ein Witz und ist kein Beitrag zur aktuellen Debatte. Es ist vor allen Dingen kein Bessermachen eines, so leid es mir tut, im Moment gescheiterten Klimapaketes.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben in Ihrer Rede davon gesprochen, Herr Hilse, dass die wirtschaftliche Grundordnung gefährdet sei.

(Karsten Hilse [AfD]: Das stimmt nicht! Das habe ich nicht gesagt!)

Ich möchte Ihnen kurz den Zusammenhang der Finanzierung erklären: Wenn Sie Maßnahmen mit Geld finanzieren, dann verbrennt das Geld nicht.

(Abg. Karsten Hilse [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Das ist kein Feuer, um CO

Kollege Köhler, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Hilse?

Mit dem größten Vergnügen.

(Ulli Nissen [SPD]: Das haben wir aber nicht! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht nötig! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Guter Punkt.

Es zeichnet Sie aus, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich wollte bloß richtigstellen, dass ich nicht davon gesprochen habe, dass die wirtschaftliche Grundordnung zerstört wird, sondern gesagt habe, dass die wirtschaftlichen Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland peu à peu durch die Klimaschutzmaßnahmen, die sogenannten Klimaschutzmaßnahmen, unterminiert, zerstört werden, wie auch immer man das nennen will.

Ich war am Dienstag bei acatech. Dort habe ich niemanden von Ihnen gesehen.

(Dr. Martin Neumann [FDP]: Doch!)

– Entschuldigung, Herr Neumann, Sie habe ich gesehen. Alles klar.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Details bitte!)

Herr Spaht, einer der Präsidenten von acatech, sprach davon, dass die Warnsignale schon zu sehen sind, dass wir das zweite Quartal hintereinander ein Minuswirtschaftswachstum haben, also ein negatives Wirtschaftswachstum, dass wir bei den Exportnationen zurückgestuft wurden von Platz drei auf Platz sieben. Das heißt, am Horizont ist schon zu sehen, dass unsere wirtschaftlichen Grundlagen gefährdet sind. Auch die Ankündigung, circa 100 000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie abzubauen, zeigt, welche Auswirkungen das haben wird.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Klimaschutz zu tun?)

Ich wollte bloß, dass Sie zur Kenntnis nehmen, dass ich nicht davon gesprochen habe, dass die wirtschaftliche Grundordnung zerstört wird, sondern unsere wirtschaftlichen Grundlagen als Deutschland.

Herr Hilse, wenn ich auf Ihren Kommentar antworten darf: Sie sprechen von einer kommenden Rezession. Kommt eine?

(Karsten Hilse [AfD]: Ja!)

Ja, das sehen wir. Kommt Sie wegen der Klimapolitik der Bundesregierung,

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das schließen wir aus!)

von der die Grünen behaupten, dass sie nicht existent ist?

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!)

Ich glaube, nicht. Ich glaube, sie kommt davon, dass wir Handelskriege haben, dass wir nicht mehr auf Freihandel, auf Innovation, auf Fortschritt, auf Zukunft setzen, sondern auf Protektionismus weltweit, auf die Reduktion unserer gemeinsamen internationalen, multilateralen Zusammenarbeit. Wir setzen auf die falschen Ziele. Und, ja: Macht die Bundesregierung alles richtig? Natürlich nicht. Müsste die Bundesregierung in Infrastruktur investieren? Natürlich.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie überfordern die AfD mit komplexen Zusammenhängen!)

Müsste die Bundesregierung dafür sorgen, dass der Netzausbau schneller vorwärtsgeht? Natürlich müsste die Bundesregierung dafür sorgen, dass wir den Strom, den wir produzieren – er ist im Moment volatil –, abspeichern können. Natürlich! Hat sie dazu Ideen? Weiß ich nicht. Hat sie angefangen, hat sie Ansätze? Ja, das sieht man.

Aber das sind die Punkte, warum die wirtschaftliche Gesamtsituation schwächer wird – nicht die Frage der Klimapolitik. Ganz im Gegenteil: Wenn wir aufhören, die Klimapolitik mitzugestalten, auf europäischer Ebene und auch hier in Deutschland, dann werden wir Einbußen beim Fortschritt hinnehmen müssen, dann werden wir Arbeitsplätze verlieren. Gucken Sie sich doch das Thema „Sustainable Finance“ mal an – dabei geht es um die Frage, wie wir nachhaltig investieren –: Wenn wir jetzt aus der Debatte aussteigen, dann, liebe AfD, diskutieren wir nicht mehr darüber mit, wie in Deutschland investiert wird; dann macht das Frankreich. Wenn Sie aus der Debatte raus sind, dann ist Deutschland ganz kaputt. Und das wollen Sie ja wohl auch nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Karsten Hilse [AfD]: Das will ich nicht! Das stimmt!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir den Anspruch haben müssen, Klimapolitik auszugestalten. Ich glaube, dann kommen wir auch zu einem sinnvollen Weg. Wir haben unseren Plan vorgelegt. Es geht doch darum, Klimapolitik mit der Ausgestaltung von Klimapolitik zu machen. Es geht doch darum: Wir müssen das Budget, das uns der IPCC vorgibt, festlegen; und darüber hinaus darf nichts mehr ausgestoßen werden. Dieses Budget über ein Handelssystem zu verteilen, das ist – da ist sich die Wissenschaft einig – der beste Weg. Hat die Bundesregierung ein Handelssystem auf den Weg gebracht? Leider nicht. Sie hat sich für eine CO

Lassen Sie mich noch ganz kurz darauf eingehen: Was wäre, wenn wir die Argumentation der AfD zumindest im Kern ernst nehmen würden? Was wäre, wenn wir sagen würden: „Mensch, es gibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sagen, dass es den menschengemachten Klimawandel nicht gibt“? Dann ist das eine Debatte; das ist eine wissenschaftliche Debatte, die geführt wird, die in der Wissenschaft geführt wird. Aber, meine Damen und Herren, ich habe ja am Anfang meinen Sohn erwähnt. Diese wissenschaftliche Debatte zeigt doch nur, dass es kritische Stimmen innerhalb der Wissenschaft gibt. Aber die große Mehrheit ist davon überzeugt, dass es einen menschengemachten Klimawandel gibt. Da herrscht Konsens. Aber die Gefahr, dass wir nicht danach handeln, was diese große Mehrheit sagt, und wir dann, in 10, 20 Jahren, vor wirklichen Problemen stehen, die weder ich noch mein Sohn lösen können, diese Gefahr will ich nicht eingehen. Ich will nicht, dass mein Sohn in 20 Jahren zu mir sagt: Mensch, Papa, ihr habt doch damals gewusst, worum es geht. – Ich will nicht, dass mein Sohn sagt: Warum habt ihr damals nichts getan? Ihr hattet alle Möglichkeiten!

(Beifall der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD] und Klaus Mindrup [SPD])

Das wäre ein Verrat an meinem Sohn. Diese Gefahr will ich nicht eingehen. Diese Gefahr ist mir zu groß. Deswegen lassen Sie uns sinnvolle Klimapolitik machen, und lassen Sie uns das anständig gestalten.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])

Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7395067
Wahlperiode 19
Sitzung 118
Tagesordnungspunkt Klima- und Energiepolitik
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