Lorenz BeutinDIE LINKE - Klima- und Energiepolitik
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wenn man allein diesen Antrag der AfD nehmen würde und nicht sehen würde, dass der Antrag, jegliche Klimaschutzmaßnahmen zu stoppen, hier im Bundestag gestellt worden wäre, dann könnte man einfach weitergehen und darüber lachen. Doch da er hier gestellt worden ist, muss ich einmal fragen: Was sagen Sie denn den Menschen im globalen Süden, auf den Philippinen, die unter Taifunen leiden und ihre Heimat verlieren? Was sagen Sie den Menschen beispielsweise in Äthiopien, die unter Dürren und Überschwemmungen leiden, die fliehen müssen, weil sie und ihre Kinder vom Tod durch Hunger bedroht sind? Ich kann Ihnen etwas sagen: Es interessiert Sie einfach nicht, weil Sie auf Ihrer kleinen, erbärmlichen nationalistischen Insel leben – nichts anderes.
(Beifall bei der LINKEN)
Sprechen wir also über den Antrag. Er enthält zwei populäre Irrtümer, und das macht es so wertvoll, hier im Bundestag einmal darüber zu sprechen.
Erstens. Man geht von der These aus, Deutschland habe ja nur einen Anteil von 2 Prozent an den weltweiten CO
Nein, das ist der vollkommen falsche Ansatz. Schaut man nach Österreich: Österreich hat einen Anteil von 0,2 Prozent an den weltweiten Emissionen. Die Schweiz hat einen Anteil von 0,1 Prozent an den Emissionen. Das heißt, diese Länder könnten jetzt mächtig Kohlekraftwerke bauen. – So funktioniert internationale Solidarität nicht. So funktioniert Kooperation nicht. Das Pariser Klimaabkommen ist ein Abkommen der Staatengemeinschaft, und es besagt ganz klar: Jeder muss seinen Beitrag dazu leisten. Das ist der richtige Weg.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweiter Punkt – auch das wurde eben wieder gesagt –: Klimaschutz und Energiewende würden zur Deindustrialisierung beitragen. Nein, umgekehrt wird ein Schuh draus: Dadurch, dass die Energiewende ausgebremst wird, kriegen wir Probleme. Wir haben gesehen: In den vergangenen Jahren haben wir 80 000 Arbeitsplätze in der Photovoltaik verloren. Wir haben seit 2017 fast 40 000 Arbeitsplätze in der Windkraftbranche verloren. Das ist ein verheerender Trend, der dem Klimaschutz widerspricht. Das ist das Gegenteil von dem, was wir tatsächlich brauchen. Wir brauchen Investitionen und Aufbau unserer Industrie.
(Beifall bei der LINKEN)
Oder schauen Sie in die Autobranche und auf die Zuliefererbetriebe. Weil diese Koalition es nicht auf die Reihe kriegt, das zukunftsfähig zu machen, werden wir auch dort Tausende von Arbeitsplätzen verlieren. Das heißt, die Energiewende ist nicht nur gesellschaftlich und klimapolitisch notwendig, sie ist auch sozialpolitisch notwendig, industriepolitisch notwendig und wirtschaftspolitisch notwendig.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn man davon ausgeht, dass diese Irrtümer keine Irrtümer sind, kann man natürlich so einen Antrag stellen. Wenn man aber davon ausgeht, dass diese Irrtümer Irrtümer sind, muss man die Klimakatastrophe mit allen Mitteln bekämpfen. Was haben wir von dieser Bundesregierung nun vorgelegt bekommen? Wir haben vom Klimakabarett der Bundesregierung ein Klimapäckchen vorgelegt bekommen, von dem die Bundesregierung selbst von Beginn an gesagt hat: Es reicht nicht aus, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, und es reicht vielleicht auch nicht aus, um die eigenen Klimaziele der Bundesregierung einzuhalten. – Sie haben also den Mut, mit einem Klimapäckchen anzutreten, das Ihren eigenen Maßstäben nicht gerecht wird, und das ist doch wahnsinnig.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich zitiere Ihnen etwas – hören Sie da mal genau zu, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und SPD –: Durch die gezielte Förderung von Gebäudesanierungen in Gebieten mit einkommensschwachen Haushalten sollten zusätzliche sozialverträgliche Sanierungen angereizt werden. – Das klingt jetzt erst mal nach einem Programm der Linken – das kann man vielleicht denken –, und das ist ja auch der richtige Weg in Zeiten des Mietenwahnsinns. Was ich zitiert habe, ist eine Passage aus dem ursprünglichen Entwurf des Klimapäckchens. Dies wäre genau der richtige Weg gewesen: Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit zu verbinden.
(Beifall bei der LINKEN)
Was macht die Bundesregierung? Im Entwurf, der am 20. September vorgelegt wurde, an dem Tag, wo 1,4 Millionen Menschen auf die Straße gingen, fehlt genau dieser Abschnitt. Herrn Altmaier haben wir gefragt, warum denn dieser Abschnitt fehlt, und er hat gesagt: Nun, die energetische Sanierung war nicht unsere Priorität. – Genau das ist das Problem. Echter Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit sind nicht Priorität dieser Bundesregierung. Das muss anders werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn es um den Windkraftausbau geht: Ich empfehle Ihnen, einmal nach Sprakebüll im Kreis Nordfriesland zu schauen. Dort gibt es einen Windpark, zwei Solarparks, und die erneuerbare Wärme ist in genossenschaftlicher Hand. Wie machen die das? Ja, die Energie ist dort in Bürgerinnen- und Bürgerhand: 95 Prozent der Menschen sind an der Bürgerinnen- und Bürgerenergie beteiligt. Zusätzlich gibt es ein Carsharing mit E-Autos, das jedem Bürger der Gemeinde zur Verfügung steht. Es gibt kostenfreien Schwimmunterricht und Musikunterricht. Sogar ein Fahrradweg wurde gebaut, obwohl das Land Schleswig-Holstein gesagt hat: Dafür haben wir leider nicht das Geld. – Daraufhin hat man gesagt: Wir nehmen die Erträge der Windkraft und bauen diesen Radweg, der für uns einfach notwendig ist. – Wenn Sie durch die Gemeinde gehen und die Leute fragen: „Habt ihr denn Probleme mit der Windkraft?“ – wir hören ja, überall gibt es Probleme –, dann schauen sie einen entgeistert an, als wenn man von einem anderen Stern kommen würde.
Genau das ist der richtige Weg, den wir brauchen. Hören Sie auf, die Energiewende an die Konzerne zu verscherbeln. Stärken Sie die Bürgerinnen- und Bürgerenergie. Stärken Sie die Genossenschaften. Stärken Sie die Kommunen und die Stadtwerke. Dann kann es mit der Energiewende klappen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Oliver Krischer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7395070 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 118 |
Tagesordnungspunkt | Klima- und Energiepolitik |