17.10.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 118 / Tagesordnungspunkt 16

Stefan RuppertFDP - Wahlrechtsreform

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 1848 mühen sich Parlamentarier darum, eigene Regeln für ihre Wahl durchzusetzen. Sie haben das gegen Fürsten versucht zu erstreiten. Sie haben sich Gedanken gemacht, wie ein Parlament gewählt wird. Sie von der AfD sitzen seit zwei Jahren in diesem Parlament und seit zwei Jahre höre ich: „Danke, Merkel“, „Merkel ist an allem schuld“, „Seehofer ist schuld“, und heute sagen Sie: „Wir kriegen nichts hin, und wir wollen eine Bundesregierung, die eine parlamentarische Aufgabe für uns übernimmt“, nur weil Sie nicht in der Lage waren, ein Gesetz zu schreiben? Das ist schon sehr bemerkenswert.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann sich schon fragen, ob es nicht totale Arbeitsverweigerung ist, wenn eine Fraktion sagt: „Wir müssen ein Problem angehen“, aber keinen einzigen Beitrag dazu leistet und keinen Gesetzentwurf vorlegt, wie Sie das hier heute tun.

(Beifall bei der FDP)

Das Problem ist aber zu ernst; denn der Bundestag ist in der Tat viel zu groß. Das hat nicht nur etwas mit Geld zu tun, sondern auch mit Arbeitsfähigkeit, mit der Würde der konzentrierten Arbeit eines Parlaments. Wir müssen dahinkommen, dass der Bundestag wieder kleiner wird. Deswegen haben die Grünen, die Linken und die FDP einen Gesetzentwurf erarbeitet. Das ist übrigens monatelange Arbeit. Da sind Mitarbeiter und Abgeordnete, die sich jede Regelung, jede Kommentierung ansehen. Das ist eine Aufgabe, der Sie sich überhaupt nicht unterzogen haben.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeitet. Wir sagen nicht, dass wir den Stein der Weisen gefunden haben, aber wir sagen, wir erreichen das Ziel: Der Bundestag muss kleiner werden, um arbeitsfähig zu sein, und das können Sie eben nur, wenn Sie – wenn Sie im bestehenden System bleiben wollen – die Zahl der Wahlkreise verringern.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Leni Breymaier [SPD])

Nun sind wir als Vertreter kleinerer Parteien etwas gewohnt, was Sie noch nicht so gut kennen. Wir betreuen nämlich fünf, sechs oder sieben Wahlkreise.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir reisen viele Hundert Kilometer durchs Land und kümmern uns. Bei mir sind es sechs, bei anderen sind es sieben Wahlkreise. Sie haben in der Regel einen oder zwei. Ich sage nicht, dass es gut ist, wenn ein Wahlkreis zu groß wird, aber es ist eben nicht so, dass die Demokratie in sich zusammensinkt, wenn es plötzlich weniger Wahlkreise in Deutschland gibt.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man die Menschen fragen würde: „Was ist schlimmer: 10 Prozent größere Wahlkreise zu haben oder 800 Abgeordnete im Parlament sitzen zu haben?“, dann würden viele antworten: Wir wollen einen kleineren Bundestag.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen muss man solche Fragen immer fair miteinander besprechen. Wir haben einen Vorschlag gemacht, mit dem statt 80 Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion heute nur 71 hier wären oder nur 59 Grüne oder nur 61 Linke; das wäre zumindest im ersten Fall ein deutlicher Verlust.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Aber es ist eben so: Wer das Parlament verkleinern will, der darf nicht nur bei den anderen anfangen, sondern der muss bei sich selbst anfangen.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es so inakzeptabel, dass es eine Fraktion im Deutschen Bundestag gibt, die nur Vorschläge gemacht hat, die ihre eigene Zahl an Abgeordneten erhöht und die Zahl der Abgeordneten anderer verringert und die dadurch die Verkleinerung des Bundestages blockiert, und das ist die Unionsfraktion.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Blockadehaltung müssen Sie aufgeben. Die müssen Sie dringend aufgeben, weil das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie wegen Ihrer Blockadehaltung sonst sinkt.

Sie haben die Mitarbeiterpauschale erhöht, Sie haben die Parteifinanzierung erhöht, Sie haben die Stiftungsfinanzierung und die Fraktionsfinanzierung erhöht.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ja, und ihr habt alles mitgenommen!)

Sie haben das Ergebnis demokratischer Wahlen damit ein Stück wieder nivelliert.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Was soll der Populismus! Macht es doch besser!)

Aber das ist nicht das Ergebnis.

Man muss Wahlen auch in Zukunft gewinnen, um mehr Abgeordnete zu bekommen, und darf nicht am Reißbrett agieren. Deswegen freuen wir uns auf die positiven Signale der SPD. Bitte geben Sie Ihre Blockadehaltung endlich auf, damit wir wieder zu einer besseren und kleineren Zusammensetzung des Deutschen Bundestages kommen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Dr. Stefan Ruppert. – Nächster Redner: Mahmut Özdemir für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7395381
Wahlperiode 19
Sitzung 118
Tagesordnungspunkt Wahlrechtsreform
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta