Matthias BartkeSPD - Soziales Entschädigungsrecht
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Sichert, zu Ihrer Rede nur einen einzigen Satz: Das war die schlimmste Rede, die hetzerischste Rede, die jemals ein Mitglied des Sozialausschusses im Deutschen Bundestag gehalten hat.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will mein altes Leben zurück. Das ist meist der sehnlichste Wunsch eines Menschen, der Opfer einer Gewalttat wurde. Doch leider ist das meist kaum möglich. Die Tat hat Spuren hinterlassen, äußerliche und innerliche. Die Gewalttat kann nicht ungeschehen gemacht werden. Doch Opfer sagen auch oft: Ich kann lernen, mit den Folgen zu leben und umzugehen. Dabei wollen wir sie bestmöglich unterstützen. Deshalb reformieren wir das Soziale Entschädigungsrecht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Peter Aumer [CDU/CSU])
Die Wenigsten wissen: Das deutsche Opferentschädigungsrecht ist das großzügigste auf der ganzen Welt. Es ist großzügig, aber leider überhaupt nicht mehr zeitgemäß; denn es basiert auf dem alten Kriegsopferrecht von 1950. Heute gibt es glücklicherweise immer weniger Kriegsopfer. Heute geht es vor allem um Opfer von krimineller Gewalt, von sexueller Gewalt, von psychischer Gewalt. Aber es geht auch um Opfer von Terroranschlägen wie dem furchtbaren Anschlag von Halle in der vergangenen Woche.
Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen, dass der Opferbeauftragte der Bundesregierung, unser Kollege Dr. Edgar Franke, viel Expertise zu diesem Gesetzentwurf beigetragen hat. Er hätte heute auch gerne hier geredet. Aber er muss heute einen wichtigen Termin bei den Opfern des Terroranschlags in Halle wahrnehmen. Das hat natürlich Vorrang.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dr. Franke hat mich gebeten, Ihnen mitzuteilen, dass er voll und ganz hinter dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf steht. Mit dem neuen SGB XIV haben mehr Menschen Anspruch auf Leistungen. Künftig können auch Opfer psychischer Gewalt Unterstützung in Anspruch nehmen. Das hilft zum Beispiel Opfern von schwerem Stalking oder von Menschenhandel.
Meine Damen und Herren, drei wesentliche Elemente des neuen SGB XIV möchte ich Ihnen besonders ans Herz legen:
Das Erste ist die Einführung von Traumaambulanzen; das wurde bereits gesagt. Opfer von Gewalttaten brauchen Hilfen, damit die eine Tat nicht das ganze weitere Leben bestimmt. Die eine Gewalttat erschüttert das Leben bis in die Grundfesten. Und aus der Traumaforschung wissen wir: In solchen Situationen ist es entscheidend, schnell zu reagieren, damit sich das Trauma nicht chronifiziert. Die vielleicht wichtigste Neuerung ist daher die flächendeckende Einführung von Traumaambulanzen. Psychologen, Psychotherapeuten und Ärzte behandeln dort Gewaltopfer. Sie helfen, die schreckliche Tat psychisch zu verarbeiten.
Mit dem neuen Gesetzentwurf führen wir zum ersten Mal einen Rechtsanspruch auf Behandlung in einer Traumaambulanz ein. Anspruch darauf haben auch Kinder und Jugendliche und auch Angehörige von Gewaltopfern, die ja selbst oft mit der Tat zu kämpfen haben. Das Beste und Wichtigste ist, dass ein Besuch in einer Traumaambulanz wirklich sehr schnell möglich ist. Opfer können dorthin gehen, auch wenn sie noch keinen Antrag auf soziale Entschädigung gestellt haben. So sorgen wir dafür, dass Opfer ins Leben zurückfinden können, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Zweitens werden wir mit dem SGB XIV künftig jedem Opfer einen Fallmanager oder eine Fallmanagerin zur Seite stellen. Denn was brauchen Menschen, die Opfer einer Gewalttat wurden? Sie brauchen zunächst jemanden, der ihnen bei der Antragsstellung für ihre Entschädigungsleistung hilft, der ihnen wie ein Behördenscout einen Weg durch das bürokratische Dickicht weist. Die Medikamentenrechnung reiche ich bei der Krankenkasse ein, so viel ist noch klar. Aber wohin wende ich mich, wenn ich meine Wohnung umbauen lassen muss, weil ich zum Beispiel wegen einer Lähmung einen Treppenlift brauche? Menschen, die Opfer einer Gewalttat wurden, befinden sich häufig in einer Ausnahmesituation. Mit den neuen Fallmanagern sorgen wir dafür, dass sie an die Hand genommen werden. Der Fallmanager klärt dann jeden Schritt mit dem Opfer. Er hilft bei allen weiteren Antragstellungen, sei es bei der Pflegekasse für den barrierefreien Umbau der Wohnung oder bei der Unfallkasse für eine neue Prothese. Der Fallmanager wird der Ansprechpartner für das Opfer.
Meine Damen und Herren, Opfer benötigen jedoch nicht nur einen Behördenscout. Sie brauchen vor allem erst einmal finanzielle Sicherheit. Deshalb erhöhen wir drittens auch die monatlichen Entschädigungszahlungen, und zwar deutlich. Die monatlichen Renten sind wichtig, um den Opfern finanzielle Sicherheit zu geben, wenn das Leben ansonsten aus dem Takt geraten ist. Natürlich: Alles Geld der Welt kann die Tat nicht wiedergutmachen. Aber Geld kann helfen, die negativen Folgen zu mildern. So sorgen wir dafür, dass Opfer ins Leben zurückfinden können. Wir bestärken sie auf ihrem Weg der psychischen Genesung. Wir unterstützen sie bei allen Anträgen nach der Tat, und wir erhöhen ihre finanzielle Sicherheit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sozialminister Heil hat bei der Erstellung des Gesetzentwurfs die Expertise der Opferverbände weitgehend mit einbezogen. Das gilt insbesondere für den Weißen Ring. Ich habe mich deshalb sehr gefreut, dass der Weiße Ring eine Broschüre erstellt hat, in der er unseren Gesetzentwurf sehr positiv kommentiert. Es heißt dort, es
ist jetzt ein Soziales Entschädigungsrecht auf den Weg gebracht worden, das Opfern von Kriminalität und ihren Angehörigen entscheidende Verbesserungen bringen wird.
Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Meine Damen und Herren, das neue SGB XIV ist modern, unbürokratisch und großzügig. Damit setzen wir Maßstäbe im Opferschutz.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Dr. Bartke. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Peter Weiß.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7395707 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 119 |
Tagesordnungspunkt | Soziales Entschädigungsrecht |