18.10.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 119 / Tagesordnungspunkt 34

Rudolf HenkeCDU/CSU - Masernschutzgesetz

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Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Impfungen gegen gefährliche Infektionskrankheiten zählen zu den größten Errungenschaften in der Geschichte der Medizin. Infektionskrankheiten galten sehr lange zu Recht als Geißeln der Menschheit. Die globalen Erfolge gegen die ausgerotteten Pocken und gegen die Kinderlähmung zeigen: Schutzimpfungen sind ein wirkungsvolles und kostengünstiges Mittel, um sich und andere vorbeugend vor vermeidbaren Ansteckungen zu schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Entwurf des Masernschutzgesetzes greift den Handlungsbedarf auf und setzt Schritte der Vorjahre konsequent fort. Ich will auch darauf aufmerksam machen, dass wir ja nicht am Anfang aller Bemühungen stehen. Vielmehr haben wir 2015 mit dem Präventionsgesetz den Impfschutz schon einmal gestärkt. Seitdem müssen Ärztinnen und Ärzte bei allen Untersuchungen für alle Altersgruppen den Impfschutz überprüfen und auf Mängel hinweisen. Die Kitaaufnahme ist seither an eine ärztliche Impfberatung geknüpft. Der „Nationale Aktionsplan 2015 – 2020 zur Elimination von Masern und Röteln in Deutschland“ ergänzt diese Maßnahmen in allen Altersgruppen. Deswegen ist der Vorwurf, man würde sich sonst um nichts kümmern, ja nicht richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ob wir jetzt tatsächlich eine Impfpflicht einführen oder ob das eine Impfnachweispflicht ist, muss man auch vor dem Hintergrund des Verfassungsrechts natürlich noch mal genau überlegen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Assoziation zur Impfpflicht ist folgende Situation: Ich denke an ein Kind, dessen Eltern sich weigern, es impfen zu lassen. Die Eltern bekommen Besuch von der Polizei. Das Kind wird ihnen entzogen und in ein Gesundheitsamt gebracht. Dort wird eine Pflichtimpfung durchgeführt. Das ist nirgendwo in diesem Gesetzentwurf vorgesehen. Genauso wenig ist vorgesehen, dass die Weigerung, ein Kind impfen zu lassen, dazu führt, dass man die Schulpflicht außer Kraft setzen kann.

Was allerdings vorgesehen ist, ist, dass jeder, der sich, ohne eine Maserninfektion gehabt zu haben, in eine Kindertagesstätte begeben will – ob als Kind oder als dort Beschäftigter –, nachweisen muss, dass die Impfung erfolgt ist. Das gilt auch für Schulen – ohne die Konsequenz, dass man die Schule nicht mehr besuchen kann, aber mit der Konsequenz, dass ein Bußgeld zahlen muss, wer nicht geimpft ist. In der Abwägung der Eingriffstiefe halte ich das für verfassungsrechtlich vertretbar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich glaube, es ist auch angesichts der Tatsache geboten, dass man sonst – und die milderen Mittel sind schon alle versucht worden in Deutschland – ein Risiko für diejenigen darstellt, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden dürfen. Ob der Terminus „Herdenschutz“ schön ist, weiß ich nicht;

(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Steht im Lehrbuch!)

ich sage lieber „Gemeinschaftsschutz“.

Kollege Henke, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der FDP-Fraktion?

Ja.

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. – Ihr Kollege Pilsinger hat sich gerade dahin gehend geäußert, dass es seiner Meinung nach sogar sinnvoll wäre, eine Pflicht zur Titerbestimmung einzuführen. Was halten Sie davon? Es sind ja erhebliche Kosten damit verbunden, und es ist ein weiterer Eingriff; denn für eine Titerbestimmung muss Blut abgenommen werden. Was halten Sie von einer Pflicht zur Titerbestimmung?

Ich glaube, es ging Herrn Pilsinger bei der Pflicht zur Titerbestimmung um die Frage, ob es möglich ist, die Impfnachweispflicht durch Fehlbescheinigungen zu umgehen. Ärztinnen und Ärzte müssen in Deutschland aufgrund der starken Berufsüberwachung, die wir haben, mit Sanktionen bis hin zum Ausschluss von der Ausübung des Berufes rechnen. Wenn eine Fehldokumentation erfolgt, ist das eine Falschbeurkundung. Eine solche Falschbeurkundung hat strafrechtliche Konsequenzen in Deutschland, und sie hat berufsrechtliche Konsequenzen in Deutschland.

Das können wir bei im Ausland durchgeführten Impfungen nicht sicherstellen. Ich glaube, seine Frage geht in die Richtung, ob man darüber diskutieren muss, dass eine Pflicht zur Titerbestimmung in solchen Fällen hinzunehmen sei; darum ging es. Eine Titerbestimmung ist in der Tat mit einer weiteren Maßnahme, nämlich mit der Blutabnahme, und mit Kosten verbunden. Deswegen muss das abgewogen werden. Wir werden darüber in der Anhörung in der nächsten Woche sehr sorgfältig diskutieren können. Es ist also gut, dass diese Themen jetzt angesprochen werden. – Vielen Dank. Ich bin mit der Beantwortung Ihrer Frage fertig.

Lassen Sie mich noch einmal auf den für mich zentralen Punkt zurückkommen: Die Impfung ist eine kleine Belästigung, die einen großen Vorteil für die Menschen darstellt, die selbst nicht geimpft werden dürfen und einer Infektion, die sie das Leben kosten kann, schutzlos ausgesetzt wären. Ich glaube, in dieser Abwägung sind die Intention und auch der Ansatz, den der Minister gewählt hat, richtig. Wir werden uns natürlich darüber unterhalten müssen, ob über die Berufsausübenden, die geimpft werden müssen, hinaus – das sind 20-, 30- bis 50-Jährige – weitere Maßnahmen möglich sind, die die übrigen 20- bis 50-Jährigen erreichen.

Kollege Henke, können Sie das bitte auf die Anhörung und die Ausschussbefassung verschieben und einen Punkt setzen?

Ich bin sicher, dass wir nach der Anhörung zu einem guten und für eine breite Mehrheit zustimmungsfähigen Gesetzentwurf kommen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7395745
Wahlperiode 19
Sitzung 119
Tagesordnungspunkt Masernschutzgesetz
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