Benjamin StrasserFDP - Rechtsterrorismus
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jana L., Kevin S., Dr. Walter Lübcke – innerhalb von wenigen Monaten haben Rechtsterroristen in diesem Land drei Menschen getötet. Sie reihen sich ein in eine Liste von 170 Namen, Menschen, die von Rechtsradikalen, Neonazis und Rechtsterroristen seit dem Jahr 1990 in Deutschland ermordet worden sind. Es ist von Glück zu sprechen, dass der Attentäter von Halle nicht in die Synagoge eingedrungen ist und ein Blutbad unter deutschen Jüdinnen und Juden angerichtet hat. Wer angesichts der Zahl von 170 Menschen ernsthaft noch von „Alarmsignalen“ redet, wer im Innenausschuss mindestens zehnmal von „Zäsur“ spricht, der muss sich entgegenhalten lassen, dass er die Dimension des Rechtsterrorismus in unserem Land offensichtlich nicht begriffen hat.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dabei ist das Problem klar. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat bereits im Jahr 2014 in Deutschland 21 000 Rechtsextremisten gezählt. Im Jahr 2018 waren es schon 24 100, davon die Hälfte gewaltbereit. Und nein, Herr Kollege Bernstiel, diese Täter waren keine Einzeltäter. Diese Täter haben sich auch nicht allein im Internet radikalisiert, sondern die Taten basierten auf einem gesellschaftlichen Resonanzboden, auf dem die Täter ihre Taten legitimieren konnten.
(Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Ich habe nichts Gegenteiliges behauptet! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Genau so ist es!)
Darum müssen sich alle hier in diesem Haus fragen: Wer ernsthaft von „Umvolkung“ redet, wer vom „drohenden Volkstod“ redet und nicht begreift, dass das die Motive waren, die laut Aussage des Generalbundesanwalts den Attentäter von Halle zu seiner Tat getrieben haben,
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, beenden wir doch einfach das Klima des Hasses hier, beenden wir die andauernden Debatten darüber, welcher Extremismus schlimmer ist, welcher Antisemitismus schlimmer ist. Jeder Extremismus und Antisemitismus ist schlimm. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dazu durchringen könnten, beides ernsthaft zu verurteilen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christian Wirth [AfD]: Haben Sie zugehört?)
Der Hass im Internet ist völlig entgrenzt und entgleist. Da hilft auch kein Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Vielmehr brauchen wir einen Auskunftsanspruch der Opfer im Fall der Beleidigung, ähnlich wie beim Urheberrecht nach richterlicher Anordnung. Es ist nicht verständlich, warum man das bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht durchsetzen kann.
Herr Kollege Bernstiel, was war die Konsequenz der Bundesregierung? Gab es Verfolgungsdruck auf die rechte Szene? Jahrelang hat Ihre Bundesregierung verneint, dass es Combat-18-Strukturen in Deutschland gibt.
(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Nach dem Mord an Walter Lübcke gibt es sie plötzlich. Sie sollen nun verboten werden. Ich hätte mir mehr Konsequenz von dieser Bundesregierung gewünscht.
Und, liebe AfD, einen Satz zu Ihnen:
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wir haben einen Antrag zu Combat 18 gestellt!)
Sie wollen Combat 18 verbieten lassen. Ich bin gespannt, ob Sie auch an unserer Seite sind, wenn wir die Identitäre Bewegung verbieten. Das müssen wir als Nächstes prüfen. Wir warten noch auf die Ergebnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Konstantin Kuhle [FDP]: Dann müssen sie ihre Mitarbeiter rausschmeißen! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben einen Antrag vorgelegt, der viele Maßnahmen enthält: Entwaffnung der rechtsextremen Szene, Verbesserungen im Bereich des GETZ, Änderung von Gesetzen auch im Bereich des Föderalismus.
Nur an einer Stelle verstehe ich Sie nicht, liebe Bundesregierung: Wo bleibt Ihre europäische Initiative zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, sodass wir Konzerte von Blood & Honour in Ungarn und Schießtrainings in Tschechien und in den Niederlanden unterbinden können? Das wäre eine konkrete Maßnahme, die ich mir wünschen würde.
Jetzt gilt es, nicht nur ernsthafte Gesichter zu machen, sondern ernsthaft zu handeln. Sie haben uns als Freie Demokraten an Ihrer Seite. Wir haben einen 13-Punkte-Plan vorgelegt. Wir hoffen, dass Sie ihn abschreiben werden.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Das Meiste ist doch schon realisiert!)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Dr. Irene Mihalic das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7395753 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 119 |
Tagesordnungspunkt | Rechtsterrorismus |