23.10.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 120 / Zusatzpunkt 1

Konstantin KuhleFDP - Aktuelle Stunde zur Meinungsfreiheit in Deutschland

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong demonstrieren in diesen Tagen ständig Tausende Menschen, weil sie Angst davor haben, dass ihnen ganz grundlegende Menschen- und Bürgerrechte weggenommen werden. Zu diesen Menschen- und Bürgerrechten gehört auch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Wir sollten uns in diesem Haus mit Sympathie und mit Solidarität an die Seite aller Menschen auf der Welt stellen, die für die Meinungsfreiheit demonstrieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das sollten wir tun, weil wir das große Geschenk erhalten haben, in einem Land leben zu dürfen, in dem die Meinungsfreiheit durch die beste Verfassung, die es auf deutschem Boden jemals gegeben hat, geschützt ist – und das ist das Grundgesetz. Wer, meine Damen und Herren, nicht in der Lage ist, eine Diktatur von einer Demokratie zu unterscheiden, der ist nicht nur ethisch und moralisch völlig verwahrlost, der ist auch ohne jeden inneren Kompass für eine politische Tätigkeit.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU])

Deswegen muss man klar sagen: Es macht einen Riesenunterschied, ob man in einem totalitären und in einem autoritären Regime lebt oder ob man in einem freiheitlichen Verfassungsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland lebt. Zu dieser Familie gehören auch wir hier im Deutschen Bundestag. Man muss einen klaren Strich zwischen diesen beiden Systemen ziehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Davon sind, meine Damen und Herren, Extremisten auf beiden Seiten des politischen Spektrums betroffen; denn wir haben auf beiden Seiten des politischen Spektrums Extremisten, die ein romantisches Verhältnis zu Diktaturen haben.

Auf der einen Seite gibt es Rechtsextremisten, die nach Syrien fahren, um sich mit dem Assad-Regime zu treffen.

(Lachen des Abg. Frank Pasemann [AfD])

Dazu sage ich: Syrien ist eine Diktatur. – Ich bin davon überzeugt, dass es in Deutschland genug Menschen gibt, die lieber in Deutschland leben wollen, wo die Meinungsfreiheit geschützt ist, und nicht in Syrien.

(Zuruf der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])

Und, meine Damen und Herren, auf der anderen Seite gibt es Menschen aus der Linksfraktion, die nach Venezuela zu einem Präsidenten fahren, der die Oppositionellen ins Gefängnis schmeißt und das eigene Volk verhungern lässt, um mit dem ein Selfie zu machen. Dazu kann ich nur sagen: Es gibt in Deutschland genug Menschen, die bei uns leben wollen, weil hier die Meinungsfreiheit geschützt ist und nicht wie in einer Diktatur – in Venezuela – missachtet wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Saskia Esken [SPD] – Zuruf des Abg. Michel Brandt [DIE LINKE])

Weil auf der Welt sehr genau beobachtet wird, wie die Situation der Meinungsfreiheit bei uns in Deutschland ist, müssen wir in Deutschland doch gerade die Meinungsfreiheit hochhalten, wertschätzen und verteidigen. Statt nur abstrakt über die Reichweite, über den Gehalt der Meinungsfreiheit zu diskutieren, müssen wir sie tagtäglich leben.

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Und das bedeutet, dass man skeptisch ist gegenüber staatlichen Maßnahmen wie einer Ausweitung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes.

(Karsten Hilse [AfD]: Ein Geschwafel!)

Das bedeutet, dass man kritisch ist bei staatlichen Maßnahmen wie der Einführung von Uploadfiltern. Viele junge Menschen machen sich Sorgen um eine immer weitere Zensur, um eine immer weitere Einschränkung der Meinungsfreiheit, gerade im Internet. Deswegen gehört auch ein wachsames Auge auf die Tätigkeiten des Staates zu einer Verteidigung der Meinungsfreiheit in Deutschland.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Meinungsfreiheit muss aber nicht nur mit Blick auf den Staat verteidigt werden. Sie muss in Deutschland auch mit Blick auf die Gesellschaft verteidigt werden. Es ist absolut inakzeptabel, dass in meinem Wahlkreis in Göttingen der ehemalige Bundesminister Thomas de Maizière keine Autorenlesung halten kann. Ich kann mich an mein eigenes Studium erinnern – das ist noch nicht ganz so lange her –, wo Diskussionen mit dem damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière in Hamburg zu den absoluten Highlights gehörten. Er hat sich gut geschlagen; aber er hat auch zwei Stunden massiv von den Studierenden einstecken müssen. Beide haben ihren Punkt gemacht – der damalige Minister und die Studierenden.

Das ist doch die Art und Weise, wie wir unsere Studierenden an den Hochschulen, wie wir unsere Schüler an den Schulen auf den Meinungskampf vorbereiten wollen. Was wollen wir für Menschen, für Persönlichkeiten in den Universitäten und in den Hochschulen heranziehen? Wollen wir Menschen, die beim ersten Kontakt außerhalb ihrer Filterblase vor Empörung zusammenbrechen? Oder wollen wir Persönlichkeiten, die in der Lage sind, im Zweifelsfall auch in harter Diskussion die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Meinungskampf zu verteidigen?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie das Zweite wollen, wenn Sie diese Persönlichkeiten wollen, meine Damen und Herren von der SPD, dann müssen Sie in Hamburg auch Christian Lindner reden lassen und nicht nur Sahra Wagenknecht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)

Die Tatsache, dass die Universität Hamburg derzeit eine Veranstaltung mit Sahra Wagenknecht genehmigt hat, aber eine Veranstaltung mit Christian Lindner nicht, zeugt mit Blick auf die Meinungsfreiheit von reiner Willkür. Und diese Entscheidung kann keinesfalls Bestand haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich weiß, dass viele von Ihnen – ich halte das für ein ehrenwertes Anliegen – gerade deshalb mit Blick auf Diskussionen in Hochschulen und Schulen skeptisch sind, meine Damen und Herren von Linken, SPD und Grünen, weil Sie Sorge haben, dass dann die AfD-Vertreter dort zu Wort kommen. Aber ich kann Ihnen eines sagen: Die meisten von der AfD sind so schlecht, dass wir als Demokratinnen und Demokraten es immer schaffen werden, gegen die anzugehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der AfD – Karsten Hilse [AfD]: Um Gottes willen! So eine Phrasendrescherei hier! – Martin Reichardt [AfD]: Dann laden Sie mich doch ein zur Diskussion! Ich komme gern!)

Wir werden es immer schaffen – mit den besseren Argumenten, mit unserer Leidenschaft, mit unserem Mut für die freiheitlich-demokratische Grundordnung –, auch in Diskussionen gegen die AfD Bestand zu haben. Ich habe mich noch nie vor einer Diskussion mit der AfD gedrückt. Ich werde das auch weiterhin nicht machen,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Gut so!)

weil ich davon überzeugt bin, dass wir Demokraten – nicht nur wir Freien Demokraten – die besseren Argumente in der Auseinandersetzung mit der AfD haben.

(Martin Reichardt [AfD]: Fürs Protokoll: Ich habe ihm angeboten, dass er mich einladen soll! Reichardt ist mein Name!)

Dass die so schlecht sind, sieht man schon daran, dass sie es nötig haben, mit Michael Roth ein Mitglied der Bundesregierung anwaltlich abmahnen zu lassen, weil Michael Roth im Meinungskampf eine Äußerung gegen die AfD gemacht hat. Wie peinlich ist das eigentlich,

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

dass ihr Mitgliedern dieses Hauses einen Anwalt auf den Hals hetzt, weil ihr die Meinung nicht ertragen könnt?

(Martin Reichardt [AfD]: Verleumderisch!)

Kollege Kuhle.

Das zeigt schon: Wir brauchen uns um die demokratische Auseinandersetzung keine Sorgen zu machen. Wir können gegen die Feinde der Demokratie Bestand haben, wenn wir die Meinungsfreiheit mutig und mit Leidenschaft nutzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die AfD ist der parlamentarische Arm des Rechtsextremismus! Da hast du recht!)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Volker Ullrich das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7396478
Wahlperiode 19
Sitzung 120
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Meinungsfreiheit in Deutschland
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