24.10.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 121 / Zusatzpunkt 2

Gesine LötzschDIE LINKE - Solidaritätszuschlag

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein kurzer Blick zurück in die Geschichte des Solidaritätszuschlages: Bundeskanzler Helmut Kohl von der CDU wollte die deutsche Einheit aus der Portokasse bezahlen. Er wusste, dass es teuer wird. Doch die deutsche Einheit sicherte ihm seine Kanzlerschaft, und da war ihm jedes Mittel recht. So etwas ist nie gut, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Viele Menschen ärgern sich zu Recht über diesen 30-jährigen Wahlbetrug. Sie haben nämlich erlebt, dass die Mittelschicht die Kosten der Einheit tragen musste und die Oberschicht an der deutschen Einheit prächtig verdient hat. Man muss sich das einmal vor Augen halten: Die Zahl der Millionäre ist in den 90er-Jahren sprunghaft angestiegen, und zwar nicht im Osten, meine Damen und Herren.

Jetzt will die Bundesregierung wieder mit einem Taschenspielertrick die Bürgerinnen und Bürger täuschen. Angeblich sollen nur die kleinen und mittleren Einkommen entlastet werden. Doch jedem muss klar sein, dass die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlages vor deutschen Gerichten keinen Bestand haben wird. Und es ist auch kein Geheimnis, dass jetzt schon Klagen vorbereitet werden. Der Solidaritätszuschlag wird dann für alle wegfallen, auch für die Vermögenden, die jetzt schon verhältnismäßig viel zu wenig Steuern zahlen. Das wäre eine grobe Ungerechtigkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das wäre natürlich ein riesiger Erfolg für die Steuersenkungspartei FDP. Aber ich frage die Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Warum wollen Sie es der FDP so leicht machen? Das verstehe ich wirklich nicht.

(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das war nett! – Christian Dürr [FDP]: In der Analyse Zustimmung!)

Der Reichtumsbericht der Schweizer Großbank Credit Suisse hat das Vermögen privater Haushalte weltweit verglichen. In Deutschland ist die Ungleichheit im europäischen Vergleich besonders hoch. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt knapp ein Drittel des gesamten Vermögens.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Weil normale Menschen immer seltener sparen können! Grunderwerbsteuer, Grundsteuer usw.!)

Das ist doch eine grobe Schieflage, und diese Schieflage gefährdet unser Gemeinwesen. So darf es nicht weitergehen, meine Damen und Herren.

Insgesamt sitzen Menschen hierzulande auf einem Vermögen von fast 15 Billionen Dollar, und dieses Vermögen muss umverteilt werden. Doch diese Bundesregierung unternimmt nichts, aber auch gar nichts, um die Ungleichheit in unserem Land zu verringern. Wir als Linke sagen: Die Ungleichheit schadet allen. Wir wollen diese Ungleichheit beseitigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sind leider keine Regierung für alle Menschen, die in unserem Land leben. Sie sind die Vermögensverwaltung für das reichste Prozent. Und das ist nicht ihre Aufgabe. Ihre Aufgabe ist es, für alle zu sorgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Vermögenskonzentration hat auch nur begrenzt etwas mit der Globalisierung zu tun. Sie hat etwas mit der Politik zu tun. Die Steuerreformen von Union, SPD und leider auch Grünen haben in den vergangenen 20 Jahren die Vermögenden entlastet und den ärmeren Teil der Bevölkerung belastet. Das hat zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft geführt und die Rechtsextremen stark gemacht. Das muss uns doch ein Warnsignal sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Alle Steuerreformen seit 1998 haben zusammen das reichste Hundertstel der Gesellschaft um ungefähr 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entlastet und das ärmste Zehntel um ungefähr den gleichen Anteil des Bruttoinlandsproduktes belastet.

Eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, wie es Union und FDP wollen, würde vor allem die Besserverdienenden weiter entlasten.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Es würde die Sparer entlasten, die sparen müssen, weil man sich auf diese Rentenpolitik nicht mehr verlassen kann!)

Ein Beschäftigter mit einem Jahresbruttoeinkommen von 100 000 Euro würde um 1 570 Euro entlastet; aber ein Einkommensmillionär würde um 24 000 Euro im Jahr entlastet. Das wäre doch grob ungerecht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Milchmädchenrechnung!)

Wir als Linke fordern eine gerechte Steuerreform. Deshalb wollen wir den Solidaritätszuschlag in das Steuersystem integrieren und vor allem die ärmere Hälfte der Gesellschaft steuerlich entlasten.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Am besten verdoppeln!)

Die Regierung sagt auch nicht, wie sie den Steuerausfall von 20 Milliarden Euro jährlich ausgleichen will. Im Gegenteil: Sie wollen noch mehr Geld für Rüstung und Krieg verschwenden, wie wir das ja in den gegenwärtigen Haushaltsverhandlungen erleben. Das machen wir als Linke nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Bundesrechnungshof hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben, dass dieser Vorschlag nichts mit einer soliden Haushalts- und Steuerpolitik zu tun hat. Ich zitiere: Es besteht die Gefahr, dass der Bund wie im Fall der Kernbrennstoffsteuer zu „milliardenschweren Steuerrückzahlungen verurteilt wird“. Dafür ist keine Vorsorge getroffen.

(Christian Dürr [FDP]: Stimmt!)

Ich finde, so leichtfertig und sorglos darf man mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger nicht umgehen. So denken Spieler, aber nicht verantwortungsvolle Politikerinnen und Politiker, und wir brauchen verantwortungsvolle Politikerinnen und Politiker für unser Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Obwohl es ökonomischer Unsinn ist, halten Sie weiter an der schwarzen Null fest. Sie wollen auch keine neuen Kredite für die Zukunft aufnehmen, obwohl Sie wissen, dass Sie für die Kredite im Augenblick gar keine Zinsen zahlen müssen, sondern mit Krediten sogar Geld verdienen können. Diese Politik ist grob fahrlässig; das sehen wir, wenn wir uns die Infrastruktur in unserem Land anschauen. Über Steuern und Schulden für die künftigen Generationen wird immer so geredet, als gäbe es kein Morgen. Ich sage: Wir wollen der nächsten Generation Vernünftiges vererben, nämlich intakte Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Turnhallen und Schwimmbäder.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann fangen Sie mal in Berlin an! Da haben Sie ein paar Jahre zu tun!)

Und nebenbei bemerkt: Wenn Sie die nächste Generation fragen, ob sie die Klimakrise oder die Schulden als größtes Problem ansieht, dann lautet die Antwort – das können Sie in der aktuellen Shell-Jugendstudie nachlesen –: Es ist die Klimakrise.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir als Linke wollen die unteren Einkommen entlasten und endlich die Vermögenden steuerlich stärker belasten. Deshalb lehnen wir diesen unehrlichen Vorschlag der Bundesregierung ab. Aber es finden noch Ausschussberatungen statt, und da hoffen wir auf Vernunft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Lisa Paus, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7396504
Wahlperiode 19
Sitzung 121
Tagesordnungspunkt Solidaritätszuschlag
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