24.10.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 121 / Tagesordnungspunkt 4

Lothar BindingSPD - Einkommensteuertarif

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann direkt an Kollege Brehm anschließen. Das Dümmste, was einem in der Schule passieren kann, ist doch, dass man bei einem abschreibt, der auch keine Ahnung hat.

(Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU)

Die AfD hat beim Bund der Steuerzahler abgeschrieben. Sie hätten auch gleich die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft nehmen können.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das Schlimmste allerdings, was einem Parlament passieren kann, ist, wenn man den Handlungs- und Gestaltungsspielraum dauerhaft einschränkt. Und das Gefährlichste für eine Gesellschaft ist, wenn ein Parlamentarier die Entscheidung des Parlaments an einen Automatismus abgibt. Dieser Automatismus ist auch noch unberechenbar und im Zweifelsfall von uns gar nicht beeinflussbar; denn er hängt vom Export ab, von der Arbeitslosenquote, von den Rohstoffpreisen, von der Innovationskraft. Also, ich gebe die Handlungsfähigkeit mit einem solchen Vorschlag an externe Kräfte ab. Dümmer kann man eine Politik nicht gestalten.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es wird auch gelegentlich davon gesprochen, die kalte Progression abzuschaffen. Wer sich das Thema ein bisschen anschaut, merkt: Man kann die kalte Progression nicht abschaffen, es sei denn, man schafft die Progression ab. – Das war schon mal die Idee vom Bund der Steuerzahler. Aber wer die Progression für richtig hält, der weiß: Man kann nur die Wirkung der kalten Progression kompensieren, und genau das – Herr Brehm, Olav Gutting und andere Redner haben es gesagt – machen wir. Das passiert schon die ganze Zeit. Insofern kämpft die AfD gegen ihren eigenen Phantomschmerz, und daran müssen wir uns ja nicht beteiligen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich habe versucht, zu verstehen, woher eigentlich das Wort „Mittelstandsbauch“ kommt; denn so ein Bauch ist ja in erster Linie rund. Aber Sie finden in der Grenzsteuerkurve überhaupt keine Kurve, die rund ist. Sie finden abschnittsweise nur gerade Stücke. Also der Bauch, über den wir heute reden, wäre eigentlich eine Art Spitze. Aber dann würde man nicht „Bauch“ sagen.

(Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Woher kommt das Wort „Bauch“? Bis 1989 war das Wort richtig.

(Thomas L. Kemmerich [FDP]: Das steht doch in Ihrem Wahlprogramm!)

Da ist die Grenzsteuerkurve nämlich entlang quadratischer Gleichungen entwickelt worden, und heute ist sie linear-progressiv abgeleitet. Das ist also eine völlig andere Funktion. Deswegen schlage ich vor: Wir sagen nicht mehr „Bauch“. Wir sagen: Der Anstieg vorne ist zu steil. – Und da muss man etwas machen; das wurde schon ausgeführt. Und darüber gibt es jetzt Streit, und zwar hat das damit zu tun, was unter „Mittelstand“ verstanden wird,

(Beifall des Abg. Metin Hakverdi [SPD] – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Richtig!)

was unter „Leistungsträger“ verstanden wird. Und wenn das Durchschnittseinkommen im Jahr 30 000 Euro beträgt, wenn alle Arbeitnehmer im Jahr durchschnittlich 38 000 Euro verdienen und wir dann die Idee haben, der Mittelstand beginne ab einem Einkommen von 80 000 bzw. 100 000 Euro, dann ist das ein merkwürdiger Mittelstandsbegriff.

Herr Kollege.

Ich komme sofort zum Ende.

Nein, nein, ich wollte nur fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Glaser zulassen.

Nein, nein, das ist ja kein Niveau, auf dem wir argumentieren. Von daher ist es geschickter, wenn ich das jetzt kurz zu Ende führe.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Begriff „Mittelstand“ enthält ja nicht nur „Stand“, sondern auch „Mittel“. Und die Definition für „Mittel“ bei den obersten 10 Prozent zu suchen, ist nicht unsere Idee. Wir meinen die Einkommensbezieher zwischen 10 000 Euro – viele Rentner müssen damit im Jahr zurechtkommen; das ist für uns nicht vorstellbar – und 30 000 Euro im Jahr. Um die kümmern wir uns verstärkt.

Aber jetzt müssen Sie zum Ende kommen.

Denn diejenigen, die über 100 000 Euro im Jahr verdienen – auch wir gehören dazu –, können sich auch sehr gut um sich selber kümmern, können sich am Gemeinwesen gut beteiligen. So wird es ein gerechtes Modell, und darum kümmern wir uns.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7396529
Wahlperiode 19
Sitzung 121
Tagesordnungspunkt Einkommensteuertarif
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta