Rainer SpieringSPD - Wettbewerbsfähige Landwirtschaft
Herr Kollege Protschka, wenn es nicht so traurig wäre, könnte man ja vielleicht darüber nachdenken, ob Sie das, was Sie sagen, alles ernst meinen.
(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: So ist es!)
Wir hatten vor ein paar Tagen eine Veranstaltung mit jungen, sehr gut ausgebildeten Landwirten. Da hat der Kollege Protschka ähnlich rumgepöbelt, wie er es jetzt hier gemacht hat. Von ihnen haben Sie eine Antwort bekommen, sie haben Ihnen auch gesagt, was Sie von Ihren Auslassungen halten: nichts.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Keuter [AfD]: Sprechen Sie mal ins Mikro!)
Ich würde mich jetzt gern dem Antrag der FDP zuwenden. Sie sagen:
Die zentrale Aufgabe der politischen Entscheidungsträger muss es sein, die landwirtschaftliche Produktion in Einklang mit den Wünschen und Anforderungen aus der breiten Gesellschaft zu bringen.
Kollege Hocker, die Wünsche kann ich benennen; die kennen Sie auch: saubere Luft, sauberes Wasser, gesunde Böden, gesunde Seen, Tiere, die im Einklang mit der Natur leben können, keine Nitratbelastung, keine Ammoniakbelastung und alles das, was Menschen im Einklang mit ihrer Natur wollen. Das sind die Wünsche der Menschen.
Wenn Sie das tatsächlich, wie Sie hier erklären, in Einklang bringen wollen, dann müssen Sie diesen Wünschen schon folgen. Sie sagen:
Jedoch müssen wissenschaftliche Grundlagen und sachlich ausgearbeitete Tatsachen die Voraussetzung dieser Auseinandersetzungen sein.
Ja, okay, da bin ich gerne dabei. Schauen Sie sich die Veröffentlichungen des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts, des Julius-Kühn-Instituts und des Bundesinstituts für Risikobewertung an! Schauen Sie sich den Weltklimabericht an! Schauen Sie sich die Nitratbelastung unserer Flüsse und Seen an! Schauen Sie sich die Ammoniakbelastung an! Schauen Sie sich die CO
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Spiering, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Die Kollegin von der FDP würde Sie gern etwas fragen.
Bei Gero Hocker immer gerne.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Ich komme erst als Zweiter dran!)
– Ach so, zwei Fragen. Auch gut.
Ihr Vortrag hat uns so begeistert, dass wir uns beide zu Wort gemeldet haben. Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
In dieser Woche ist ja etwas Beeindruckendes passiert. Die Zahl der Traktoren, die in deutschen Städten unterwegs waren, wird auf 15 000 geschätzt. Die Traktoren gehören eigentlich auf den Acker. Dass sie sich auf den Weg in die Städte machen, sollte uns allen hier ja sehr deutlich zeigen, dass genau das, was Sie gerade angesprochen haben, nämlich der Schutz der Natur, der Schutz der Umwelt, das zentrale Anliegen der Landwirtschaft ist. Ich finde es erstaunlich, dass Sie in Ihrem Redebeitrag versuchen, das so ein bisschen infrage zu stellen.
(Zurufe von der SPD: Oh! – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Hat er gar nicht gemacht!)
Die Landwirtschaft wirtschaftet mit der Natur und durch die Natur. Die Natur ist die Lebensgrundlage und die Ertragsgrundlage für eine funktionierende Landwirtschaft.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie keine Redezeit bekommen? – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohropax rausnehmen!)
Angesichts dessen würde ich Sie gerne fragen – ich freue mich sehr, dass die Bundeslandwirtschaftsministerin der Debatte jetzt beiwohnt –, wie Sie es beurteilen, dass der Dialog vom Bundesumweltministerium permanent abgelehnt wird und dass die Bundesumweltministerin auch heute an dieser Debatte nicht teilnimmt, wo die Landwirte zu Tausenden in die Städte gestürmt sind und den Dialog aktiv angeboten haben.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Martin Hebner [AfD])
Frau Konrad, zwei knappe Antworten: Wir müssen hier unterscheiden. Das eine ist der Dialog zwischen dem Bauernverband und Frau Schulze. Soweit ich weiß, gibt es – Frau Schulze hat mir das letzten Freitag im Zug gesagt – absolute Dialogbereitschaft. Woher die Aussage von Herrn Rukwied, dass diese nicht vorhanden sei, kommt, ist mir schleierhaft.
Was ich viel spannender finde als den Dialog mit dem Bauernverband – das mag mir auch keine der anwesenden Personen übelnehmen –, ist die Frage, wie es um den Dialog mit den jungen aufgeklärten Landwirten,
(Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
die offensichtlich – das zeigt ihre Demonstration – ein anderes bäuerliches Bild wollen, steht. Diesen Dialog würde ich allen Beteiligten dringend anraten.
(Beifall bei der SPD – Dr. Gero Clemens Hocker [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Herr Kollege, Sie haben zu diesem Tagesordnungspunkt schon gesprochen.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Der Redner hat es zugelassen!)
– Ich bitte wirklich um Verständnis: Keine Zwischenfragen mehr.
Sie sprechen in Ihrem Beitrag von sachlichen Grundlagen. Ja, wir haben ein EuGH-Urteil, das Deutschland ganz klar verurteilt. Wenn wir den Vorgaben des europäischen Gesetzgebers nicht folgen, werden wir pro Tag 850 000 Euro zahlen müssen. Sie müssen dann dafür geradestehen, dass diese 850 000 Euro pro Tag nicht gezahlt werden. Das, was Sie hier vorbringen, hilft aber bei der Vermeidung dieser Strafzahlung von 850 000 Euro gar nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stephan Protschka [AfD]: Warum? Weil die Regierung es verschwitzt hat, früher etwas zu machen!)
Die Frage der Digitalisierung, Kollege Hocker, hat mich wirklich umgetrieben.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Schön wäre es!)
Egal was man am Ende der Betrachtung über diese Koalitionäre sagen wird, eins wird man sagen und feststellen müssen: Diese Koalition hat die Digitalisierung vorangetrieben, mit Geldmitteln unterlegt, im Ministerium eine Stabsstelle geschaffen, und die funktioniert. Wir haben die Beteiligten an einen Tisch geholt, und wir versuchen etwas, was überhaupt noch nicht versucht worden ist.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Weniger Versuche, mehr Gesetze! – Stephan Protschka [AfD]: Sie versuchen seit sechs Jahren, zu regieren! Das wird nichts!)
Wir versuchen nämlich über eine staatlich finanzierte – nicht eine staatlich dirigierte – IT-Plattform, eine Plattform zu schaffen, von der alle profitieren können, und zwar unter dem Schutz ihrer Daten: Verbraucher, die Landmaschinenhersteller und die Landwirte. Das ist ein weltweit einmaliger Versuch, der mit viel Geld unterlegt ist.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Stephan Protschka [AfD])
Ich will Ihnen auch sagen, warum wir das wollen, Kollege Hocker, da Ihnen ja leider das Netzwerk entgangen ist, das schon längst entstanden ist
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Das Telefonnetzwerk entgeht mir immer!)
und Ihrer fachlichen Wertschätzung offensichtlich nicht genügt. Dieses Netzwerk wird dafür sorgen, dass wir die Marktmacht der Amazons, Googles, Microsofts und der SAPs gerade in einem extrem sensiblen Bereich wie der Ernährung der Menschen und der Reinhaltung der Lebensgrundlagen einschränken. Das wäre wirklich den Schweiß der Edlen wert, und wir würden uns freuen, wenn Sie sich daran beteiligen würden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zum letzten Punkt. Da muss man schon tief durchatmen. Sie machen fünf Vorschläge, wie die Bundesregierung reagieren soll. Alle fünf Vorschläge bedeuten, jegliche Verantwortung nach Europa zurückzuschicken, wohl wissend, dass Europa in seinem jetzigen Zustand überhaupt nicht dazu in der Lage ist, die Entscheidungen zu treffen, die Sie einfordern. Sie suggerieren den Menschen: Schiebt das nach Europa weg, dann wird schon nichts passieren. – Wissen Sie, was Sie damit betreiben? Stagnation einer modernen, jungen, effektiven Landwirtschaft. Das finde ich unendlich schade. Wenn ein starkes Land wie Deutschland mit einer extrem starken Landwirtschaft Pflöcke einschlagen kann, dann muss es das tun. Und mit Ihren Vorschlägen verhindern Sie das auf eine für mich unangenehme Art und Weise.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7397021 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 121 |
Tagesordnungspunkt | Wettbewerbsfähige Landwirtschaft |