06.11.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 123 / Zusatzpunkt 1

Thomas HackerFDP - Aktuelle Stunde - Neutralitätsgebot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man macht sich ja so seine Gedanken, wenn wir am Mittwochnachmittag zu einer Aktuellen Stunde zusammengerufen werden: Was hat die Kolleginnen und Kollegen von der AfD denn diesmal so aufgeregt?

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Es geht um Demokratie, Herr Hacker!)

Vieles haben wir uns vorstellen können. Aber dass ein 60-sekündiger Clip im Kinderkanal dafür gesorgt hat, dass wir heute schon wieder über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk diskutieren, hat mich persönlich besonders überrascht. Aber es ist gut, dass wir noch einmal über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reden; vor drei Wochen haben wir an dieser Stelle ja bereits einmal darüber gesprochen.

Damals haben wir über die Anträge von den Kolleginnen und Kollegen der Grünen und von den Freien Demokraten gesprochen. Die AfD hatte inhaltlich wenig dazu beizutragen. Die eigene inhaltliche Leere ist wohl aufgefallen, sodass wir uns jetzt erneut damit auseinandersetzen dürfen.

(Jan Ralf Nolte [AfD]: Wenn es Ihnen zu anstrengend ist, dann gehen Sie doch nach Hause!)

Ganz in der Manier von Verschwörungstheoretikern bezweifeln Sie die Neutralität der Berichtserstattung, und Sie nutzen rechte Rhetorik wie „Gesinnungsjournalismus“, um schon gleich im Antrag zur Aktuellen Stunde – später wurde das Wort „Gesinnungsjournalismus“ gestrichen – deutlich zu machen, wo Sie stehen. Die große politische Mehrheit in diesem Haus verschließt sich diesen Diskussionen nicht, führt sie aber sachlich und mit Inhalt.

Die Diskussion um Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen wir führen, und wir Freien Demokraten wollen sie führen. Woran wir aber nicht rütteln lassen, ist die im Grundgesetz verankerte Presse- und Meinungsfreiheit.

(Beifall bei der FDP)

Ja, wir stehen zu den Grundpfeilern unserer Verfassung, und wir werden sie gegen jeden Angriff aus Ihren Reihen verteidigen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Es gibt keinen Angriff! Sie haben das Thema nicht verstanden!)

Nicht jeder Bericht, nicht jede Diskussion und nicht jedes Programm in den Medien – ob öffentlich-rechtlich oder privat – mag mir persönlich gefallen, mag meine eigene Meinung widerspiegeln. Aber genau das ist doch die notwendige Pluralität, der Pluralismus in der Diskussion, den wir brauchen. Hier jedes Mal bei einer abweichenden Meinung die Neutralität der Medien anzuzweifeln oder gar von Gesinnungsjournalismus zu sprechen, ist schlichtweg Quatsch.

(Beifall bei der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Hier geht es um Verhetzung von Kindern!)

Was hat sich denn seit unserer letzten Diskussion geändert? Die von Ihnen, von der AfD, versuchte Instrumentalisierung der Studie des Reuters Institute von der Universität Oxford kann es nicht gewesen sein; die kam ja schon im September raus. Diese Studie belegt so ziemlich alles, aber keine Verletzung des Neutralitätsgebotes und auch keinen Gesinnungsjournalismus.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sieht über ein Drittel der Bürger anders!)

Das Informationsangebot – auch das des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – wird von den Bürgerinnen und Bürgern seit Jahren konstant hoch bewertet. Auch im Bereich der Glaubwürdigkeit lassen die Zahlen keinen fortschreitenden Vertrauensverlust herleiten, wie Sie es gerne hätten. Allein bei den Menschen, die sich selbst an den Rändern des politischen Spektrums – ob rechts oder links – verorten, ist ein Vertrauensverlust gegenüber den Medien messbar. Dort haben Sie sicherlich die beste Expertise, und das beweist, dass unsere Aktuelle Stunde heute wieder nur einem dient: der Bedienung Ihrer Kunden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, die Medienwelt verändert sich. Ganze Generationen nutzen Medien nicht mehr linear daheim vom Fernseher aus, sondern greifen von überall und zu jeder Tageszeit auf Inhalte zur Information oder zur Unterhaltung zu.

Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht hier vor notwendigen Veränderungen. Diese betreffen eben die Struktur, die Sendemöglichkeiten und sicherlich auch den konkreten Auftragszuschnitt, aber nicht die Qualität. Gerade dass Ihnen die Berichterstattung der Presse über Sie nicht gefällt, ist doch auch Ausdruck der Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Faschisten dürfen als Faschisten bezeichnet werden. Dass das bei Ihnen so ist, ist nicht das Problem von ARD und ZDF, sondern das Problem Ihrer Partei, die solche Menschen bei sich duldet.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Reden wir zum Abschluss über die Kinder, deren Schutz Ihnen ja so wichtig ist! Die 3- bis 13-Jährigen schauen noch fast ausschließlich lineares Fernsehen. Der Kinderkanal ist der mit Abstand beliebteste Sender. Bei den über 13-Jährigen beginnt bereits die Abwanderung ins Netz. Wenn Sie auf den Schutz dieser Personengruppe abzielen, dann ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk wohl nicht der richtige Adressat. Die Gefahr geht hier eher von den Internetseiten aus, die Hass und Hetze, Pornografie und Gewalt verherrlichen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU und der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, der Schutz unserer Kinder wird durch das Jugendschutzgesetz und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sichergestellt. Die bestehenden Regeln brauchen dringend eine Anpassung an das heutige Medienverhalten und den Medienkonsum; denn der Staat regiert eben nicht in das Wohnzimmer und das Kinderzimmer hinein, und das ist auch gut so. Es ist vielmehr ein Zusammenspiel von staatlichen Leitplanken, Elternverantwortung sowie Selbstbestimmung und Eigenverantwortung – auch des Kindes –, und dazu wollen wir die Medienkompetenz aller Generationen stärken.

Bei der Diskussion heute geht es um die Grundfeste unserer demokratischen Werteordnung. Es geht um Glaubwürdigkeit, und es geht um Wahrheit. Es geht um die Meinungsfreiheit und um Pressefreiheit, und die werden wir immer mit ganzer Kraft verteidigen.

Danke.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Martin Rabanus für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7399352
Wahlperiode 19
Sitzung 123
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Neutralitätsgebot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta