Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Modernisierung des Strafverfahrens
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten, greifen wir ein wichtiges Anliegen der Union aus dem Koalitionsvertrag auf. Es ist ein Element des Paktes für den Rechtsstaat; denn dafür brauchen wir nicht nur mehr Personal und eine bessere Ausstattung, sondern eben auch effiziente Verfahren. Wir machen es jetzt – vieles hätte man auch schon früher machen können –, weil es jetzt den politischen Konsens dazu gibt.
Zu Beginn möchte ich noch mal daran erinnern, was der Sinn des Strafprozesses ist. Der Gesetzentwurf setzt diese Frage ja auch an den Anfang. Es geht um die Aufklärung von Straftaten, um die Ermittlung des Täters, um die Ermittlung seiner Schuld, es geht um seine Bestrafung, und natürlich geht es auch um die Entlastung und den Freispruch des Unschuldigen. Es ist die Aufgabe von Staatsanwaltschaft und Gericht, der materiellen Wahrheit in Bezug auf belastende und entlastende Fakten möglichst nahezukommen. Das folgt aus dem eigenen staatlichen Anspruch, die Strafverfolgung durchzuführen. Der Staat ist das aber auch den Opfern schuldig, weil er das Gewaltmonopol für sich in Anspruch nimmt.
Die Wahrheit wird nicht um jeden Preis ermittelt, sondern es gibt Grenzen. Der Angeklagte, der Beschuldigte, darf niemals nur Objekt des Verfahrens sein. Dem entspricht, dass er sehr umfangreiche Verfahrensrechte hat, dass er sich nicht selbst belasten muss, dass der Grundsatz „In dubio pro reo“ für ihn streitet.
Gleichzeitig haben wir aber das Problem, dass Prozesse unnötig lange dauern, dass die Ressourcen bei den Ermittlern und bei den Gerichten knapp sind. Das hat unliebsame Folgen: Menschen müssen aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Verfahren dauern zu lange. Es muss Strafrabatte zum Ausgleich der langen Verfahrensdauer geben. Deshalb ist mehr Effizienz nötig, und zwar nicht als Selbstzweck, sondern weil Zeit- und Ressourcenverschwendung an der einen Stelle immer dazu führen, dass man in einem anderen Fall dem Täter eben nicht mehr auf die Spur kommen kann, dass ein Täter nicht überführt werden kann oder ein Prozess platzt.
Natürlich ist Effizienz im höchsten Maße auch im Sinne der Opfer; denn ein Opfer kann häufig mit der Tat, mit dem Schaden, dem Verlust, den es erlitten hat, erst dann abschließen, wenn auch das Verfahren zum Endpunkt gekommen ist. Und nicht zuletzt: Auch für die Unschuldigen ist jeder zusätzliche Tag unzumutbar.
Wie sinnvoll und nötig Maßnahmen zur Straffung des Verfahrens sind, zeigt ein Beispiel aus Koblenz. Dort musste ein Prozess gegen ein Neonazi-Netzwerk nach fast fünf Jahren abgebrochen werden, weil der Vorsitzende Richter in Pension ging. Es waren über 240 Beweisanträge, mehr als 400 Verfahrensanträge, mehr als 500 erfolglose Befangenheitsanträge gestellt worden. Damit hatte man es geschafft, den Prozess platzen zu lassen. Da ist wirklich ein Punkt erreicht, wo sich der Rechtsstaat nicht in dieser Art und Weise vorführen lassen darf.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Frau Kollegin Winkelmeier-Becker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seitz?
Herr Seitz, bitte.
Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Meine Frage zielt dahin: Ist Ihnen bekannt, dass die Landesregierung in Bezug auf das von Ihnen angesprochene Verfahren rechtzeitig auf diese Problematik hingewiesen wurde und es versäumt hat, das Landesrichtergesetz dahingehend abzuändern, dass, wie es in anderen Bundesländern der Fall ist, die Verlängerung des Dienstes über das normale Eintrittsalter in den Ruhestand hinaus möglich wird? Damit hätte nämlich das Platzen dieses Verfahrens verhindert werden können.
Ja. Das ist aber ausschließlich Sache der Landesregierung Rheinland-Pfalz und von daher hier überhaupt nicht Gegenstand unserer Erörterungen. Jeder muss an seiner Stelle dazu beitragen, dass die Effizienz im Verfahren gewahrt bleibt. An der Stelle sage ich Ihnen: Wenden Sie sich bitte nach Mainz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jeder muss an seiner Stelle etwas beitragen. Unser Gesetzentwurf schlägt jedenfalls eine ganze Reihe von guten Maßnahmen vor, die mehr Effizienz ermöglichen, ohne die Rechte des Angeklagten in der Substanz anzutasten. Sie ermöglichen eine bessere Planung, vermeiden hier und da taktische Schachzüge von Verteidigern, die für den Aspekt der Wahrheitsfindung keinen Mehrwert haben. Wir sorgen jetzt dafür, dass Besetzungsrügen und Befangenheitsanträge nicht mehr so leicht zum Platzen von Terminen führen können. Das bringt die Terminpläne aller Beteiligten letztendlich nämlich durcheinander.
Gerade bei Befangenheitsanträgen ist die Erfolgsquote extrem gering, aber der Störfaktor ist sehr groß. Deshalb korrigieren wir das an dieser Stelle, sodass man auch nach einem Befangenheitsantrag weiter verhandeln kann; denn nicht der Befangenheitsantrag macht befangen, sondern ein Befangenheitsgrund, und dieser stellt sich in aller Regel als nicht vorhanden heraus. Wo das Risiko eingegangen wird und sich Befangenheit hinterher herausstellt, muss der Part dieses Prozesses natürlich wiederholt werden. Wir setzen zugleich Anreize, Beweisanträge frühzeitiger zu stellen, damit sie nicht als Verschleppungsabsicht dargestellt und zurückgewiesen werden können.
Es wird weiter Beigeordnete, das heißt staatlich vorfinanzierte Prozessvertreter, für Nebenkläger geben, aber eben nicht mehr für jeden einen einzelnen, der seine Anträge stellt, sondern bei gleich gerichteten Interessen eben auch einen gemeinsamen.
Mit der Unterbrechungsfrist bei Mutterschutz und Elternzeit sorgen wir dafür, dass eine Schwangerschaft nicht mehr unausweichlich dazu führt, dass der Prozess platzt. Das ist doch der Haupteffekt, dass sich dann alle darauf einstellen können, dass an der Stelle der Prozess unterbrochen wird, aber hinterher dort auch wieder aufgegriffen wird. Das ist der Haupteffekt, und auch das wird zur Beschleunigung des Verfahrens führen.
Es gibt Maßnahmen zur besseren Aufklärung von Straftaten. Das wichtigste Beispiel ist sicherlich die Ausweitung der DNA-Analyse. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur weiteren Aufklärung. Natürlich wird sie alleine nicht reichen, um einen Täter zu überführen, aber sie ist eben ein objektives Mittel und ein guter Ansatz.
Das sind wichtige Maßnahmen, auf die die Praxis längst wartet. Insofern freue ich mich auf zügige und konstruktive Beratungen in der nächsten Woche.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dr. Jürgen Martens, FDP, ist der nächste Redner.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7399383 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Modernisierung des Strafverfahrens |