Metin HakverdiSPD - Chinapolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland wird im kommenden Jahr von Juli an die europäische Ratspräsidentschaft übernehmen. Richtig und wichtig ist das Vorhaben eines EU-China-Gipfels im kommenden Jahr in Leipzig. Wir unterstützen ausdrücklich das Ansinnen, die China-Politik zu einem Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft zu machen. Es ist höchste Zeit, unser Verhältnis zu China zu überprüfen und es an die Herausforderungen unseres Jahrhunderts anzupassen; das zeigen die Anträge der Grünen, die heute vorliegen, das zeigt aber auch die Debatte um den 5G-Ausbau in unserem Land und die Beteiligung von Huawei.
Die Welt hat sich verändert. Die Hoffnung eines Wandels durch Annäherung hat sich im Falle Chinas nicht erfüllt. Heute ist China weder eine Demokratie noch eine soziale Marktwirtschaft. Die Volksrepublik ist zu einem Systemrivalen geworden. Die Volksrepublik verkündet, wirtschaftlich und technologisch die weltweite Führung übernehmen zu wollen. Mit dieser Entwicklung muss unsere Außenpolitik Schritt halten. Deshalb brauchen wir jetzt diese China-Debatte.
Dafür müssen wir uns vergewissern, wo wir selbst als Deutschland, als Europa, als Europäische Union hinwollen. Ein wesentlicher Baustein künftiger Außenpolitik betrifft unsere Wirtschaftspolitik. Wir wollen unsere Wirtschaft ökologisch und sozial nachhaltig umbauen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wirtschaftliche Aktivitäten, die die Verletzung von Menschenrechten befördern oder unterstützen, passen nicht zum Selbstverständnis der Europäischen Union. Wir werden auch weiterhin sehr genau die Entwicklung der Menschenrechtslage in China beobachten. Die Lage der uigurischen Minderheit in China verheißt leider nichts Gutes. Es geht nicht an, dass circa 1 Million Uiguren in Umerziehungslagern interniert sind, um einer Gehirnwäsche unterzogen zu werden. Es geht nicht an, dass die Minderheiten der Uiguren und der Kasachen mit einer Totalüberwachung konfrontiert sind.
Wir müssen feststellen, dass es keinen Raum für eine chinesische Öffentlichkeit gibt, die dieses Regierungshandeln anprangern könnte. Das chinesische System ist nicht in der Lage, solche schreienden Ungerechtigkeiten, solche Fehlentwicklungen innerhalb eigener gesellschaftlicher Strukturen zu korrigieren, weder auf der Ebene der Zivilgesellschaft noch auf der Regierungs- bzw. Führungsebene; denn das System der kollektiven Führung gibt es nicht mehr. Das muss uns mit großer Sorge im Umgang mit China erfüllen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Zeiten von Geoeconomics ist die Trennung von Innen- und Außenpolitik nicht immer zielführend. Wir müssen heute im Hinblick auf unser Verhältnis zu China und anderen außereuropäischen Mächten Wirtschaftspolitik, Außen- und Sicherheitspolitik und Menschenrechte zusammendenken. Die Menschheit ist durch Echtzeitkommunikation, durch Wertschöpfungsketten, durch das weltweite Klima und natürlich durch das Internet miteinander verwoben wie nie zuvor. Eine künftige europäische Außenpolitik muss diesem Umstand Rechnung tragen.
Dazu gehört auch die digitale Souveränität Europas. Wir müssen uns vor dem Import des digitalen Überwachungsstaates schützen. Deshalb müssen wir uns auf dem Feld der künstlichen Intelligenz bzw. der digitalen Infrastruktur auf die Höhe der Zeit bringen. Diese Herausforderung ist riesig, unser Rückstand erheblich. Wir sollten hier größer und europäischer denken als bisher. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen ein Apollo-Programm in Sachen Technologieführerschaft in der digitalen Infrastruktur. Der Airbus-Konzern erinnert uns: Durch gezielte industriepolitische Zusammenarbeit auf europäischer Ebene besitzen wir heute einen vollwertigen Global Player in der Luft- und Raumfahrt. Ein zukünftiges 6G-Netz sollte von einem Konsortium europäischer Unternehmen aufgebaut werden. Das muss unser erklärtes Ziel sein.
Und natürlich müssen wir im Dialog mit China bleiben – trotz oder gerade erst recht wegen aller Herausforderungen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Metin Hakverdi. – Letzter Redner in dieser Debatte: Sebastian Brehm für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7400210 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Chinapolitik |