07.11.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 124 / Tagesordnungspunkt 16

Jens BeeckFDP - Angehörigen-Entlastungsgesetz

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste des Hauses! Kernstück des Gesetzes ist die Entlastung von Angehörigen mit einem Jahreseinkommen von bis zu 100 000 Euro. Die Freien Demokraten begrüßen das ausdrücklich.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD])

Es muss ein Ende haben, dass Menschen, die sich lange Zeit um ihre Angehörigen gekümmert haben, dann, wenn eine stationäre Versorgung oder eine ambulante Unterstützung durch Pflegedienste erforderlich wird, Angst um die eigene finanzielle Existenz haben müssen.

(Reinhard Houben [FDP]: So ist es!)

Das betrifft sowohl Menschen in Pflegeeinrichtungen als auch Menschen mit Behinderung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Wie gesagt, wir unterstützen das ausdrücklich.

Aber: Besser wäre es, nicht nur dieses Gesetz zu verabschieden, sondern auch die Finanzverantwortung dorthin zu legen, wo das Gesetz verabschiedet wird. Diese Finanzlast den Kommunen aufzubürden, ist grundfalsch,

(Beifall bei der FDP)

weil es sich um eine nationale Aufgabe handelt, für die der Bund die Verantwortung tragen muss. Es ist auch deswegen falsch, weil wir die Kommunen bereits durch andere Gesetzgebungsvorhaben, beispielsweise im Bereich des Bundesteilhabegesetzes, stark belastet haben. Ich bin mir aber sicher, dass über den Umweg des Vermittlungsausschusses auch dieses Gesetz noch eine Verbesserung erfahren wird.

(Pascal Kober [FDP]: Schade, dass es diesen braucht! – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Bestimmt nicht!)

Ich komme damit zu den weiteren inhaltlichen Punkten. Die Bundesregierung repariert mit diesem Gesetz weitere lange bekannte offene Baustellen im Bereich des SGB IX-neu endlich; aber sie verpasst mit diesem letzten Gesetz, das zum 1. Januar 2020 Rechtswirksamkeit erlangen wird, auch die Gelegenheit, eine ganze Reihe weiterer offener Baustellen zu beseitigen. Die massiven Verwerfungen, die zum 1. Januar 2020 drohen, sehr geehrter Herr Bundesminister Heil, werden damit in großen Teilen nicht adressiert.

Was geschieht mit den Menschen, die zum 1. Januar 2020 keinen Antrag – keinen weiteren Antrag – auf Grundsicherung gestellt haben? Was passiert, wenn sie das möglicherweise im Februar oder März auch noch nicht getan haben, in der Systematik unseres Sozialrechts? Wann wird den Einrichtungen endlich rechtssicher vorgelegt, welche Flächen, welche Dienstleistungen und welche Tätigkeiten der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX zuzuordnen sind und welche der Existenzsicherung nach dem SGB XII? Bis heute ist das an vielen Stellen unklar.

Sie adressieren bis heute nicht die Sorgen der Betroffenen und der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Betreuer, die immer noch nicht wissen, wie die Herausforderungen der vielen erforderlichen neuen Vertragsschlüsse zum 1. Januar 2020 und wie die Begleitung im Rahmen der Teilhabe- und Gesamtplanverfahren von ihnen eigentlich bewältigt werden sollen – mit der Folge, dass unsere Familiengerichte reihenweise Kündigungen von gerichtlich bestellten Betreuungen zum 31. Dezember dieses Jahres haben. Auch das ist nicht gelöst.

Heute Nachmittag haben Sie die Chance verpasst, in der umsatzsteuerrechtlichen Frage zu verhindern, dass Mittagessen in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe nicht nur unterschieden werden müssen nach Einkauf von Ware und Zubereitung von Essen.

(Christian Dürr [FDP]: Ja, das stimmt!)

Das eine ist SGB XII, das andere ist SGB IX. Vielmehr soll der eine Teil, der dem SGB XII zugeordnet ist, jetzt auch noch umsatzsteuerveranlagt werden.

Auch das kann ja nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall bei der FDP)

Keine dieser Fragen haben Sie geklärt. Die Situation in den Ländern ist ebenso konfus, weil das Gesetz so kompliziert ist. Deswegen ist das alles nicht der große Wurf.

(Pascal Kober [FDP]: Ein ganz kleiner Wurf!)

Sie, Herr Bundesminister, haben das Budget für Ausbildung angesprochen. Auch das unterstützen wir ausdrücklich, aber Sie bilden es im Grunde dem Budget für Arbeit nach, das älter ist und von dem wir wissen, Herr Kollege Oellers, dass es nicht funktioniert. Sie haben gerade gesagt, Sie wollten da nachbessern. Das ist im Grundsatz und in der Sache löblich. Nur, nachdem Sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben, das Budget für Arbeit einzuführen, in dieser Wahlperiode zweimal einen Anlauf unternommen und es nicht hinbekommen haben, ist es auch keine so ganz große Leistung, dass Sie jetzt selbst sagen müssten, Sie müssen an der Stelle noch einmal nachbessern.

Ich komme zum Ende, Herr Präsident. Das Gesetz hat ein paar richtige Ansätze, aber ganz viele Dinge lösen Sie leider nach wie vor nicht. Damit gilt das, was bei Gesetzen, die Sie für Menschen mit Behinderung machen, häufig gilt. Sie haben den richtigen Willen, Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz und die Behindertenrechtskonvention gemeinsam umzusetzen, aber es fehlt Ihnen an der richtigen Methodik, das auch so zu tun, dass das bei den Menschen ankommt. Das ist schade. Deswegen ist das Gesetz nicht zustimmungsfähig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Der nächste Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Matthias Birkwald.

(Beifall bei der LINKEN)

Personen

Dokumente

Automatisch erkannte Entitäten beta

Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7400218
Wahlperiode 19
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Angehörigen-Entlastungsgesetz
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta