Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste des Hohen Hauses! Nach dem feigen und hinterhältigen Anschlag auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 mit 12 Mordopfern und 50 Verletzten ist die Einführung eines neuen Entschädigungsrechts dringendst notwendig geworden. Daher begrüßen wir als AfD es grundsätzlich, dass die Regierung endlich versucht, für soziale Gerechtigkeit in Deutschland zu sorgen.
Doch in einigen Teilen des SGB XIV ist es leider bei einem Versuch geblieben. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht zwar vor, dass mit der Gesetzesreform keine Leistungsverschlechterung für Opfer von Gewalttaten jeglicher Art hervorgehen soll. Die Realität sieht aber leider anders aus. Dass Sie als Koalition das neue SGB XIV innerhalb von drei Wochen durch die Gremien peitschen und am heutigen Tage im Bundestag verabschieden wollen, ist eine sportliche Leistung,
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Wir können halt auch was!)
birgt aber die Gefahr, dass der gute Wille zu einer Verschlimmbesserung führt.
Ich weiß nicht, ob die Genossen der SPD Angst vor ihrem eigenen Bundesparteitag im Dezember haben; aber anders kann ich mir nicht erklären, warum deshalb die sozialen Gesetze wie erst kürzlich das Pflegelöhneverbesserungsgesetz im Schweinsgalopp auf den Weg gebracht werden.
Wir als AfD-Fraktion haben in dem Bereich der Sozialen Entschädigung zwei Entschließungsanträge eingebracht, auf die ich gern näher eingehen möchte. Wir fordern die Einführung einer Clearingstelle, also einer Einrichtung zur Koordination und Schlichtung zwischen Trägern und Betroffenen. Gestellte Anträge werden zurzeit in der Regel in einem Zeitraum zwischen einem und drei Jahren bearbeitet. Kommt es dann noch zu einem Widerspruchsverfahren, verzögert sich der Vorgang auf unbestimmte Dauer. Wir erwarten, dass mit der Einführung einer Clearingstelle der hohe Prüf- und Verwaltungsaufwand deutlich reduziert werden kann; denn 2017 wurden 50 Prozent der Anträge abgelehnt. Durch die Einschaltung einer Clearingstelle werden der Verwaltung Möglichkeiten zu weiteren Verfahrensweisen aufgezeigt und damit das Risiko langer Verfahrensdauern gemindert.
Kommen wir jetzt zu unserem zweiten Antrag. Die Einführung eines neuen Entschädigungsrechts sieht unter § 138 SGB XIV leider keine Verbesserung gegenüber § 10a des alten Opferentschädigungsgesetzes vor. Im Gegenteil: Der § 10a Opferentschädigungsgesetz samt der Härtefallregelung wurde in § 138 Absatz 3 ff. SGB XIV eins zu eins übernommen. Das bedeutet, der Anspruch auf einen Berufsschadensausgleich bleibt den Betroffenen, die vor dem 16. Mai 1976 Opfer einer Gewalttat wurden, auch weiterhin verwehrt. Ebenso bleiben den Betroffenen Heilbehandlungen, Rehamaßnahmen und andere Hilfen als Folge der Schädigung versagt.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Herr Witt, sagen Sie mal was zu der Sichert-Rede von der ersten Lesung! Da höre ich gar nichts mehr von!)
Im Falle einer Bedürftigkeit erhalten sie bestenfalls eine Erwerbsminderungsrente, die sehr gering ausfällt und auf andere Leistungen wie zum Beispiel Arbeitslosengeld II angerechnet wird.
(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Wo haben Sie denn Herrn Sichert gelassen?)
Sie, Herr Heil – leider ist er nicht mehr da –, fordern im neuen Entschädigungsrecht auch noch eine Heranziehung von Vermögen bei der Beurteilung, ob eine Bedürftigkeit vorliegt oder nicht. Dies ist eine Verhöhnung der Opfer, insbesondere wenn man an Ihre vehemente Weigerung in der aktuellen Diskussion um die Bedürftigkeitsprüfung bei der Grundrente denkt. Für die Opfer aber bedeutet diese Bedürftigkeitsprüfung eine deutliche und spürbare Verschlechterung.
Das neue Entschädigungsrecht sieht auch immer noch keine Gleichstellung von Leistungen in den neuen und in den alten Bundesländern vor. Wie soll man es jemandem plausibel machen, dass der Regierung das Leid, das zum Beispiel durch Missbrauch entstanden ist, von Opfern aus dem Osten weniger wert ist als das von Opfern aus dem Westen? 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sollte man doch meinen, dass diese Ungleichheit zwischen Ost und West endlich mal ein Ende hat.
(Beifall bei der AfD – Leni Breymaier [SPD]: So ein Quatsch!)
Mit unseren Entschließungsanträgen wollen wir für die betroffenen Opfer eine tatsächliche und gerechte Verbesserung schaffen. Ohne diese Veränderungen sehen wir mit der Einführung des neuen SGB XIV teilweise eine deutliche Verschlechterung der Situation der Geschädigten,
(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Das ist ja echt absurd!)
da die Probleme aus der alten Gesetzeslage mit in das neue Gesetz übernommen werden und für die Betroffenen in den genannten Bereichen keine Verbesserungen entstehen. Das sieht der Weiße Ring übrigens auch so, Herr Kollege Bartke.
Herr Präsident, ich komme jetzt zum Schluss.
(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Das ist gut!)
Das Gesetz verbessert sicherlich vieles, es führt aber auch teilweise, wie ausgeführt, zu Verschlechterungen, die wir als AfD im Sinne der Geschädigten verhindern wollen. Da dieses Gesetz für die Opfer und nicht für den Parteiproporz gemacht wurde,
(Zurufe von der SPD: Oh!)
verstehen wir umso weniger, warum Sie unsere Vorschläge ablehnen. Ich appelliere noch einmal an Sie: Denken Sie bitte an die Opfer und nicht daran, reflexartig alle Anträge der AfD abzulehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD – Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich disqualifiziert!)
Der nächste Redner: für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Peter Weiß.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7400239 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Soziales Entschädigungsrecht |