07.11.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 124 / Tagesordnungspunkt 17

Ulrich LechteFDP - Syrien

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte drei Gäste oben auf der Tribüne! Meine Jungfernrede im Deutschen Bundestag hatte ich zur völkerrechtswidrigen türkischen Militäroffensive „Olivenzweig“ gehalten. Damals ging es um die Belagerung der Stadt Afrin in Nordsyrien. Das ist mehr als anderthalb Jahre her.

Derzeit habe ich ein kleines Déjà-vu-Erlebnis; denn vieles wiederholt sich: Die neue türkische Militäroffensive hat einen euphemistischen Namen: Friedensquelle. Der kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich erneut um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handelt, wie Heiko Maas selbst am Mittwoch hier bestätigte.

Doch die Sache ist noch viel schlimmer als im vorherigen Jahr, und unsere Bundesregierung gibt ein katastrophales Bild ab.

(Beifall bei der FDP)

Warum? Zunächst muss man fairerweise dazu sagen, dass die Lage äußerst schwierig ist; denn unsere eigenen Verbündeten haben schwere Fehler begangen.

Die Türkei – immer noch unser Verbündeter als NATO-Mitglied – hat bereits in Afrin völkerrechtswidrig gehandelt und aus unserer bemerkenswerten Reaktion gelernt: Wir haben weiter Rüstungsgüter in die Türkei exportiert. Wir haben die EU-Beitrittsgespräche nicht abgebrochen. Wir haben nicht entschieden auf die Fehler unseres Verbündeten Türkei reagiert. Erdogan hat daraus den Schluss gezogen, dass er so weitermachen kann wie bisher.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Unser NATO-Partner USA hat auch seinen Beitrag zur Verschlechterung der Situation geleistet: Trump hat entschieden, unsere kurdischen Alliierten im Kampf gegen den IS schlicht im Stich zu lassen. Und leider wurde diese Entscheidung eins zu eins umgesetzt, ohne Rücksichtnahme auf gegenteilige Ratschläge der Administration und von Parlamentariern im eigenen Land oder gar Rücksprache mit internationalen Partnern wie uns. Dies war ein klares Signal an Erdogan, dass er freie Bahn hat. Der faktische Rückzug der USA ist Realität, garniert mit einem wirren Brief, den Trump dann noch an Erdogan hinterhergeschickt hat. Man ist schlicht fassungslos, meine Damen und Herren!

In dieser schwierigen Situation hat unser Graf Lambsdorff sehr frühzeitig eine UN-Schutzzone vorgeschlagen. Meine Fraktion hat damit bereits am 9. Oktober eine Blauhelmmission ins Spiel gebracht, um die Konfliktparteien auseinanderzuhalten.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Märchenstunde!)

Es hatte mich daher zunächst gefreut, als die Verteidigungsministerin und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer am 21. Oktober diesen Vorschlag aufgriff und ebenfalls eine Schutzzone forderte.

(Michael Theurer [FDP]: Den Lambsdorff-Plan!)

– Den Lambsdorff-Plan, genau. – Aber leider ist sie dabei sehr dilettantisch vorgegangen, wie wir vorhin schon gehört haben. Sie hat den Vorschlag nicht mit dem zuständigen Außenminister Heiko Maas abgestimmt und ihn nicht einmal ansatzweise durchdacht.

Ihr weiterer Vorschlag, dies als NATO-Mission statt als UN-Mission zu gestalten, hat bei einigen, vielleicht gar bei allen Experten im In- und Ausland nur zu Kopfschütteln geführt. Damit hat Kramp-Karrenbauer dem richtigen Anliegen einer Schutzzone und der deutschen Außenpolitik bereits einen Bärendienst erwiesen. Entscheidungen im NATO-Rat erfolgen nämlich einstimmig. Das scheint unserer Ministerin der Verteidigung nicht bekannt gewesen zu sein. Die Türkei wird dort sicher nicht gegen ihre eigenen Interessen stimmen. Das Verhalten der Fachministerin ist damit – für mich zumindest – völlig absurd.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Doch wer dachte, dass dies schon ein Tiefpunkt der deutschen Politik war, der wurde kurz darauf eines Besseren belehrt. Denn dann kam Außenminister Heiko Maas und hat diesen Dilettantismus seiner neuesten Kollegin noch getoppt: Am 26. Oktober, wie wir heute schon gehört haben, stellte Maas sich in Ankara neben den türkischen Außenminister und lästerte in einer Pressekonferenz über den „theoretischen“ Vorschlag seiner Ministerkollegin Kramp-Karrenbauer. Kurz nachdem Erdogan Maas noch als Dilettant verspottet hatte, führte gekränkte Eitelkeit bei Heiko Maas zu einem Fauxpas par excellence, nur um innenpolitisch eine Spitze gegen den eigenen Koalitionspartner loszuwerden.

Und die Redezeit ist vorbei.

Wer unserer Außenpolitik derart schadet, nur um innenpolitisch zu punkten, der hat das Amt des Außenministers nicht richtig verstanden. Fazit: Heiko Maas hat nicht nur seinem ehrenwerten Amt geschadet, sondern auch der internationalen Syrien-Politik, -

Die Redezeit ist vorbei. – Sonst mache ich den Kubicki.

(Heiterkeit)

– vom Ansehen Deutschlands auf dem diplomatischen Parkett ganz zu schweigen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich bin am Ende meiner Rede.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Kollege Lechte. – Nächster Redner: Omid Nouripour für die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7400271
Wahlperiode 19
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Syrien
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