Horst Seehofer - Aktuelle Stunde - Durchsetzung des Rechtsstaates im Fall Ibrahim Miri
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mich jetzt an den Tatsachen orientieren und darf zuallererst feststellen, dass in kürzester Zeit das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Entscheidung über den Asylantrag von Herrn Miri getroffen hat und den Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt hat,
(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist ja super!)
eine richtige Entscheidung, eine schnelle Entscheidung, die die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaates zeigt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Bravo! Da sind wir echt froh!)
Der Betroffene hat die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen
(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Gegenruf der Abg. Ute Vogt [SPD]: Ja, das ist Rechtsstaat!)
gegen die Entscheidung des BAMF und gegen den sofortigen Vollzug. Es zeichnet unseren Rechtsstaat aus, dass wir auch den Feinden des Rechtsstaats Gelegenheit geben, das rechtsstaatliche Handeln zu überprüfen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Die dürfen gar nicht erst einreisen!)
Auch das ist ein Qualitätsmerkmal für diesen Rechtsstaat,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
auch wenn sich die Feinde des Rechtsstaats nicht an unsere Regeln halten. Das trifft besonders im Falle Miri zu.
Man muss es hier noch mal konzentriert vortragen: Herr Miri ist Oberhaupt eines kriminellen libanesischen Verbrecherclans.
(Beatrix von Storch [AfD]: Mit positiver Sozialprognose!)
Von 1989 bis 2014 wurde er insgesamt 19-mal rechtskräftig verurteilt, unter anderem wegen Raubes, schweren Diebstahls, Hehlerei, Unterschlagung und bandenmäßigen Drogenhandels.
(Dr. Christian Wirth [AfD]: Gute Sozialprognose!)
Vor seiner Abschiebung verbüßte er eine sechsjährige Haftstrafe, aus der er im März 2019 vorzeitig entlassen wurde,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Mit guter Sozialprognose!)
und am 10. Juli 2019 wurde er in den Libanon abgeschoben. Zuvor wurde er mit einer Wiedereinreisesperre belegt. Ein Ausländer, gegen den eine solche Wiedereinreisesperre verhängt wurde, darf, wie der Name schon sagt, nicht erneut einreisen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Das setzt Grenzkontrollen voraus! Ohne Grenzkontrollen ist das doch lächerlich!)
Tut er es dennoch, ist dies ein Tatbestand, der mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe belangt werden kann.
Am 30. Oktober 2019 tauchte Herr Miri wieder in unserem Lande auf,
(Beatrix von Storch [AfD]: Ups!)
stellte eine Selbstanzeige wegen unerlaubter Einreise und beantragte Asyl. Nach eigenen Angaben reiste er mithilfe von Schleppern aus der Türkei auf dem Landweg nach Deutschland ein.
Zusammenfassend zu diesem Sachverhalt der Person Miri sage ich Ihnen:
(Beatrix von Storch [AfD]: Ein Wort: Staatsversagen!)
Da versucht jemand, der über lange Strecken seines Lebens mit dem Rechtsstaat in keiner Weise im Einklang stand,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ach!)
der immer wieder und nachhaltig die Regeln unseres demokratischen Rechtsstaats verletzt hat, und zwar schwerwiegend, vorsätzlich und missbräuchlich die Rechte, die für rechtstreue Bürger gedacht sind, zu missbrauchen. Das kann sich ein Rechtsstaat nicht gefallen lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Und was ist die Konsequenz? Kann nicht, darf nicht, soll nicht?)
Ich bin sehr gespannt, Herr Buschmann,
(Dr. Eva Högl [SPD]: Wir sind alle gespannt! – Martin Erwin Renner [AfD]: Wir sind sehr gespannt! – Gegenruf der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Hören Sie mal zu! Vielleicht können Sie was lernen!)
wie sich die FDP dazu einlassen wird, wenn die Regierung weitere Dinge diesem Parlament vorlegt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben schon eine gewisse Erfahrung mit dem Migrationspaket, das bei Ihnen ja auch nicht besonders beliebt war.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Was machen Sie bei den Charterflügen? Was machen Sie bei den Passersatzpapieren? Nichts!)
– Schön langsam.
Jetzt sage ich Ihnen etwas zur Abschiebung. Da könnte uns der Herr Stamp – in Klammern: FDP –, NRW, massiv mehr unterstützen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir stellen 2 000 Bundespolizisten zur Verfügung.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Der schiebt ab!)
– Herr Buschmann, darf ich Sie mal aufklären über unsere föderalen Zuständigkeiten?
Erstens. Für die Abschiebung sind die Bundesländer zuständig.
(Beatrix von Storch [AfD]: Der darf doch gar nicht einreisen! – Stephan Thomae [FDP]: Wo waren Sie im Fall Sami A.? – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Der schiebt so konsequent ab! Vom dem können Sie was lernen!)
Wir bieten den Bundesländern 2 000 Polizeibeamte an, die die Länder bei der Abschiebung unterstützen.
Zweitens. Bei der Bund-Länder-Institution „Passersatzbeschaffung“ hier in Berlin war ich zu Besuch. Diese Behörde arbeitet ganz hervorragend mit anderen zusammen. Aber weder die Unterstützung durch die Bundespolizei – im Grunde macht die Bundespolizei in der Flugbegleitung vieles ganz alleine – noch die Beschaffung von Passersatzpapieren kann wirksam sein, so wie wir uns das vorstellen, wenn die Bundesländer – dazu gehört auch NRW – uns die Abzuschiebenden nicht zuführen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist die Realität.
(Beatrix von Storch [AfD]: Wenn man jemanden nicht einreisen lässt, dann kann man sich die Abschiebung doch sparen!)
Herr Buschmann, ich werde dem Parlament in wenigen Wochen eine Liste vorlegen: „Abschiebung“, „ausreisepflichtig“, „nicht abgeschoben“ und „in welchen Bundesländern“. Dann können wir gerne eine Diskussion darüber führen.
Was uns dieser Fall lehrt, sind zwei Dinge, die wir offen aussprechen müssen:
(Dr. Christian Wirth [AfD]: Die Grenzen sind offen!)
In Europa funktionieren die Grenzkontrollen nicht oder nicht ausreichend.
(Beatrix von Storch [AfD]: Ah! Jetzt!)
Alle sind für den Außenschutz der europäischen Grenzen; aber wir müssen deutlich sagen: Die Europäische Union ist mit dem Außenschutz noch weit von dem entfernt, was wir verantworten können,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Da sind Sie doch mitverantwortlich!)
nämlich von dem Versprechen, dass wir an den Außengrenzen Europas die Sicherheit unserer Bevölkerung gewährleisten. Deshalb wird es eine prioritäre Aufgabe der neuen Kommission sein, diesen Außenschutz für die Bevölkerung zu gewährleisten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Das ist Ihre Aufgabe, die Binnengrenzen zu schützen! Machen Sie doch mal was!)
Nun ist es ja wunderschön, wenn mir bei der Binnengrenzkontrolle so leichte Kritik entgegengeschlagen ist. Es gibt niemanden, der in den letzten drei Jahren -
(Beatrix von Storch [AfD]: Mehr leere Worthülsen als Sie produziert hat!)
ich könnte auch sagen: fünf Jahre – so für die Binnengrenzkontrollen in Deutschland eingetreten ist wie der heutige Bundesinnenminister.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Aber Sie haben nichts erreicht! – Beatrix von Storch [AfD]: Bla, bla!)
Niemand! Und da fanden ganz andere Diskussionen statt.
(Dr. Christian Wirth [AfD]: Sie haben doch resigniert!)
Deshalb habe ich die Bundespolizei angewiesen – ich bin dankbar, dass der Präsident der Bundespolizei anwesend ist und dieser Diskussion folgt; die Leute dort machen nämlich einen schweren Dienst –,
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
dass wir jetzt an allen deutschen Grenzen, nicht nur an der deutsch-österreichischen Grenze wie seit einigen Jahren, die Grenzkontrollen massiv verschärfen.
(Martin Erwin Renner [AfD]: Besonders an der dänischen Grenze! Das ist wichtig!)
Jetzt sage ich Ihnen: Diese Maßnahme, die nicht einmal 24 Stunden in Kraft ist, zeigt bereits jetzt ihre Wirkung.
(Beatrix von Storch [AfD]: Ist nicht zu fassen!)
Wir haben bis jetzt mit gleicher Begründung – Wiedereinreisesperre – zehn Fälle.
(Dr. Christian Wirth [AfD]: Warum nicht früher?)
Sechs Personen wurden zurückgeschickt, und vier Fälle werden noch bearbeitet – in nicht einmal einem Tag, meine Damen und Herren.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Mehr als an der österreichischen Grenze im Monat!)
Das zeigt, wie notwendig das ist. Solange die Europäische Union nicht in der Lage ist, die Außengrenzen wirksam zu schützen, so lange müssen wir Binnengrenzkontrollen durchführen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das wird weder auf eine Woche noch, Herr Buschmann, auf vier Monate begrenzt. Das wird jetzt nachhaltig durchgeführt.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Jetzt!)
Das ist die eine Konsequenz, die wir ziehen müssen.
Die zweite Konsequenz ist: Menschen mit einer Einreisesperre, die an der Grenze erscheinen, werden direkt an der Grenze zurückgewiesen. Wenn sie auf irgendeinem Wege doch in unser Land kommen und Asyl beantragen, bin ich explizit der Auffassung, dass wir Leute mit Wiedereinreisesperre,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie machen ja keine!)
die trotz aller Grenzkontrollen über irgendeine Grenze illegal kommen, im Inland sofort in Haft nehmen müssen und für die Zeit des Asylverfahrens in Haft behalten müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Martin Erwin Renner [AfD]: Das ist der Ankündigungsminister!)
Mir ist ziemlich egal, welche Bezeichnung ein solches Programm bekommt. Sie wissen, dass Zeitungsredaktionen sich das nicht diktieren lassen.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Aber wichtig ist, dass man es macht!)
Aber eines dürfen Sie mir glauben: Nächste Woche werde ich einen entsprechenden Gesetzentwurf für die Haft bei Wiedereinreise trotz Wiedereinreisesperre – Haftandrohung drei Jahre – vorlegen.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Weiß die SPD schon davon?)
Es geht darum, dass diese Menschen, wenn sie Asyl beantragen, in Haft kommen.
Ich sage Ihnen, warum ich da ganz nachhaltig dranbleibe, hartnäckig und ohne jede Kompromissbereitschaft: Es gibt ja noch einige, die in meiner Zeit abgeschoben worden sind, zum Beispiel ein ehemaliger Leibwächter.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Wer hat das gemacht?)
Wenn solche Leute wieder erscheinen – ich glaube, wir haben parteiübergreifend einen großen Konsens, dass Straftäter mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die ein bestimmtes Strafmaß, nämlich sechs Monate, in der Verurteilung überschreiten, in unserem Lande nichts zu suchen haben –,
(Beatrix von Storch [AfD]: Auch die mit positiven Sozialprognosen?)
müssen sie ausgewiesen werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wir müssen das mit allem Nachdruck machen, und zwar rechtsstaatlich einwandfrei und in einer seriösen Diskussion. Der Herr Miri ist von zwei hochqualifizierten Entscheidern des BAMF angehört worden – intensiv angehört worden –; die sind extra dorthin gefahren. Das heißt, wir achten sehr darauf, dass Recht und Gesetz eingehalten werden. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen in unserem Lande den Konsens haben, dass solche Personen außer Landes gebracht werden müssen,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ich glaube, da ist keiner dagegen!)
weil wir sonst das Vertrauen der Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit unseres Rechtsstaats zerstören.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ich sage Ihnen noch eines hinzu: Wenn solche Fälle weiterhin passieren würden – es muss unser gemeinsames Interesse sein, sie zu verhindern –, dann wird, ob wir es wollen oder nicht – ich möchte es nicht –, früher oder später die Diskussion aufkommen, ob wir unser liberales Asylrecht so belassen können, wie wir es heute haben.
(Beatrix von Storch [AfD]: Nein, das können wir eben nicht! Sehr schöne Erkenntnis! Genau, das muss weg!)
Das sehe ich als Gefahr. Deshalb müssen alle wahrhaftigen Demokraten zusammenstehen, um solche Fälle nicht im emotionalen Gegeneinander, sondern im demokratischen Miteinander zu lösen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Asyl ist ein Gnadenrecht!)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bernd Baumann für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 19 |
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