Lothar BindingSPD - Solidaritätszuschlag
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte erst mal denen danken, die den Soli bisher gezahlt haben. Das waren ungefähr 320 Milliarden Euro, für den Golfkrieg – das war befristet –; für die Wiedervereinigung – das war unbefristet. 320 Milliarden Euro, das ist schon ein Wort für die Bürgerinnen und Bürger. Allerdings war das, offen gestanden, nicht genug.
(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Es ist nie genug bei Ihnen! Sie kriegen nie genug!)
Denn der Solidarpakt I und II, der Fonds Deutsche Einheit und die Verluste aus der Treuhand haben 380 Milliarden Euro gekostet. Schon an dieser einfachen Rechnung sieht man: Es fehlt objektiv noch was.
(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Sie kriegen den Hals nicht voll!)
Trotzdem wird heute der Beschluss gefasst, den Soli für viele abzuschaffen. Darüber haben wir schon sehr viel gehört.
Wir wissen auch, dass es vielen Kommunen nicht gut geht. Minister Scholz hat gesagt: Es gibt noch viel zu tun. – Komischerweise sagen das hier alle. „ Es gibt noch viel zu tun“, das Mantra, zum Beispiel bei den Investitionen, kommt jedes Mal. Nur, wenn es ans Bezahlen geht, tun wir uns ein bisschen schwer.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)
Wiebke Esdar hat gesagt: Wir sollen doch ehrlich sagen, dass wir die 3,5 Prozent oberste Einkommen in diesem Fall nicht entlasten wollen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Falko Mohrs hat mir gesagt: Und das ohne Bedürftigkeitsprüfung.
(Beifall bei der SPD)
Die obersten 3,5 Prozent muss man nicht entlasten; denn denen geht es richtig gut, und zwar nachdem sie Steuern, Soli usw. gezahlt haben.
(Christian Dürr [FDP]: Das ist die Beweisumkehr, Herr Binding! Der Staat muss sich rechtfertigen, nicht der Bürger!)
Deshalb ist auch die Formel „20 Prozent der oberen Einkommen zahlen 80 Prozent der Steuern“ kein Hinweis darauf, dass die sich besonders stark engagieren – die engagieren sich sehr stark –; aber es ist ein Hinweis darauf, wie viel sie zuvor hatten,
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE])
wie viel die obersten 20 Prozent verdienen oder bekommen. Das darf man jetzt nicht mit den Leistungsträgern verwechseln. Leistungsträger sind auch alle anderen, die hier arbeiten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)
Auch die Krankenschwester ist eine Leistungsträgerin; die muss den Soli aber gar nicht zahlen.
Jetzt hat der Christian Dürr auch geklatscht; das war fair. Aber er hat vorhin gesagt: Die Beschäftigten im Mittelstand seien die, die jetzt mit unserem Konzept belastet werden.
(Christian Dürr [FDP]: Ich habe gesagt: Wenn Sie den Mittstand kaputtmachen, dann belastet das auch die Beschäftigten! Das ist doch klar!)
Jetzt belasten wir die oberen 3,5 Prozent komplett, die 6 Prozent darunter ein wenig. Jetzt suchen Sie aber den Mittelstand bei den oberen 10 Prozent.
(Christian Dürr [FDP]: Sie haben es nicht verstanden!)
Man muss also erst mal überlegen, was Ihre Idee der Mitte ist.
(Beifall bei der SPD)
Wenn sich die Mitte im obersten Zehntel befindet, dann frage ich mich: Wo ist denn bei Ihnen eigentlich der Durchschnitt? Was ist der Teil darunter?
(Christian Dürr [FDP]: Es ging um die Beschäftigten, Herr Binding!)
Wenn die Mitte in den obersten 10 Prozent liegt, dann stimmt an der Überlegung etwas ganz Grundsätzliches nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Lisa Paus hat was Richtiges gesagt, aber hat uns, fand ich, ein bisschen auf die falsche Fährte gelockt. Es stimmte trotzdem, dass Leute, die keine Steuern zahlen, mit diesem Gesetz nicht entlastet werden: Die mussten vorher nichts bezahlen, die müssen hinterher nichts bezahlen; der Unterschied ist relativ gering.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es ist völlig klar: Du kannst mit einer runden Zange auch nicht die Entfernung messen. Man muss schon schauen, dass man das richtige Werkzeug für eine Aufgabe nimmt.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wo ist denn der Zollstock?)
Bei den Ärmeren sagen wir: Wir haben Kindergeld, Familienförderung, Gute-Kita-Gesetz; wir haben Wohnbauförderung oder Mietzuschüsse. Das hilft den Beziehern schwächerer Einkommen. Insofern: Ein richtiges Werkzeug an der richtigen Stelle; dann wird etwas Gutes daraus.
Was kostet eigentlich so ein Soli? Wir tun immer so, als ob der gigantisch teuer wäre. Kollege Brehm und Kollege De Masi haben schöne Beispiele genannt.
(Beifall des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])
Es ist völlig klar, dass, wenn jemand als Verheirateter ein Einkommen von 100 000 Euro hat und er jetzt 1 400 Euro Soli zahlen muss, er das doch schaffen sollte.
(René Röspel [SPD]: Ja!)
In Wahrheit müssen ja Leute, die richtig viel verdienen, einen noch viel höheren Soli zahlen. Auch das müssen sie schaffen. Um nicht zu sagen: Das können die auch. Denen bleibt nach dem Soli noch so viel, von dem andere nur träumen können.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb ist die Abschaffung des Soli im ersten Schritt gerecht, finanzierbar, hilft den Beziehern unterer Einkommen und ist einfach eine gute Idee.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dann schließe ich die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7401428 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Solidaritätszuschlag |