Norbert KleinwächterAfD - Soziale Garantien
Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen und die Linken sind geradewegs auf dem Weg ins Paradies. Sie wollen soziale Garantien ohne Sanktionen. Sie wollen also auf Deutsch übersetzt, dass Hartz-IV- und Sozialhilfeempfängern rein gar nichts passiert, wenn sie Termine schwänzen,
(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist Ihr Menschenbild!)
wenn sie keinen Bock auf Arbeit haben und wenn sie auf Steuerzahlerknete ausschlafen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Setzen, sechs! Das ist schon alles falsch!)
Blöd sind die 92 Prozent Leistungsempfänger, die ehrlich und sanktionsfrei sind. Blöd ist vor allem der, der morgens um 5 Uhr aufsteht und das alles finanziert.
(Beifall bei der AfD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unsinn! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Blöd ist der, der AfD wählt!)
Bevor Sie Müßiggang zur Staatsräson erklären, sollten Sie vielleicht einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts genau lesen, das Sie zitiert haben.
(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich war sogar dabei!)
Da gibt es nämlich den zweiten Leitsatz, der sich durchzieht:
Der Gesetzgeber kann erwerbsfähigen Menschen, die nicht in der Lage sind, ihre Existenz selbst zu sichern und die deshalb staatliche Leistungen in Anspruch nehmen, abverlangen, selbst zumutbar an der Vermeidung oder Überwindung der eigenen Bedürftigkeit aktiv mitzuwirken. Er darf sich auch dafür entscheiden, insoweit verhältnismäßige Pflichten mit wiederum verhältnismäßigen Sanktionen durchzusetzen.
(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Meine Damen und Herren, die Sanktionen haben erwiesenermaßen positive Arbeitsmarkteffekte. Sie sind ein Mittel zur Vermeidung und Überwindung der Bedürftigkeit. Genau diese Sanktionen wollen Sie kippen. Da stellt sich schon die Frage: Warum sollten Leistungsempfänger denn in Zukunft ihren Verpflichtungen nachkommen? Sie wollen sogar § 31 SGB II und § 26 SGB XII streichen. Das sind unter anderem Kürzungen – ich zitiere -
bei Leistungsberechtigten, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen vermindert haben in der Absicht, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Leistungen herbeizuführen …
Sie wollen also adeln, wenn man betrügt. Das ist nichts anderes als ein Anschlag auf die Solidargemeinschaft, auf das Prinzip der Subsidiarität und auf die Eigenverantwortlichkeit.
(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Grundrecht!)
Andere arbeiten sich kaputt, damit es einige bequem haben. Das ist grüner Sozialismus. Ich sage Ihnen: Das ist nicht der Garten Eden, sondern die verbotene Frucht.
(Beifall bei der AfD – Lachen bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh Gott!)
Nicht die 30 Prozent Sanktionen sind das Problem, sondern das unsägliche Leid, das Hartz IV bei den Menschen erzeugt und das Sie hier gerade verlachen. Menschen, die hart gearbeitet haben, Menschen, die sich etwas aufgebaut haben, Menschen, die durch dieses System alles verloren haben – vermietete Wohnung zum Beispiel, Wertpapiere für die Altersversorgung, ein zu großes Auto –, werden gleichgestellt mit denen, die nie etwas geleistet haben.
(Zuruf des Abg. Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Herr Lehmann, Sie haben vorhin für die Grünen gesprochen. Die Grünen waren mit der SPD in Regierungsverantwortung, als die Agenda 2010 durchgeboxt wurde.
(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Sie, die SPD, aber auch die Union und die FDP haben in der namentlichen Abstimmung am 19. Dezember 2003 allesamt mit Ja gestimmt.
(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist 16 Jahre her!)
Ich erwarte von Ihnen eine Entschuldigung den Menschen gegenüber, denen Sie dieses Leid angetan haben. Das sind Sie ihnen wirklich schuldig.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Hartz IV ist wie kein anderes System teuer und ineffektiv. Wir müssen uns schon darüber unterhalten, wie ein System, das circa 45 Milliarden Euro jährlich kostet, so wenige Menschen in Arbeit bringen kann. 7,2 Millionen sind im System.
(Abg. Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Sie wollen sich entschuldigen? Ich nehme die Zwischenfrage gerne an, wenn ich darf.
Sie gestatten eine Bemerkung oder Zwischenfrage?
(Ulli Nissen [SPD]: Dann darf er ja noch länger reden! – Weitere Zurufe von der SPD: Ach, nein!)
Ja.
Dann bitte.
Da Sie hier darüber gesprochen haben und es so dargestellt haben, dass die AfD die Partei ist, die an der Seite der Hartz-IV-Empfänger steht, möchte ich Sie konfrontieren mit der Äußerung, die Ihr Kollege, Herr Schneider, letzte Woche im Ausschuss gemacht hat. In Reaktion auf das Urteil hat er gesagt: Das Verfassungsgericht hat uns als Gesetzgeber die Peitsche genommen. Hartz IV bedeutet: Hartz IV – und das Jahr gehört dir.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Leider!)
Möchten Sie hier allen Ernstes immer noch den Standpunkt aufrechterhalten, dass Sie an der Seite der Hartz-IV-Empfänger stehen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Sehr geehrter Herr Lehmann, wir stehen auf der Seite der sozial Schwachen.
(Lachen bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und die Erde ist eine Scheibe! Das glauben Sie doch selber nicht!)
Weil dieses System, Hartz IV, genau die sozial Schwachen nicht wirklich schützt, sondern teilweise Leistungsbereite sanktioniert – diesen Teil haben Sie ja begriffen – und diejenigen, die leistungsbereit sind, in die absolute Armut schickt, ist Hartz IV nicht das passende System, um die Situation letztendlich korrekt abzubilden. Das Problem, das wir mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Sie haben auch ein Problem mit der Verfassung, Herr Kleinwächter, nicht nur mit dem Urteil!)
– übrigens unter Stephan Harbarth, der Mitglied des CDU/CSU-Fraktionsvorstandes war und den Sie zum Richter beim Bundesverfassungsgericht befördert haben –, ist, dass dadurch das Sozialsystem Hartz IV noch weiter kaputtgeschossen wird; denn Hartz IV baut darauf auf, dass man Leute sanktionieren kann. Wenn die Sanktionsmechanismen allerdings fehlen, wird es zu nichts anderem als einem bedingungslosen Grundeinkommen, einem bedingungslosen Faulheitseinkommen. Das finden wir nicht gut.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wer einmal da angekommen ist, ist doch mit den zahlreichen Vergünstigungen besser versorgt. Er ist besser versorgt als mancher Selbstständige, besser versorgt als manche Reinigungskraft, besser versorgt als manche Altenpflegehilfe nach anstrengenden Arbeitstagen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das geht gar nicht! Rechtlich geht das gar nicht!)
Nicht umsonst ist für gewisse Bevölkerungsgruppen und künftige Bevölkerungsgruppen Deutschland das Land, wo Milch und Honig fließen. Es ist einfach unredlich, wenn man da die Schleusen noch weiter öffnen will und die Mehrkosten gar nicht beziffert. Wir brauchen eine komplette Reform des Sozialsystems.
(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Dann schießen Sie los! Was wollen Sie denn, Herr Kleinwächter?)
Ihr Antrag geht in die völlig falsche Richtung. Damit kommt man nicht in den Himmel.
(Beifall bei der AfD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Endlich ist es vorbei!)
Das Wort hat die Kollegin Kerstin Tack für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7401634 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Soziale Garantien |