14.11.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 127 / Tagesordnungspunkt 11

René SpringerAfD - Soziale Garantien

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich auf den Antrag der FDP-Fraktion beschränken. Die FDP-Fraktion möchte Hartz IV reformieren und ein sogenanntes liberales Bürgergeld einführen. Sie wollen den Sozialstaat entbürokratisieren und höhere Anreize zur Arbeitsaufnahme schaffen. Beide Zielsetzungen unterstützen wir als AfD-Fraktion ausdrücklich.

(Beifall bei der AfD)

Was wir nicht unterstützen, ist die Art und Weise, wie Sie das Ziel erreichen wollen. Da möchte ich einige Beispiele bringen.

Heute hat ein alleinstehender Arbeitsloser Anspruch auf den Hartz-IV-Regelsatz in Höhe von 424 Euro plus Kosten der Unterkunft.

(Kerstin Tack [SPD]: Mehrbedarf!)

Hier in Berlin sind das knapp 500 Euro für einen Single. Sie wollen nun beides zu einer Pauschale zusammenfassen. Das klingt einfach, hat aber zur Folge, dass jemand, wenn er in einer WG lebt und beispielsweise nur 300 Euro Miete zahlt, 200 Euro mehr in der Tasche hat. Ich glaube nicht, dass irgendein Abgeordneter hier im Bundestag das Mandat hat, auf Kosten der Steuerzahler Taschengeld zu verschleudern. Wenn wir Ihre Pläne ernst nehmen, dann hat der erwähnte Berliner Single über 900 Euro im Monat zur Verfügung. Im Grunde ist das ein Grundeinkommen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Grundeinkommen ist was völlig anderes! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Herr Kober, wenn Sie sagen – warten Sie ab –, Sie wollen die Sanktionen nicht abschaffen, dann sollten Sie Ihren Antrag genauer lesen. In dem steht: „Abschaffung von Sanktionen der Kosten der Unterkunft“. Wir wissen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass 30-Prozent-Sanktionen beim Regelsatz okay sind und 70 Prozent nicht. Das heißt also: Im Grunde ist es ein Grundeinkommen, das jeder erhält, der nicht arbeitet.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Nach Ihrem Antrag geht es sogar so weit, dass man diesen Anspruch hat, wenn ein Sozialleistungsempfänger mit einem Millionär zusammenwohnt. Denn Sie schreiben:

Schaffung eines einheitlichen Regelsatzes

– ich habe es gerade erwähnt -

für erwachsene Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher, unabhängig davon, ob sie mit Partner oder ohne Partner leben …

Das halten wir für verkehrt. Wir halten das für verantwortungslos gegenüber denjenigen, die sich für einen Mindestlohn abbuckeln und am Ende des Monats, wenn man alles abzieht – die Sozialabgaben, die Steuern und die Miete –, weniger zur Verfügung haben als Sozialleistungsempfänger, die nicht arbeiten. Das halten wir für verkehrt.

(Beifall bei der AfD – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Schon wieder eine Rede, in der Sie sagen, was alles nicht geht!)

Es überrascht, dass Sie so einen Antrag überhaupt vorbringen. Im Übrigen sind das Fantasien der Linken, aber eben nicht das, was man üblicherweise von der FDP erwartet.

Aber es gibt noch etwas anderes in Ihrem Antrag: Sie wollen die Hinzuverdienstmöglichkeiten verbessern. Sie wollen, dass man mehr von seinem Zuverdienst zur Verfügung hat. Sie sagen: So lohnt sich eine Arbeitsaufnahme. – Dazu passen Sie quasi die Hinzuverdienstmöglichkeiten an, die es ja auch bislang schon gibt, aber die zugegebenermaßen eher von Arbeit abschrecken als animieren, Arbeit aufzunehmen. Von jedem dazuverdienten Euro soll man also mehr behalten dürfen. Aber das hat eben Konsequenzen. Ja, es führt dazu, dass mehr Menschen einen Job aufnehmen.

Es gibt eine Studie des IAB, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das im Jahr 2010 gesagt hat – es hat Ihren Vorschlag ja untersucht –: Wenn man die Hinzuverdienstregeln anpasst, gibt es 74 000 Leistungsbezieher, die tatsächlich in Arbeit kommen. – Aber die Studie sagt auch, dass dem 880 000 Menschen gegenüberstehen, die in den Hartz-IV-Bezug fallen. Da müssten Sie eigentlich selbst erkennen, dass das ein extrem schlechter Deal ist.

(Beifall bei der AfD – Pascal Kober [FDP]: Wir reden hier nicht von Studien von 2010, sondern von 2019!)

– Ja, Sie haben auch eine Studie. Wahrscheinlich haben Sie die selber beim ifo-Institut beauftragt; aber ich beziehe mich auf die Studie des staatlichen Instituts, und die erscheint mir etwas glaubwürdiger zu sein.

(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Normalerweise misstrauen Sie doch den staatlichen Instituten!)

Mehr Leistungsempfänger bedeuten nach dieser Studie eben auch höhere Kosten. Diese Studie ging damals von 3,2 Milliarden Euro Mehrkosten pro Jahr aus. Wenn Sie sich also demnächst wieder in den Haushaltsberatungen hinstellen – ich glaube, Herr Fricke hat das neulich getan – und die Bundesregierung dafür kritisieren, zu Recht im Übrigen, dass die Sozialleistungen zu hoch sind, dann behalten Sie im Hinterkopf, dass mit Ihrem Bürgergeldmodell alles noch viel schlimmer wird.

(Beifall bei der AfD)

Neben all der Kritik gibt es auch Forderungen, die wir unterstützen. Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin: Ja, wir sind bei Ihnen, wenn Sie in Ihrem Antrag fordern, die Betreuung in den Jobcentern zu verbessern. Wir sind dabei, wenn Sie sagen, Sie wollen die Weiterbildungsmöglichkeiten verbessern und die Übergänge in den ersten Arbeitsmarkt stärken. Da können Sie mit uns rechnen. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Wir stimmen der Überweisung zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort hat die Kollegin Schmidt für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7401641
Wahlperiode 19
Sitzung 127
Tagesordnungspunkt Soziale Garantien
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