14.11.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 127 / Tagesordnungspunkt 22

Cornelia MöhringDIE LINKE - Gewalt an Frauen und Mädchen

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Danke. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als der Europarat vor einigen Jahren die Istanbul-Konvention ins Leben rief, war das ein starkes Signal. Mit diesem Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt wurde anerkannt, dass Gewalt an Frauen und Mädchen eine Menschenrechtsverletzung ist. Es geht aber um noch mehr; denn das Abkommen zielt zudem auf eine Beendigung dieser Gewalt, und zwar durch eine koordinierte Gesamtstrategie. Bis auf zwei Länder haben mittlerweile die übrigen 45 Mitgliedstaaten des Europarats die Konvention unterzeichnet. In 34 Ländern wurde sie ratifiziert,

(Beifall bei der LINKEN)

auch in Deutschland mit einem einstimmigen Beschluss des Bundestages vom 1. Juni 2017. Seit Februar 2018 ist das Menschenrechtsabkommen geltendes Recht. Es gibt aber noch keine koordinierte Gesamtstrategie und auch keinen Aktionsplan. Nachhaltige Maßnahmen zum Ausbau des Hilfesystems sind nicht in Sicht.

Fragt man die Ministerin nach den Fortschritten, wird man erstens auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen und zweitens auf das Hilfetelefon. Keine Frage, das Hilfetelefon ist eine richtig gute Sache, aber es reicht bei Weitem nicht aus. Es muss endlich mehr passieren.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Lage und die Anzahl der betroffenen Frauen haben sich nicht verbessert.

Mindestens jede vierte Frau in der Bundesrepublik hat schon einmal häusliche Gewalt erlebt. Jährlich werden 22 000 Frauen und ihre Kinder in Frauenhäuser aufgenommen. Mindestens genauso viele finden keinen Platz und müssen abgewiesen werden. Es gibt bundesweit eine eklatante Unterversorgung. Wir brauchen endlich mehr Anstrengungen, um das Hilfesystem auszubauen und finanziell abzusichern.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Istanbul-Konvention wird von den Staaten zu Recht der Schutz aller Gewaltopfer gefordert. Gemeint sind damit auch geflüchtete Frauen, Frauen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus, Frauen mit Behinderungen, Frauen, die obdachlos sind, Frauen ohne Papiere. Der Schutz aller Frauen ist gemeint, und das ist auch richtig so.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb muss die Bundesregierung die Vorbehalte gegen Artikel 59 streichen, weil sie diese Zahlen nämlich nicht laufend und vor allem nicht systematisch erhebt.

Nein – ich habe gerade meinen Zettel verdödelt.

(Heiterkeit bei der SPD – Zuruf von der SPD: Das passiert!)

Aber ich will Ihnen nicht vorenthalten, was ich noch sagen wollte. – Ich wollte Sie nämlich auf die wichtige Tatsache hinweisen, dass im Jahr 2019 bereits 147 Frauen ermordet wurden. Meist haben die Opfer mit dem Täter unter einem Dach gelebt. Mindestens 147 Femizide in zehneinhalb Monaten, das heißt, jeden zweiten Tag wird eine Frau ermordet, weil sie eine Frau ist. Die genauen Zahlen und die konkreten Gründe kennt die Bundesregierung nicht, weil sie diese Zahlen nämlich nicht laufend und vor allem nicht systematisch erhebt. Sie will es nicht wissen, vielleicht nach dem Motto: Wer keine Probleme sieht, muss auch nicht handeln. – Wir fordern die Bundesregierung deshalb mit unserem Antrag auf, endlich hinzusehen und die Grundlagen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention zu schaffen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dafür braucht es eine staatliche Stelle, die die Maßnahmen der Ministerien und Länder koordiniert, eine unabhängige Monitoringstelle und eine externe unabhängige Forschungsstelle, die Daten erhebt und ein jährliches Lagebild erstellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle wollte ich eigentlich kräftig über das Schneckentempo der Regierungskoalition meckern. Aber ich habe gehört, dass in den Haushaltsberatungen ein Antrag der Regierungsfraktionen auf dem Tisch liegt, der offensichtlich die Mittel für Monitoring und Koordinierung bereitstellt. Wenn das nicht nur ein Gerücht ist, wäre das natürlich absolut großartig und ein guter Schritt zur Umsetzung der Istanbul-Konvention.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank.

Vielen Dank, Frau Kollegin Möhring. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Sylvia Pantel, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7401860
Wahlperiode 19
Sitzung 127
Tagesordnungspunkt Gewalt an Frauen und Mädchen
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