Jörg SchneiderAfD - Arbeitslosenversicherung
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Linke möchte die Arbeitslosenversicherung verbessern. Das Arbeitslosengeld I wird im Gegensatz zu Hartz IV ohne Bedürftigkeitsprüfung gezahlt. Dafür gibt es gewisse Eintrittshürden, und es ist zeitlich begrenzt. Sie möchten zunächst die Eintrittshürden niedriger gestalten, das bedeutet, es wird mehr Menschen geben, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben. Aber wie viele mehr werden das sein? Ich meine, wenn Sie schon tief in die Sozialkasse hineingreifen möchten,
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ist doch keine Sozialkasse, das ist eine Versicherung! Er versteht es einfach nicht!)
dann erwarte ich von Ihnen zumindest eine gewisse Abschätzung der daraus resultierenden Kosten. Die fehlt bei Ihnen völlig. Meine Damen und Herren von der Linken, das ist unseriös, das ist nicht verantwortungsvoll, was Sie da machen.
(Beifall bei der AfD)
Der zweite Punkt. Sie möchten nicht nur die Hürden verringern, Sie möchten auch die Bezugsdauer verlängern. Darüber könnte man durchaus nachdenken,
(Jessica Tatti [DIE LINKE]: Dann denken Sie mal nach! Das wäre ein Fortschritt!)
genauso wie man darüber nachdenken kann – was Sie auch anbieten –, Weiterbildungsmöglichkeiten zu verbessern. Nur, wenn wir die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I verlängern, dann gibt es weniger Menschen, die von Hartz IV leben. Das bedeutet: Weil Hartz IV aus Steuergeldern finanziert werden muss, haben wir weniger Steuerausgaben und können vielleicht sogar ein bisschen die Steuern senken.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Was ist das für eine Rechnung?)
Das Problem dabei ist: Wir müssten, um Ihre Vorschläge umzusetzen, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung deutlich erhöhen. Das bedeutet aber, dass jeder Arbeitnehmer die Beiträge bezahlen muss, auch derjenige, der Geringverdiener ist, der im Niedriglohnbereich arbeitet und ohnehin wenig verdient. Dem nehmen Sie extra Geld weg. Das heißt, Sie belasten mit Ihren Vorschlägen die Arbeitnehmer, und Sie belasten besonders die Arbeitnehmer, die wenig Geld haben.
(Beifall bei der AfD – Zuruf von der LINKEN: Sie haben es nicht verstanden!)
Ich möchte auf ein aktuelles Ereignis eingehen, das eigentlich gar nichts mit Ihrem Antrag zu tun hat, aber dann doch wieder eine ganze Menge. Die Bundesagentur für Arbeit hat gestern verkündet, dass sie zukünftig unter 25-jährige Hartz-IV-Empfänger nicht mehr sanktionieren will. Das hängt wohl mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vergangener Woche zusammen, obwohl sich das Bundesverfassungsgericht zu dieser Thematik gar nicht geäußert hat. Insofern war die Entscheidung der Bundesagentur unnötig, und sie ist auch schädlich.
(Jessica Tatti [DIE LINKE]: Sie haben keine Vorstellung von der Arbeitslosenversicherung!)
Wenn ein 40-Jähriger arbeitslos wird, dann steht dahinter eine Familie, ein Freundeskreis und ehemalige Kollegen, die Ansporn geben, doch wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, die Motivation bieten und die vielleicht auch einen gewissen Druck aufbauen. Aber wie sieht das bei einem 20-Jährigen aus? Er stammt vielleicht sogar aus einer Familie, in der das Leben von Sozialleistungen durchaus üblich ist.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so widerlich! Immer das Gleiche!)
Er hat Freunde, die das vielleicht sogar ganz cool finden, dass er nicht arbeiten muss und trotzdem jeden Monat sein Geld bekommt. Die einzige Institution im Leben dieses jungen Menschen, die ihm vielleicht eine gewisse Richtung vorgegeben hat, war das Jobcenter.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und die katholische Kirche! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Waren Sie schon mal da?)
Es hat gesagt: Okay, du bekommst dein Geld, aber du musst dafür an deinem Schulabschluss arbeiten, du musst vielleicht einen Berufsvorbereitungskurs besuchen, du musst dich unter Umständen irgendwo bewerben. Genau dieses „Du musst aber“ fällt zukünftig weg.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Was hat SGB II mit SGB III zu tun! Sie reden völlig am Thema vorbei!)
– Nein, das ist überhaupt nicht am Thema vorbei. Das hat schon sehr viel damit zu tun, worüber wir heute sprechen.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Nein, fachfrei, was Sie da sagen!)
Die Entscheidung der Bundesanstalt für Arbeit
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Nicht „Anstalt“! Bundesagentur!)
hängt sehr eng mit Ihrem Antrag zusammen. Beides wird nämlich dazu beitragen, dass die Hürden, Sozialleistungen zu bekommen, gesenkt werden. Es werden im Grunde genommen die Hürden gesenkt, in diesem System bleiben zu können. Das bejubeln Sie, aber Sie vergessen, dass Sie damit gleichzeitig auch die Hürden erhöhen, aus diesem System überhaupt herauszukommen.
(Beifall bei der AfD)
Wir schwächen damit das Sozialsystem.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind Versicherungsleistungen!)
Wir schwächen damit die Menschen, die wirklich auf dieses Sozialsystem angewiesen sind. Wir lehnen deswegen die Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit ab, und Ihren Antrag lehnen wir natürlich auch ab.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der AfD)
Vielen Dank, Herr Kollege Schneider. – Die Kollegin Daniela Kolbe, SPD-Fraktion, hat ihre Rede zu Protokoll gegeben.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7402128 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Arbeitslosenversicherung |