15.11.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 128 / Tagesordnungspunkt 28

Johannes VogelFDP - Arbeitslosenversicherung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über das Arbeitslosengeld I. Vor einigen Wochen hatte uns die AfD dazu schon einen Antrag vorgelegt, in dem sage und schreibe in einem einzigen Satz eine konkrete Forderung enthalten war. Eigentlich sollten wir heute auch über diesen Antrag debattieren, aber seltsamerweise haben Sie ihn kurzfristig zurückgezogen. Wir sind gespannt, was weiter daraus wird.

(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Da war ein Kommafehler drin! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Der Antrag der Kolleginnen und Kollegen von den Linken ist konkreter, das stimmt. Wenn man ihn liest, hat man den Eindruck – wenn man es in einem Satz zusammenfassen müsste –: Es ist von allem zu wenig im SGB III, es müsste mehr sein. – Wissen Sie, ich frage mich wirklich, wie bei Ihnen in der Fraktion die Debatten ablaufen. Ich stelle mir das so vor: Einer steht auf und sagt: „Wir brauchen von allem mehr“, und dann steht ein anderer auf und sagt: „Wir brauchen von allem viel mehr.“ Ich frage mich nur: Gibt es auch jemanden, der aufsteht und fragt: „Wie soll das eigentlich finanziert werden?“

(Beifall bei der FDP – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Nein, den gibt es nicht!)

Vor allen Dingen frage ich mich, ob jemand aufsteht und fragt: „Moment, hilft das, was wir hier beantragen, eigentlich wirklich den Menschen?

(Beifall bei der FDP)

Was sagt denn die wissenschaftliche Forschung dazu?“

Damit sind wir an einem interessanten Punkt. Dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, sich nicht um die Finanzierung kümmern, das sind wir von Ihnen gewohnt;

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Das sagen die Steuersenker!)

das ist bei vielen Ihrer Forderungen so. Aber die glasklare Forschungsmeinung zu diesem Thema komplett zu ignorieren, das ist schon besonders bemerkenswert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Wie diese Forschungsmeinung lautet, haben wir vor einigen Monaten gehört; da hatte sich nämlich die SPD verirrt

(Bernd Rützel [SPD]: Zum Beispiel?)

und lief – das war Anfang des Jahres – in eine ähnliche Richtung. Wer hat uns da noch gleich gesagt, dass das, was Sie vorschlagen, keine gute Idee ist? Das IAB, das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit, die Bundesagentur für Arbeit selbst, der Sachverständigenrat der Bundesregierung, das IW und auch das DIW. Alle seriösen Arbeitsmarktforscher sind gegen das, was Sie hier vorschlagen; nur Sie sind dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken. Das ist in unseren Augen schlechte Politik.

(Beifall bei der FDP)

Ein generell längerer Bezug von Arbeitslosengeld führt in vielen Fällen zu längerer Arbeitslosigkeit, und das ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Wir brauchen für die Menschen ganz konkrete Perspektiven: Es geht darum, erstens die Arbeitslosigkeit so schnell wie möglich zu beenden oder zweitens den Bezug des Arbeitslosengeldes zu verlängern, sofern eine konkrete Weiterbildung, zum Beispiel Nachholen eines Berufsabschlusses, sinnvoll ist. Das ist absolut richtig. Dies ist schon heute möglich, denn eine Weiterbildung verlängert den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Alles andere sorgt nur dafür, dass die Menschen länger in Perspektivlosigkeit verharren, und das ist keine vernünftige Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich würde gerne die letzten anderthalb Minuten meiner Redezeit darauf verwenden, kurz mit den Kolleginnen und Kollegen von der Koalition zu sprechen.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Du sprichst, wir hören zu!)

Erstens. Wenn wir schon über SGB III und Arbeitslosengeld I reden, sollten wir uns auch darüber unterhalten, was sinnvoll ist. In der Tat sollten wir Phasen der Arbeitslosigkeit als Chance zur Weiterbildung begreifen. Aber wir sollten vor allem endlich eine echte Weiterbildungsoffensive für die Beschäftigten starten. Da, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, warten wir bis heute auf eine nationale Weiterbildungsstrategie, die diesen Namen auch verdient. Da können wir nicht bei der Bundesagentur für Arbeit stehen bleiben, sondern da müssen wir weiterdenken. Wir haben Ihnen konkrete Vorschläge gemacht: Midlife-BAföG und andere Vorschläge. Wann werden Sie in diesem Bereich endlich handeln? Da geht es um echte Aufstiegsperspektiven und Weiterqualifikationen für die Menschen. Da müssen wir endlich vorankommen.

(Beifall bei der FDP)

Zweitens. Schränken Sie bitte nicht die Flexibilität des Arbeitsmarktes weiter ein, wie Sie es laut Koalitionsvertrag vorhaben.

Drittens. Nutzen wir die Chance zur Entlastung der Menschen. Wie ist denn die Situation? Sie haben den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung Anfang des Jahres gesenkt, auch auf unseren Druck hin – richtig. Die Bundesagentur für Arbeit hat eine ausreichende Rücklage, auch für schwere Krisen – gut. Die Bundesagentur für Arbeit sagt uns: Für alles, was im Bereich Qualifikation irgend sinnvoll ist, ist genug Geld da.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen doch mehr Qualifizierung!)

Trotzdem macht die Bundesagentur weiter Überschüsse. Angesichts dessen ist es richtig, die Menschen zu entlasten.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Machen wir doch!)

Das haben Sie jetzt angekündigt. Vor vier Wochen haben wir das beantragt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es fand auch eine Anhörung dazu statt, in der bestätigt wurde, dass das sinnvoll ist. Doch was mussten wir dort hören? Die Union hat gesagt: 2020 sei wirklich kein Jahr für Beitragssenkungen.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Ja, das sollten Sie auch tun.

Der SPD-Vertreter hat gefragt, ob ich in einer anderen Anhörung gewesen wäre. Und was haben Sie letzten Sonntag verabschiedet?

Herr Kollege Vogel!

Eine Beitragssatzsenkung zum 1. Januar 2020. Besser spät als nie, liebe Kolleginnen und Kollegen! Besser

(Das Mikrofon wird abgeschaltet)

in der Sache – –

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege, ich habe Ihnen gerade das Wort entzogen, bedauerlicherweise. – Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7402129
Wahlperiode 19
Sitzung 128
Tagesordnungspunkt Arbeitslosenversicherung
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