Marc JongenAfD - Aufarbeitung des NS-Kunstraubs
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kunstraub durch die Nationalsozialisten mag Außenstehenden vielleicht als marginales Thema erscheinen. Wenn man aber bedenkt, dass es zum größten Teil jüdische Bürger waren, denen die Nazis ihre Kunstwerke raubten oder unter erpresserischen Bedingungen für sehr wenig Geld abnahmen, dann sieht man, dass dieses düstere Kapitel mit dem Kapitalverbrechen des NS-Regimes, der Verfolgung und Vernichtung der Juden in Deutschland und Europa, aufs Engste zusammenhängt. Die Rückgabe dieser Kunstgegenstände an ihre vormaligen Besitzer oder deren Erben hat daher neben der materiellen Seite auch einen hohen Symbolgehalt.
Es ist richtig und findet unsere Unterstützung, dass die Washingtoner Erklärung dazu aufruft, auch nach der rechtlichen Verjährung der Rückgabeansprüche in begründeten Fällen nach einer gerechten und fairen Lösung zu suchen, wie es dort heißt. Das hat in der Vergangenheit nicht immer gut funktioniert. In einigen Fällen wurden Schiedssprüche der Beratenden Kommission nicht akzeptiert und der Rechtsweg beschritten, in der Regel über US-amerikanische Gerichte.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Antrag der GroKo jetzt die Möglichkeit vorsieht, dass die Beratende Kommission auch von nur einer der betroffenen Seiten angerufen werden kann. Hoffentlich kann die Anzahl der Klagen so reduziert werden. Eines darf jedoch nicht passieren, meine Damen und Herren: dass beim Versuch der Wiedergutmachung vergangenen Unrechts neues Unrecht geschieht, dass über den moralischen Ansprüchen das Recht völlig ins Hintertreffen gerät.
Von Uwe Schneede, dem ehemaligen Vorsitzenden des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, hört man zum Beispiel Folgendes – Zitat –:
Ich finde die Washingtoner Erklärung absolut genial, weil sie über alle Legalisten, gesetzlichen Prinzipien hinweg die moralische Verantwortung viel höher ansetzt. Und das ist das Eigentliche.
Nein, meine Damen und Herren, Moral über Recht, das ist der Ungeist der Merkel-Regierung, das endet in einem schädlichen Moralismus, den wir aus der Asylpolitik kennen. Das darf hier nicht geschehen.
(Beifall bei der AfD – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie haben zwei Minuten gebraucht!)
Was dieser Moralismus bewirkt, das hat der Fall des Gemäldes „Berliner Straßenszene“ des Brücke-Künstlers Ernst Ludwig Kirchner auf besonders skandalöse Weise gezeigt. Wild entschlossen, Gutes zu tun, hat der rot-rote Berliner Senat im Jahr 2006 das Bild dem Brücke-Museum entzogen und es den Antragstellern übergeben. Diese hatten – ich zitiere – „nicht bestehende Ansprüche unter Instrumentalisierung des Holocaust und medial eingeforderter fragwürdiger Political Correctness durchzusetzen“ versucht – leider erfolgreich. Das Zitat stammt von dem langjährigen Kulturstaatssekretär Berlins, Ludwig von Pufendorf, der den Fall akribisch aufgearbeitet hat. Wenige Wochen später erschien das Bild übrigens auf dem Kunstmarkt und erzielte dort einen Millionenbetrag.
Genau diesen Missbrauch der Washingtoner Erklärung gilt es zu verhindern. Dazu finden sich in Ihren Anträgen aber keinerlei Ansätze, werte Kollegen. Im Gegenteil: Die Linke schwelgt in üblicher Art in Enteignungsfantasien, die FDP will eine eigene Stiftung gründen zur Aufarbeitung von Verdachtsfällen von NS-Raubkunst, also den Generalverdacht gewissermaßen institutionalisieren.
Wenn wir heute in der „Süddeutschen Zeitung“ lesen, es gebe allein in Nordrhein-Westfalen 770 000 Verdachtsfälle, dann wird klar, um welche Dimension es sich hier handelt. Die Museen brauchen Rechtssicherheit, kein Damoklesschwert des Moralismus, das ihnen permanent sozusagen mit der Leerräumung droht.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird immer widerlicher, Ihre Rede!)
Der Antrag der GroKo will, auf reichlich verklausulierte Art, nun auch private Eigentümer auf die Washingtoner Prinzipien verpflichten. Rechtlich ist das nicht möglich, aber allein die Äußerung eines Verdachts wird dann ausreichen, um einen privaten Eigentümer zu teurer Provenienzforschung zu zwingen, wenn sein Kunstwerk keinen völligen Wertverlust erleiden soll, da es ja auf einen Schlag auf dem Kunstmarkt unveräußerlich geworden ist.
Der spektakuläre Fall Cornelius Gurlitt hat vor einigen Jahren gezeigt, wie ein privater Sammler von der moralischen Dampfwalze des Staates förmlich überfahren werden kann. Frau Grütters hat im Namen der Bundesregierung eine eigene Taskforce eingesetzt. Die gesamte Sammlung Gurlitts wurde beschlagnahmt. Bis an das Kranken- und Sterbebett hat man den Mann bedrängt; nur sein vorzeitiger Tod hat verhindert, dass der Skandal ein gerichtliches Nachspiel hatte. Ich kündige jetzt schon an, dass wir die Bundesregierung damit noch beschäftigen werden und dass wir namentlich Sie, Frau Grütters, nicht aus ihrer persönlichen Verantwortung dafür entlassen werden.
(Beifall bei der AfD)
Bei der Restitution von NS-Raubkunst muss es unserer Ansicht nach eine Verwirkungsfrist von Ansprüchen geben, wenn diese über 20 Jahre in voller Kenntnis des Aufenthaltsortes eines Werkes nicht geltend gemacht worden sind. Das US-Berufungsgericht hat in dem bekannten Fall de Weerth genau so geurteilt und alle Rückgabeansprüche an ein Monet-Werk in öffentlicher Sammlung zurückgewiesen.
Wir sollten gerecht und fair bleiben, ja.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind weder das eine noch das andere!)
Das sind wir auch den Opfern schuldig. Und das soll in jedem Einzelfall möglich sein. Ihren Anträgen, die das eben nicht sind, können wir leider nicht zustimmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD)
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Helge Lindh das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth Motschmann [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7402162 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Aufarbeitung des NS-Kunstraubs |