Hartmut EbbingFDP - Aufarbeitung des NS-Kunstraubs
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor ziemlich genau einem Jahr war es die FDP-Fraktion, die einen weitreichenden Antrag zur Reform der Beratenden Kommission vorgelegt hat. Ich freue mich, dass die Koalition nun endlich nachgezogen hat. Aber ich frage mich auch, warum bei einem solch wichtigen Thema, bei dem aufgrund des hohen Alters der letzten Überlebenden der Shoah wirklich die Zeit davonläuft, die Koalition über ein Jahr gebraucht hat und dann so wenig dabei herausgekommen ist.
(Beifall bei der FDP)
Ich möchte hier in aller Deutlichkeit meine Enttäuschung zum Ausdruck bringen, dass es aufgrund des Mauerns der Koalition nicht möglich war, bei dieser so wichtigen nationalen moralischen Verpflichtung einen fraktionsübergreifenden Antrag zu erarbeiten.
In unserer öffentlichen Anhörung vor dem Kulturausschuss haben Vertreter der Beratenden Kommission sehr deutlich gesagt, dass die Kommission längst an ihre Kapazitätsgrenzen gekommen ist. Die Kommission brauche dringend Geld und eigenes Personal, um sich die wissenschaftliche Unterstützung zu holen, die sie unbedingt benötigt, um faire und gerechte Lösungen für die noch zahlreichen offenen Fälle zu finden. Wie sieht es damit aus, Frau Grütters? Sind die Stellen schon ausgeschrieben und finanziert? Darüber hinaus haben Sie nach langem Ringen endlich ein Helpdesk versprochen. Aber bis heute kann mir niemand richtig sagen, wo dieses angesiedelt sein soll. Am Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg oder bei der neuen und hoffentlich unabhängigen Geschäftsstelle in Berlin?
Auch fordern Sie, Frau Grütters, den wichtigen Prozess der Digitalisierung der Sammlungen bundesgeförderter Kultureinrichtungen weiter voranzubringen und auf die Länder und Kommunen hinzuwirken, das Gleiche zu tun. Sie übernehmen erfreulicherweise die Forderung der FDP nach einer einseitigen Anrufung der Beratenden Kommission durch die Anspruchsteller und wollen dieses Thema zum Gegenstand der Beratungen der halbjährlich stattfindenden Spitzengespräche von Bund, Ländern und Kommunen machen. Bitte legen Sie uns dazu bald einen konkreten Fahrplan vor. Und machen Sie bei den Gesprächen bitte auch die Digitalisierung zum Thema.
(Beifall bei der FDP)
Wie viel Geld planen Sie für die Digitalisierung ein? Wissen Sie schon, wie viel die Einrichtungen für die Digitalisierung überhaupt brauchen? Haben Sie schon eine Bedarfsstudie in Auftrag gegeben? Sie merken, es liegen noch einige Fragen auf dem Tisch – viele Fragen, die 74 Jahre nach Beendigung des Krieges noch nicht einmal im Ansatz geklärt sind.
Die Kommission muss internationaler werden. Wie muss ein moderner Internetauftritt aussehen? Ist es zumutbar, dass ein in den USA ansässiger Geschädigter die Geschäftsstelle nur zwischen 3 und 6 Uhr früh seiner Zeit erreichen kann? Wir müssen endlich aufhören, darüber nachzudenken: „Was braucht Deutschland und seine Museumslandschaft?“, müssen vielmehr fragen: Was braucht der Antragsteller?
Einen Satz zu dem Antrag der Linken. Ja, ein Restitutionsgesetz könnte Rechtssicherheit bringen und verhindern, dass Anspruchsteller in den USA statt in Deutschland klagen. Aber ein Gesetz braucht noch mehr Zeit als eine pragmatische Handlungsalternative. Gesetze sind in Schriftform gegossene Ethik- und Moralvorstellungen. Handeln wir endlich ethisch und moralisch bei der Aufarbeitung von NS-Raubkunst! Sorgen Sie dafür, Frau Grütters, dass sich endlich die Mentalität der handelnden Personen und Institutionen ändert – weg vom Verhindern, hin zum Ermöglichen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Das Wort hat die Kollegin Brigitte Freihold für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7402164 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Aufarbeitung des NS-Kunstraubs |