Rainer SpieringSPD - Digitalisierung in der Landwirtschaft
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor allen Dingen: Liebe Zuschauer auf den Rängen! Herr Felser, ehrlich gesagt, ist mir ein bisschen gruselig geworden. Wenn Sie einem Antrag von uns zustimmen, dann habe ich fast das Gefühl, wir hätten was falsch gemacht – haben wir aber nicht.
(Heiterkeit des Abg. Artur Auernhammer [CDU/CSU])
Die Frage, die wir uns bei der Digitalisierung stellen müssen, ist: Welcher gesellschaftliche Prozess steckt dahinter? Mich erinnert das schon sehr stark an die industrielle Revolution der späten 70er-Jahre im 19. Jahrhundert. Vielleicht erinnern Sie sich an das Drama von Gerhart Hauptmann „Die Weber“, in dem beschrieben wird, wie ein kompletter Strukturwandel die Lebensumstände der Menschen wirklich gravierend verändert hat. Wenn ich mir überlege, welche Rolle damals die Landwirtschaft gespielt hat, dann erinnere ich mich daran, dass sie extrem segensreich war. Das hat auch damit zu tun, dass Chemie viel geholfen hat.
Jetzt sind wir aber 150 Jahre weiter. Die Digitalisierung der Landwirtschaft wird einen ähnlichen Effekt wie damals der Strukturwandel haben. Wir werden Veränderungen in den Prozessen haben. Die Diskussion über Glyphosat zum Beispiel, die wir führen, wird in fünf Jahren überhaupt nicht mehr notwendig sein. Wir werden dann zu vielem in der Lage sein – das ist hier von mehreren angesprochen worden –; denn die Zukunft der Landwirtschaft wird nicht 2030 kommen, sondern 2025 schon längst da sein. Wenn man sich die Zukunftswerkstatt der großen Firmen angeschaut hat, dann wird man wissen: Da sind E-betriebene Hybridfahrzeuge. Da sind Drohnen in Weinbergen unterwegs. – Viele dieser Techniken brauchen den Zugang zum Internet. Darum geht es.
Jetzt hat der Kollege Felser eine Frage gestellt. Ich sage mal: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Da muss man aber viel lesen. Wenn Sie sich mit dem Digitalisierungspaket der SPD auseinandergesetzt hätten, dann würden Sie wissen, dass wir uns mit genau dieser Frage beschäftigt haben. Es geht um die grundsätzliche Frage: Wem gehören die Daten? Wenn man verhindern will, dass mit den Daten Schindluder getrieben wird, dann muss man einen neutralen Anbieter haben. Wir stellen uns das so vor, dass der Staat Georohdaten zur Verfügung stellt.
Sie kennen die Katasteramtsdaten, die im Moment nur von einem Bundesland frei zur Verfügung gestellt werden: Das ist Rheinland-Pfalz.
(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Und Bayern!)
– Entschuldigung, bitte. – Wir brauchen Daten zur Bodenphysik und Bodenbiologie. Wir müssen wissen: Wie schnell läuft Wasser durch die entsprechenden Bodenschichten? Dann kommen wir der Frage von Nitrat im Wasser auch viel näher. Das heißt, wir werden uns der misslichen Frage von Messstellenkontrollen in drei oder vier Jahren gar nicht mehr stellen müssen, weil wir dann wissen, wer was einträgt.
Ich sage auch mit großem Selbstbewusstsein: Das Bundesland Niedersachsen hat ENNI auf den Weg gebracht. ENNI dokumentiert vom Erzeuger bis zur Fläche der Aufbringung: Wo ist was geblieben? Dann brauchen Sie keine großen Messstellen mehr, weil Sie wissen: Wer hat es gemacht? Wie hat er es gemacht? Warum hat er es gemacht? Die Frage nach dem Warum erledigt sich wahrscheinlich. Darüber kann man sich so seine Gedanken machen.
Die Hauptaufgabe neben der Zurverfügungstellung von Rohdaten ist auch das Servicesicherheitspaket. Damit muss sichergestellt werden – daran arbeiten wir; ich werde auch gleich belegen, dass diese Koalition die Arbeit sehr ernst genommen hat –, dass der Datennehmer, also der Landwirt, anonym bleibt. Aber mit den Daten, die ihm zur Verfügung gestellt werden, kann er frei entscheiden: Wen lässt er mit diesen Daten spielen?
Stellen Sie sich das mal ein bisschen wie eine Sonne mit Planeten darum vor. Die Sonne liefert die Energie, und die Planeten nutzen sie, um damit zu arbeiten – so wie wir das übrigens auch tun. Jetzt nehmen wir hier Daten und transferieren sie.
Also, mein Bild der bäuerlichen Zukunft ist da sehr klar: Ich bekomme die Rohdaten zur Verfügung gestellt und entscheide: Mit welchem Maschinenring arbeite ich? Mit welchem Saatguthersteller arbeite ich? Mit welchen Herstellern von Pflanzenschutzmitteln arbeite ich? Mit welchem Steuerberater arbeite ich?
Die Frage, die wir heute diskutieren – ich finde übrigens, sie ist verjährt –, zur Bewältigung von Bürokratie erledigt sich über Algorithmen. Das heißt, wir müssen uns all dem, was wir haben, bemächtigen und es zur Verfügung stellen. Dann werden sich ganz, ganz viele Arbeitsschritte in der bäuerlichen Landwirtschaft durch digitales Tun erledigt haben. Dazu brauche ich nicht 2030.
Verehrte Kollegin Connemann, Sie haben die Bundesregierung als Verursacher des digitalen Paktes ausgerufen. Da wünsche ich mir mehr Selbstbewusstsein fürs Parlament. Wir waren das. Wir als Koalitionär haben in den Koalitionsverhandlungen das Geld hineingeschrieben, das die Bundesregierung heute ausgibt. Bevor die Bundesregierung darüber nachgedacht hat, haben wir als Koalitionäre das eingestellt. Also wünsche ich uns schon den Mut, zu sagen: Wir waren es selber! Wir selber waren kreativ genug, um das auf den Weg zu bringen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nun ist die Exekutive am Zuge.
Jetzt wird uns vorgeworfen: Ihr habt die Zeichen der Zeit nicht erkannt. – Völlig falsch! Schauen Sie mal in die Haushaltstitel. Dann werden Sie nämlich die Experimentierfelder finden. Bei den Experimentierfeldern gibt es eine spannende Sache. In den Haushalten vieler Ministerien finden Sie immer wieder den Hinweis auf Rückfluss in den Bundeshaushalt. Interessanterweise ist das an der Stelle mit der Digitalisierung nicht so: 15,5 Millionen Euro, für 2019 eingestellt an einer Stelle, an der vorher nichts war, und 15,5 Millionen Euro ausgegeben – verausgabt für die Experimentierfelder.
Was wird auf den Experimentierfeldern gemacht? Das, von dem Sie bestreiten, dass es überhaupt stattfindet, nämlich das Ausprobieren der Verknüpfung von Maschinen und Technik mit Bodendaten, mit künstlicher Intelligenz. Jetzt wird im Pflanzenschutzbereich, im Bodenschutzbereich, bei der Anwendung in Tierställen ausprobiert: Wie funktioniert die Kommunikation? Dafür brauchen wir ein bisschen Zeit und Geld.
Jetzt kommen wir zu der IT-Plattform. Wir sind im Moment dabei, dafür im nächsten Jahr 22,5 Millionen Euro auszugeben. Wir werden sie verausgaben, genau wie dieses Jahr die 15,5 Millionen Euro. Hier sollten Sie die Kraft dieser Koalition nicht unterschätzen. Wir reden erst mal vom Anfang des Geldausgebens. Wenn wir über die IT-Plattform reden, dann reden wir davon, an das große Geld zu gehen. Das brauchen wir auch. Ich möchte nicht – das möchte auch die SPD nicht –, dass der Souverän seine Souveränität verliert. Das bedeutet: Die Daten gehören in Staatshand und vor allen Dingen in das Eigentumsrecht der Landwirte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wer jetzt den Begriff „Staat“ bemängeln will, dem sage ich: Wir wollen nicht kontrollieren. Das geht über genau dasselbe Plausibilitätsprinzip wie bei der Steuer. Ich halte das für ausgesprochen vernünftig: Nur wer im Rahmen einer Steuererklärung auffällt, bekommt Ärger. Das können wir in der Landwirtschaft genauso gut, wahrscheinlich sogar viel besser machen. Dann wird sich die gesamte Frage der Stoffstrombilanzen, der Nährstoffbilanzen, der Düngeverordnung, der Nitratbelastung und zum Beispiel auch der GAP-Erklärung sehr schnell erledigen.
Ich habe letztens einen der erfolgreichsten deutschen Landwirte gesprochen.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wer ist das?)
Er sagt, dank der Digitalisierung brauche er für die GAP-Erklärung trotz seines riesengroßen Hofes nur zwei Stunden. – Genau das werden wir, Kolleginnen und Kollegen, jedem Kleinst- und Kleinbauern zur Verfügung stellen und ihn damit auf Augenhöhe mit den Großen bringen.
Danke.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Carina Konrad das Wort.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7402173 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Digitalisierung in der Landwirtschaft |