Olaf Scholz - Finanzen, Bundesrechnungshof
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal bei allen bedanken, die in den letzten Wochen und Monaten die Diskussionen über den Haushalt vorangetrieben haben. Insbesondere die Zusammenarbeit im Haushaltsausschuss war für mein Ministerium wie immer sehr erfreulich. Deshalb an dieser Stelle noch mal einen herzlichen Dank.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Keiner klatscht! Was ist los?)
Wenn wir über die Haushaltspolitik diskutieren, dann ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass wir mit etwas aufhören, was wir heute Morgen schon wieder erlebt haben: Alle reden in ihren Reden aneinander vorbei, niemand bezieht sich aufeinander, und alle erzählen Geschichten, die gleichzeitig nicht richtig sein können.
(Zuruf von der LINKEN: Keine Sorge! Das ändert sich!)
Das ist aus meiner Sicht schon ein Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, wenn wir über die Zukunft und die Aufgaben reden, die wir miteinander bewältigen wollen.
(Beifall bei der SPD)
Der Haushalt, der hier vorliegt, ist ein sehr expansiver Haushalt. 362 Milliarden Euro ist eine Menge Geld, das wir ausgeben. Es ist eine substanzielle Steigerung gegenüber dem vorherigen Haushalt. Es ist eine substanzielle Steigerung der Investitionen. Es ist eine substanzielle Reduzierung der steuerlichen Last der Bürgerinnen und Bürger. Es ist eine Verbesserung der sozialen Ausstattung. Es sind mehr Investitionen in das Klima. – Das bestreitet niemand, auch wenn alle Reden sehr unterschiedlich klangen. Ich finde, das ist eine gute Leistung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber dann wird alles durcheinandergebracht. Da wird einerseits gesagt, man müsse viel mehr machen. Dann wird andererseits – jedenfalls von einem Teil derjenigen, die hier geredet haben – gesagt, man könne ja gar nicht; denn in Wahrheit, wenn man genau hinschaue, hätten wir hier gar nicht so viele Spielräume. Andere wiederum vertreten das auch, sagen aber gleichzeitig, wir müssten mehr Schulden machen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn der Olaf Scholz?)
Ich glaube, alle diese Ansichten passen nicht zusammen.
Tatsächlich ist es so, dass wir in den letzten Jahren zum Beispiel die Spielräume genutzt haben, die sich aus der reduzierten Zinsbelastung im deutschen Haushalt ergeben haben. Das sind sehr viele Milliarden zusätzlich. Wir haben einmal 40,2 Milliarden Euro Zinsen gezahlt; es geht jetzt runter in Richtung – da sind wir noch nicht – 10 Milliarden Euro. Da sieht man, was für eine Veränderung stattgefunden hat. Wir haben sie dafür genutzt, um keine neuen Schulden mehr zu machen – ja, klar, das war auch richtig so –, aber wir haben sie auch genutzt für Investitionen und für Expansion dort, wo das fiskalpolitisch notwendig ist.
(Beifall bei der SPD)
Es wird beklagt, dass wir unsere Rücklagen nutzen. Nein, das ist falsch. Ja, wir nutzen die Rücklagen, die wir haben.
(Otto Fricke [FDP]: Dann geben Sie es ja zu!)
Wir nutzen sie für eine expansive Haushaltspolitik. Aber es können nicht die eine Rede und die andere Rede gleichzeitig richtig sein.
(Otto Fricke [FDP]: Dann geben Sie es ja zu: Sie gehen an die Rücklagen!)
Das, was wir machen, ist genau das Richtige in der jetzigen wirtschaftlichen Situation unseres Landes.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Otto Fricke [FDP]: Also gehen Sie doch an die Rücklagen!)
Es ist eine zukunftsfähige Tätigkeit, die wir hier verrichten.
Und dann wird übersehen, wie groß die Entlastungen sind, die wir in dieser Legislaturperiode für die Bürgerinnen und Bürger auf den Weg gebracht haben. Wenn man all das zusammenrechnet, was steuerlich von uns unternommen worden ist – dazu zählt auch die Entscheidung, den Soli für 90 Prozent derjenigen, die ihn bisher zahlen, abzuschaffen –,
(Otto Fricke [FDP]: Es sei denn, man ist Sparer!)
dann ergibt das in voller Wirksamkeit eine Entlastung in Höhe von 25 Milliarden Euro pro Jahr. Das genau ist das Zeichen, auf das viele Bürgerinnen und Bürger gewartet haben. Wir haben es gesetzt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Otto Fricke [FDP]: Aber das kommt doch gar nicht im nächsten Jahr! Das kommt doch gar nicht! Ist doch gar nicht im Haushalt drin!)
Ich sage ausdrücklich, dass das auch etwas damit zu tun hat, dass wir natürlich dafür sorgen, dass es sich um einen sozial ausgewogenen Haushalt handelt. Manchmal liest man ja bzw. wird sich darüber beklagt, dass in den Dingen, die wir hier machen, zu viel Soziales enthalten sei. Ich empfinde das – –
Herr Bundesfinanzminister, der Kollege Fricke würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
Ja.
Herr Minister, weil Sie es wieder gesagt haben: Sie sagen über den Haushalt 2020, Sie würden darin den Soli für 90 Prozent der Steuerzahler senken. Erstens stimmt das nicht in Bezug auf die Sparer. Zweitens. Könnten Sie mir und auch anderen bitte bestätigen, dass das nicht stimmt, sondern dass der Soli im Haushalt 2020 in keiner Weise gesenkt wird?
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der SPD: Hat er aber doch gar nicht gesagt!)
Es stimmt gar nicht, was Sie sagen, was ich gesagt hätte. Das ist das Problem an dieser Frage.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: War das alles? – Abg. Otto Fricke [FDP] nimmt wieder Platz – Zurufe von der SPD: Stehen bleiben!)
Ich habe von dieser Legislaturperiode gesprochen, und in der, habe ich gesagt, wird es in voller Wirksamkeit so sein, dass die Entlastung Stück für Stück auf 25 Milliarden Euro pro Jahr anwächst, zum Beispiel durch die steuerlichen Entlastungen für Familien, durch den Ausgleich der kalten Progression, durch all diese Maßnahmen und natürlich auch durch die weitgehende Abschaffung des Solis. Das sind dann, wie ich gesagt habe, in voller Wirksamkeit 25 Milliarden Euro. Ich wiederhole die Zahl ausdrücklich, weil sie so schön ist und auch von der FDP irgendwann wiederholt werden sollte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist nämlich manchmal eben alles ganz anders. Dazu zählt auch, dass wir natürlich einen sehr hohen Investitionsetat haben und dass wir natürlich alles Mögliche dafür tun, dass wir den menschengemachten Klimawandel aufhalten können. Das bedeutet, dass wir jetzt Weichen stellen, indem wir Gesetze erlassen, Steuergesetze ändern und Investitionen tätigen. Alles das ist unterwegs. Es sind bereits zehn gesetzliche Maßnahmen in den Deutschen Bundestag eingebracht worden, die dazu beitragen sollen, dass wir diese Kehrtwende unserer Finanz- und Wirtschaftspolitik zustande bringen, dass Deutschland das Land sein wird, das sicherstellt, dass wir 2050 CO
(Beifall bei der SPD)
So groß ist das Projekt nämlich. Es geht um die Weichenstellungen für die nächsten Jahrzehnte. Das ist das, was wir jetzt tun. Und wenn die 20er-Jahre in wenigen Wochen beginnen, dann kommt es auf das an, was wir jetzt auf den Weg gebracht haben. Es sind die richtigen Entscheidungen. Von manchen wird wiederholt kritisiert, dass wir sie getroffen haben. Ja, wir haben eine Weichenstellung vorgenommen und gesagt: Es wird wesentlich mehr in die Bahn investiert; es werden in den nächsten zehn Jahren 89 Milliarden Euro sein. Wir werden die Mittel erhöhen, damit überall in Deutschland neue Bahnlinien wiedereröffnet werden können, und das wird Jahr für Jahr geschehen. Und wir werden dafür Sorge tragen, dass auch neue S- und U-Bahnlinien geplant werden können – mit massiven Erhöhungen jetzt und mit angekündigten Erhöhungen bis 2025.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das sind notwendige Entscheidungen. Und wir wissen ganz genau, dass wir diese große technologische Kehrtwende nicht zustande bekommen, wenn nicht die Energiewirtschaft investiert, zum Beispiel in erneuerbare Energien, in den Ausbau von Offshore- und Onshorewindkraftanlagen, in den Ausbau der Solarenergie. Wenn es uns nicht gelingt, dass da so viel investiert wird, dass wir 65 Prozent erneuerbare Energien 2030 haben, dann wird diese Kehrtwende nicht zustande kommen. Aber wir müssen unseren Beitrag leisten, indem wir jetzt die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, dass dieser Ausbau tatsächlich stattfindet. Und das wird die Regierung tun; wir werden dafür Sorge tragen.
(Beifall bei der SPD)
Gleichzeitig begleiten wir zum Beispiel im Bereich Mobilität die Investitionen der Automobilindustrie, indem wir dafür Sorge tragen, dass es 1 Million Ladepunkte in Deutschland geben wird – eine Zielsetzung, die die Politik so ehrgeizig formuliert hat; alle haben weniger von uns gefordert. Es ist ein Zeichen dafür, dass wir begriffen haben, dass Ehrgeiz jetzt notwendig ist, und dass wir bereit sind, das Notwendige zu tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, zu den Dingen, die notwendig sind, gehört immer auch, dass wir dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die in unserem Land aufwachsen, dafür die besten Bedingungen vorfinden. Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass wir jetzt vieles tun, was dazu gehört. Dazu gehört der Kitaausbau, dazu gehört die Reduzierung von Gebühren, dazu gehört zum Beispiel auch, dass wir die Schulen besser ausstatten. Das alles haben wir unter anderem mit einer Verfassungsänderung möglich gemacht, die dieses Haus beschlossen hat.
All das ist aber nur ein wichtiger Teil einer großen Anstrengung in einem föderalen Gefüge. Denn die deutsche Politik in unserem Land besteht Gott sei Dank nicht nur aus der Bundesregierung und dem Bundestag. Sie besteht auch aus 16 Ländern und den vielen Kommunen in Deutschland. Das ist die nächste Aufgabe, die wir vor uns haben: die Investitionen der Kommunen wieder zu stärken.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn?)
Ich bin dafür, dass wir diejenigen, die zu viele Schulden haben, entlasten und sie in die Lage versetzen, auch zukünftig zu investieren.
(Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Das ist ein Haushalt, der die Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft genau thematisiert. Er gehört in eine Reihe von Haushalten, die wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben. Und er ist der Anfang von Haushalten, mit denen wir es im nächsten Jahrzehnt schaffen, dass Deutschland ein soziales Land wird, dass es den technologischen Wandel beherrschen wird und dass es den menschengemachten Klimawandel mit unseren Möglichkeiten in Deutschland aufhält. Das ist genau das, was richtigerweise zu tun ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Albrecht Glaser, AfD.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7403428 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 129 |
Tagesordnungspunkt | Finanzen, Bundesrechnungshof |