Gero Clemens HockerFDP - Ernährung und Landwirtschaft
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen und Monaten ist in Deutschland viel demonstriert worden. Freitags demonstrieren regelmäßig die Fridays-for-Future-Demonstranten für Maßnahmen gegen den Klimawandel. Vor wenigen Wochen haben in Hamburg Studenten dagegen demonstriert, dass dort ein Professor eine Vorlesung hält. Auch die Landwirte demonstrieren mittlerweile regelmäßig: vor fünf Wochen in Berlin und in der ganzen Republik, dann in Hamburg und heute wiederum hier in Berlin. Aber die letzte Gruppe, die Landwirte, muss man von den beiden anderen abgrenzen; denn ihnen winkt nicht ein schulfreier Freitag, und ihnen winkt auch nicht ein vorlesungsfreier Nachmittag.
(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Vielmehr geht es diesen Menschen da draußen um ihre Existenz. Sie haben viel Zeit und Geld investiert, die Organisation vornehmen zu können. Sie kümmern sich darum, dass heute, gestern und morgen jemand anders die Aufgaben in ihrem Betrieb, auf ihrem Hof übernimmt. Das alles sind mittelständische Unternehmer, die auf Einkommen verzichten.
(Beifall bei der FDP)
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Frau Ministerin, wären Sie gut beraten, den Menschen nicht nur Gehör zu schenken, sondern tatsächlich Ihre Landwirtschaftspolitik grundsätzlich zu überdenken.
(Beifall bei der FDP)
Ich sage das, Frau Ministerin, ganz ausdrücklich in Ihre Richtung. Ich lobe Sie bei Veranstaltungen vor Ort, das letzte Mal zum Beispiel am vergangenen Samstag in Rheinland-Pfalz auf dem Hambacher Schloss, dafür, dass Sie erklärt haben, den Dialog wieder aufnehmen zu wollen, dass Sie mit den Menschen reden wollen. Ich feiere Sie dafür wirklich bei jeder Gelegenheit, weil es wichtig ist, das zu tun. Denn in den vergangenen zwei Jahren ist allzu häufig der Eindruck entstanden, dass die Papiere, dass die Gesetzentwürfe, die aus Ihrem Haus vorgelegt wurden, häufig genug im Umweltministerium entstanden sind oder sogar direkt aus der Feder von NGOs stammen. Deswegen ist es gut und richtig, dass der Dialog endlich wieder aufgenommen wird.
(Beifall bei der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welcher Dialog denn?)
Ich sage Ihnen aber ausdrücklich: Man hat bei den parlamentarischen Initiativen, die seitdem – seit den letzten Demonstrationen vor fünf Wochen – aus Ihrem Haus vorgelegt wurden und die Landwirte betreffen, allzu häufig den Eindruck, dass Sie nicht verstanden haben, um was es den Menschen da draußen tatsächlich geht. Die erste Initiative nach den größten Demonstrationen, die seit 1949 in Deutschland von Landwirten initiiert wurden, war das sogenannte Direktzahlungen-Durchführungsgesetz. Das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz bedeutet nichts anderes, als dass Landwirte real einen Einkommensverlust hinnehmen müssen;
(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: 4,50 Euro pro Hektar!)
denn um das gleiche Einkommen zu erhalten, müssen sie mehr Auflagen und höhere Standards erfüllen sowie mehr arbeiten. Ich halte das fachlich für falsch, und politisch verstehe ich es überhaupt nicht, wie man so wenig Fingerspitzengefühl haben kann, dass der erste Gesetzentwurf nach diesen Demonstrationen einer ist, der den Landwirten ans Portemonnaie geht. Das ist nicht nachvollziehbar.
(Beifall bei der FDP)
In der vorvergangenen Woche wurde das Klimapaket der Bundesregierung diskutiert, und hier wird mit keinem Wort gewürdigt, dass die Landwirtschaft der einzige Wirtschaftsbereich ist, den wir kennen, der zwar CO
(Beifall bei der FDP)
Sie müssen, Frau Ministerin, nicht nur Ihre Kommunikationsstrategie ändern, sondern Sie müssen endlich auch dazu übergehen, Ihre politischen Entscheidungen auf wissenschaftlichen Fakten basieren zu lassen. Sie müssen endlich dazu übergehen, in Zukunft auch chemischen Pflanzenschutz zu gewährleisten und sich hier auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu berufen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich denke, Sie wollen Humusbildung betreiben!)
Sie müssen dazu übergehen, die unsinnigen Teile der Novellierung der Nitratgesetzgebung, der Düngeverordnung, zu korrigieren und endlich auch zu prüfen, welche zusätzlichen anderen Verursacher als die Landwirtschaft es überhaupt geben könnte. Frau Ministerin, Sie müssen dafür kämpfen, dass wir endlich einheitliche Standards innerhalb Europas bekommen, um wirklich Wettbewerb auf Augenhöhe innerhalb Europas hinzubekommen. Hierzu wird von Ihnen aber leider überhaupt keine Initiative entwickelt.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, die letzten großen Demonstrationen vor fünf Wochen hat meine Fraktion zum Anlass genommen, einen Antrag in dieses Hohe Haus einzubringen, in dem wir gefordert haben, dass die Landwirtschaftspolitik nach wissenschaftlichen Erkenntnissen betrieben werden muss und dass wir innerhalb Europas einheitliche Wettbewerbsbedingungen bekommen.
(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Reiner Showantrag!)
Ich sage Ihnen ganz ausdrücklich: Dieser Antrag ist damals von den Mehrheitsfraktionen einstimmig abgelehnt worden.
(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Zu Recht!)
Wir sind Ihnen deswegen nicht böse. Das ist ein ganz normaler parlamentarischer Vorgang. Wir lehnen Dinge von Ihnen ab, und deswegen ist es auch Ihr gutes Recht und parlamentarischer Brauch, dass Sie Dinge von uns ablehnen. Das ist überhaupt kein Problem.
Was aber nicht geht, ist, dass uns als Oppositionsfraktion daraufhin Populismus vorgeworfen wird.
(Lachen bei der CDU/CSU – Alois Gerig [CDU/CSU]: Was denn sonst?)
Ich sage es Ihnen ganz ausdrücklich: Populismus ist, politische Entscheidungen alleine danach auszurichten, was gegenwärtig opportun ist, Frau Ministerin, populistisch ist es, die politischen Entscheidungen danach zu orientieren, was gerade Mehrheitsmeinung in der Gesellschaft da draußen ist, und vor allem ist es Populismus, ländliche Räume aufzugeben, weil man glaubt, dass man in urbanen Milieus mehr Stimmen gewinnen kann. All das ist Populismus! Die Interessen einer immer kleiner werdenden Berufsgruppe zu vertreten, ist aber genau das Gegenteil von Populismus.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Dr. Gero Hocker. – Nächster Redner: für Bündnis 90/Die Grünen Markus Tressel.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7403454 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 129 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |