26.11.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 129 / Tagesordnungspunkt I.8

Johann SaathoffSPD - Wirtschaft und Energie

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Wirtschaftspolitik spielt die Energiepolitik derzeit eine große, ja, ich würde sagen, eine dominierende Rolle. Mit dem Kohleausstiegsgesetz und mit dem Strukturstärkungsgesetz haben wir gerade zwei zentrale Gesetze vor der Brust, über die wir, wenn die interministerielle Abstimmung erfolgt ist, im Parlament sicher auch miteinander streiten werden, was die Zukunft der Wirtschafts- und Energiepolitik angeht. Ich habe die Energiepolitik immer als Kombination aus Klima- und Industriepolitik gesehen. Der erste Antrieb innerhalb der Koalition mag ja vielleicht unterschiedlich sein, aber unser gemeinsames Verständnis in der Koalition müsste sein: Klimapolitik ist Industriepolitik.

(Beifall bei der SPD)

Die Situation bei der Windindustrie ist insbesondere im Moment sehr dramatisch. 3 000 Menschen bei Enercon in Aurich und in Magdeburg bangen nicht um ihren Arbeitsplatz, sie verlieren ihn sicher.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Daran sind wir aber nicht schuld!)

Viele Familien wissen nicht, wie es weitergehen soll. Industriepolitisch sehen wir gerade dabei zu, wie die Produktionskapazitäten für Windenergie das Land verlassen. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD)

Es ist schon eine besondere Lage, wenn die Verbände von DGB bis BDI gemeinsam auf die notwendigen Maßnahmen in der Energiepolitik für den Ausbau der erneuerbaren Energien drängen. Die Wirtschaft hat zu Recht, Herr Minister, immer verlässliche Rahmenbedingungen eingefordert. Der vorliegende Entwurf des Gesetzes, das die Rahmenbedingungen regeln soll, damit wir das Ziel der 65 Prozent in 2030 erreichen, mit anderen Worten: die darin enthaltene 1000-Meter-Regelung zu fünf Häusern, ist leider genau das Gegenteil von verlässlichen Rahmenbedingungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn das so käme – davor steht zum Glück das Parlament –, dann hätten wir bis Mitte der 20er-Jahre keine Windindustrie mehr in Deutschland und der für 2030 erforderliche Zubau müsste importiert werden, wenn das Ziel nicht sogar aufgegeben werden müsste. Das ist nicht das sozialdemokratische Verständnis von einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der SPD – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Man hätte aber auch auf Export setzen können oder auf Offshore!)

Wir wollen in die Zukunft investieren und die Chancen nutzen: in der Energiewende mit ihren vielen Perspektiven, in der Wasserstoffindustrie, die in Zukunft eine führende Rolle spielen wird, und in der Digitalisierung. Aber: Nix, wat sük to hebben lohnt, fallt di in’t Schkoot. Was brauchen wir, damit das auch gelingen kann? Wir brauchen Forschung und Entwicklung: bei Speichertechnik, bei Übertragungstechnik, aber auch bei Grundlagenforschung im Zusammenhang mit Energie. Wir brauchen Bildung und Qualifizierung, um die Menschen fit zu machen und mitzunehmen bei den Veränderungen, die auf sie zukommen. Wir brauchen ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz; der Name erklärt sich ja von selbst. Und wir brauchen gelebte Sozialpartnerschaft. Das, muss man zugeben, ist bei den erneuerbaren Energien bisher eher ein Problem gewesen als eine Chance. Wir brauchen aber Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung und feste, gute Tariflöhne.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und wir müssen die Schlüsselindustrien stärken in Deutschland, wir müssen sie schützen – auch um Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen und zu sichern.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Dazu gehört zum Beispiel die Luft- und Raumfahrtindustrie. Wir haben uns in der letzten Woche darüber unterhalten – und das auch beschlossen –, dass die europäische Präferenz kommen soll. Besten Dank an Thomas Jurk für die ganz tolle Unterstützung in dieser Sache.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Schlüsseltechnologien gehört auch noch der Schiffbau, Überwasserschiffbau und Unterwasserschiffbau.

Auf die aktuelle Gesetzgebung bezogen und bei Betrachtung der besorgniserregenden Entwicklung in der Windindustrie ist nachhaltige Industriepolitik jetzt, in dieser Stunde, gefragt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt müssen wir die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Windindustrie zu halten – wir würden sie sonst in ein paar Jahren bitter vermissen. Wir müssen das Planungsrecht vereinfachen, und zwar sofort. Wir müssen das Repowering beschleunigen. Wir müssen kleine Windparks auch ohne Ausschreibung zulassen können; die EU lässt das zu. Und wir müssen das Problem der Flugbefeuerung endlich lösen. Es versteht kein Mensch, dass wir das nicht endlich umgesetzt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Martin Neumann [FDP]: Und wir brauchen Akzeptanz!)

Ich habe am Anfang meiner Rede über Schlüsseltechnologien gesprochen. Ja, auch die erneuerbaren Energien sind Schlüsseltechnologien, die wir im Land halten müssen, genauso wie Schiffbau, genauso wie Luft- und Raumfahrt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, Klimapolitik ist Industriepolitik.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Heidrun Bluhm-Förster für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7403745
Wahlperiode 19
Sitzung 129
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Energie
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