Dennis RohdeSPD - Verteidigung
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist das sechste Mal, dass wir in dieser Legislaturperiode über den Einzelplan 14 hier im Plenum diskutieren. Das eine oder andere, was hier an Argumenten ausgetauscht wird, ist und war ja vorhersehbar. Die einen sprechen davon, dass wir die Bundeswehr vernünftig ausrüsten. Die anderen verkehren das und sprechen darüber, wir würden aufrüsten. Dann gibt es die anderen, die sagen, wir müssten mehr Geld ausgeben, wir müssten Quoten erfüllen, und wieder andere sagen: Eigentlich muss das Geld in ganz anderen Bereichen verausgabt werden.
Ich finde aber, es muss uns in dieser Debatte im Kern immer um etwas anderes gehen: Es geht zentral um unsere Verantwortung als Parlament gegenüber unserer Parlamentsarmee. Wir entscheiden über die Einsätze der Soldatinnen und Soldaten, und wir haben als Umkehrschluss sicherzustellen, dass sie die von uns übertragenen Aufgaben auch in Gänze wahrnehmen können. Das ist unsere Verantwortung, das kommt für uns auch in diesem Einzelplan zum Ausdruck.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wenn ich über die Verantwortung eines Parlaments gegenüber seiner Parlamentsarmee spreche, dann, finde ich, gehört auch noch etwas anderes dazu, nämlich dass wir es gemeinsam als Parlament nicht zulassen, dass Debatten über Einsätze der Bundeswehr innenpolitisch motiviert, initiiert oder geführt werden. Dieser Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten muss auch von diesem Parlament ausgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und der FDP)
Einsätze der Bundeswehr müssen immer außen- und sicherheitspolitisch begründet werden, sie müssen immer die Werte und die Festschreibung unseres Grundgesetzes berücksichtigen, und sie dürfen niemals zur Selbstverständlichkeit verkommen.
Wir als Sozialdemokraten haben bereits in der letzten Debatte hier deutlich gemacht, dass für uns die sicherheits- und einsatzrelevante Infrastruktur der Bundeswehr in staatliche Hand gehört. Ich finde, man muss umso mehr zu dem Ergebnis kommen, wenn man sich die veränderte globale Lage ansieht. Man muss umso mehr zu dem Ergebnis kommen, wenn man sich das Weißbuch der Bundesregierung ansieht. Man muss umso mehr auch zu diesem Ergebnis kommen, wenn man sich die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses ansieht. Deshalb begrüßen wir als Sozialdemokraten ganz ausdrücklich die gemeinsame Entscheidung in der Koalition, die gemeinsame Entscheidung mit CDU/CSU und mit dem Verteidigungsministerium, die Heeresinstandsetzungswerke nicht zu verkaufen. Das ist die richtige Entscheidung. Sie ist konsequent, und, ich glaube, sie ist auch nachhaltig.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dieser grundsätzliche Gedanke – dass die sicherheitsrelevante Infrastruktur in staatliche Hand gehört – gilt perspektivisch auch beim Gefechtsübungszentrum. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat beschlossen, den Auftrag letztmalig extern zu vergeben, und das Verteidigungsministerium aufgefordert, die Voraussetzungen zu schaffen, es zukünftig im Eigenbetrieb zu machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Staat vor privat statt privat vor Staat.
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das stimmt nicht immer! Das kann stimmen! Das muss nicht stimmen! Hauptsache, es funktioniert!)
Das muss das Credo einer verantwortungsbewussten Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert sein.
Liebe Kollegen, es gibt sicherlich Bereiche, wo dieser Grundsatz aufgrund externer Einflüsse nicht allzu leicht darstellbar ist. Dazu gehört sicherlich der hartumkämpfte Arbeitsmarkt im IT-Bereich.
Ich möchte für die Sozialdemokraten hier noch einmal deutlich machen: Uns ist bewusst, die Digitalisierung macht auch vor der Bundeswehr nicht halt. Cybersicherheit wird zunehmend wichtiger; das erleben wir tagtäglich, auch in unseren Debatten, zum Beispiel heute Morgen, als es um das 5G-Netz ging. Deshalb gibt es gute Gründe, eine Cyberagentur einzurichten, eine Agentur, die Schlüsseltechnologien in der Cybersicherheit für die Bundesrepublik nutzbar machen wird.
In den letzten Wochen wurde oft kritisiert, dass die SPD die Gründung dieser Cyberagentur im Raum Halle-Leipzig ausgebremst hat. Ich möchte daher etwas intensiver auf diesen Punkt eingehen; denn ich finde, am Beispiel dieser Agentur kann man etwas Grundsätzliches deutlich machen. Es geht dabei auch um das Selbstverständnis dieses Parlaments. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Dass wir uns Zeit genommen haben, war notwendig und richtig. Eine Frage kommt doch auch immer wieder auf uns als Parlamentarier zu, nämlich: Was habt ihr eigentlich aus dem Untersuchungsausschuss gelernt, und was verändert ihr eigentlich in eurer Politik?
(Henning Otte [CDU/CSU]: Das kommt ja erst noch!)
Zur Wahrheit gehört: Im Bundesministerium der Verteidigung wurden Strukturen verändert, es wurden Arbeitsabläufe verändert. Frau Ministerin, auch wenn wir das Ausmaß der Auswirkungen noch nicht kennen, begrüßen wir das sehr. Aber zur Wahrheit gehört eben auch: Der Bundestag hat ja nicht nur ein Auskunftsrecht gegenüber der Regierung. Wir als Deutscher Bundestag haben zuvorderst einen verfassungsrechtlichen Auftrag, nämlich die Kontrolle der Regierung, die Kontrolle der Ministerien und auch die Kontrolle der ihnen nachgeordneten Bereiche, wie zum Beispiel der GmbHs.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir als Deutscher Bundestag müssen uns eine Frage stellen: Konnten wir diesem Auftrag in der Vergangenheit eigentlich gerecht werden? Ich finde, man kann nur zu einer Antwort kommen: Wir sind diesem Auftrag nicht gerecht geworden. Ich will ein Beispiel nennen. Wenn es in verschiedenen GmbHs im Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums erhebliche Verwerfungen zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung gibt, wenn es Streit um wesentliche Zielrichtungen der Firmen und damit auch Streit um einen Teil der Ausrichtung der Regierung gibt und der Deutsche Bundestag das Ganze erst mitbekommt, wenn am Ende die Scherben zusammengefegt werden, dann funktioniert das System nicht.
(Beifall der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wenn das bestehende System nicht funktioniert, dann ist es unsere Verantwortung, Konsequenzen zu ziehen und das nicht funktionierende System zu verändern.
(Beifall der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])
Genau das tun wir mit der Cyberagentur. Wir schlagen ein neues Kapitel parlamentarischer Kontrolle mit dieser GmbH auf. Ab sofort sitzen Parlamentarier im Aufsichtsrat; wir bekommen also mit, wenn es Streit gibt, und wir bekommen auch mit, wenn es Verwerfungen gibt. Nun bin ich kein Freund davon, parlamentarische Kontrolle nach außen zu verlagern. Ich finde, parlamentarische Kontrolle gehört ins Parlament, und am Ende des Tages werden auch nicht alle Fraktionen im Aufsichtsrat vertreten sein können. Daher ist es umso wichtiger, dass wir mit der Cyberagentur ein engmaschiges Berichtswesen für das Parlament festschreiben.
(Beifall bei der SPD)
Daher ist es umso wichtiger, dass wir vollständige Transparenz bei Anfragen aus dem parlamentarischen Raum vertraglich festgehalten haben.
(Beifall bei der SPD)
Daher ist es umso wichtiger, dass sich der Deutsche Bundestag die Zustimmungspflicht bei wesentlichen Veränderungen dieser GmbH gesichert hat. Es darf keine Ausgründung, es darf keine Erweiterung ohne unsere Zustimmung geben.
(Beifall bei der SPD)
Es ist auch wichtig, festzuhalten, dass diese im hochsicherheitsrelevanten Bereich des Innenministeriums und Verteidigungsministeriums veranlagte GmbH nicht für Dritte, nicht für die Privatwirtschaft tätig werden kann. Damit senken wir die Gefahr, dass es einen Wissenstransfer weg vom Staat gibt.
All das, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat das parlamentarische Verfahren gebracht. Ich finde, das ist wirklich ein neues Kapitel parlamentarischer Kontrolle, das wir hier festschreiben.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Abschließend: Wir haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, als ein selbstbewusstes Parlament eine Verantwortung gegenüber der Exekutive. An uns gehen die Missstände nicht vorbei. Wir verändern Strukturen dort, wo es notwendig ist. Ich finde, wir können sagen: Wir als Parlament haben auch aus den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses gelernt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Rohde. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Michael Leutert.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7404288 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 130 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |