Sabine ZimmermannDIE LINKE - Arbeit und Soziales
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Müller ist 59 Jahre alt. Sie arbeitet als Reinigungskraft vier Tage die Woche zum Mindestlohn, für 1 274 Euro brutto im Monat.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Gibt es eigentlich diese Frau Müller wirklich, oder haben Sie das alles erfunden?)
Besser als gar kein Job, denkt sie. Früher war sie Näherin bei der Plauener Gardine. Dann kam die Wende, dann kam die Insolvenz:
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Also in der DDR war es besser, ja?)
kein Arbeitsplatz, jahrelang erwerbslos, mehrere Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, 1-Euro-Jobs – das ganze Programm.
Frau Müller macht sich Sorgen um ihre Rente. Für die Grundrente müsste sie 35 Arbeitsjahre nachweisen.
(Kerstin Tack [SPD]: Nein! Rentenbeitragsjahre! Das ist ein Unterschied!)
Auch wenn die Kinderbetreuung mitzählt: Wie soll Frau Müller auf 35 Arbeitsjahre kommen?
(Kerstin Tack [SPD]: Beitragsjahre!)
Ja, die Grundrente ist eine Verbesserung für viele Menschen, aber sie hat viele Geburtsfehler. Bei dem ganzen Gezerre um die Grundrente ist doch eines aus dem Blick geraten: Die Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung ist nicht nur, vor Altersarmut zu schützen, sondern auch, im Alter den Lebensstandard zu sichern.
(Beifall bei der LINKEN)
Und genau das leistet sie nicht mehr.
Durch die Rentenreform vor 15 Jahren haben Sie das Rentenniveau massiv gesenkt; und es wird weiter sinken. Durch diese Reform haben Millionen Rentnerinnen und Rentner deutlich weniger Geld in der Tasche. Aber je höher das Rentenniveau, desto besser die Absicherung im Alter. So einfach ist das, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linke fordert: „Rauf mit dem Rentenniveau auf 53 Prozent!“, und eine solidarische Mindestrente von 1 050 Euro, wenn es trotzdem nicht reicht. So sieht eine sichere Rente aus, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Ein weiterer grundsätzlicher Fehler Ihrer Politik betrifft die Löhne. In den letzten 20 Jahren haben Sie einen riesigen Niedriglohnsektor in Deutschland geschaffen. Jeder Fünfte arbeitet zum Niedriglohn. Das muss man sich mal vorstellen: jeder Fünfte!
(Zuruf von der LINKEN: Skandal!)
10 Milliarden Euro geben Sie jedes Jahr aus, um niedrige Löhne mit Hartz IV aufzustocken. Und niedrige Löhne ziehen immer niedrige Renten nach sich. Wenn Sie nichts gegen die niedrigen Löhne tun, dann müssen Sie auch noch dauerhaft Milliarden für die Grundrente bezahlen. Das ist ein gigantisches Steuergeschenk an die Arbeitgeber. Was wir brauchen, sind endlich höhere Löhne in Deutschland.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Minister Heil, statt Billigjobs mit Steuergeldern zu subventionieren: Warum erhöhen Sie nicht den Mindestlohn? Das kostet Sie nicht einen einzigen Cent Ihres Haushalts. Die Linke fordert einen Mindestlohn, der für ein anständiges Auskommen reicht.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der SPD: 13 Euro!)
– Darüber können wir reden. – Genauso wichtig, meine Damen und Herren, sind gute Tariflöhne. Sorgen Sie dafür, dass Tarifverträge leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können! Ersetzen Sie Minijobs, Leiharbeit, Werkverträge durch ordentlich bezahlte Arbeitsverhältnisse! Das ist notwendig. Das brauchen die Menschen in diesem Land.
(Beifall bei der LINKEN)
Und der dritte Punkt: Ihre Wirtschaftspolitik ist verfehlt. Die Konjunktur schwächelt, die Arbeitslosigkeit steigt, Entlassungen nehmen zu. Dann muss man aber doch gegensteuern! Dazu gehört eine starke Arbeitslosenversicherung. Und was tut die Bundesregierung? Sie senkt den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung. Sie dreht der Bundesagentur für Arbeit den Geldhahn zu.
(Kerstin Tack [SPD]: So ein Quatsch!)
Wir fordern einen stabilen Beitrag für eine starke Arbeitslosenversicherung,
(Beifall bei der LINKEN)
ein Recht auf Weiterbildung, ein höheres Arbeitslosengeld, das man deutlich länger beziehen kann.
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ich dachte, Sie wollen die Leute in Arbeit bringen!)
Das ist eine gute Arbeitsmarktpolitik.
Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren, nehmen Sie die Sorgen der Menschen endlich ernst! Schaffen Sie einen Sozialstaat, in dem niemand Angst um seine Existenz haben muss. Das heißt: gute Arbeit, eine sichere Rente und eine soziale Absicherung, auf die man sich verlassen kann.
(Beifall bei der LINKEN)
Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen, hat jetzt das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7404635 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 132 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |