Jürgen MartensFDP - Publizistische Vielfalt
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die Debatte von der AfD so schlicht gestaltet wird und sich auf ein einfaches Abarbeiten an der SPD und ihren Medienbeteiligungen beschränkt, das hätte ich nun doch nicht erwartet.
(Stephan Brandner [AfD]: Sondern?)
– Etwas smarter hätten Sie das schon aufsetzen können, Herr Kollege.
(Stephan Brandner [AfD]: Noch smarter? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ja mit Arbeit verbunden gewesen, Herr Martens!)
– Ja, das wäre mit Arbeit verbunden gewesen – das ist schwierig, ja –,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre mit Arbeit verbunden gewesen! Dafür ist der Kollege nicht bekannt!)
vor allen Dingen mit einer doch ziemlich tiefgehenden intellektuellen Durchdringung des behandelten Sachstoffes. Aber das will ich hier nicht weiter problematisieren, meine Damen und Herren.
Einigkeit besteht zumindest darüber, dass Parteien erstens an der Willensbildung, der politischen, des Volkes mitwirken und zweitens zu diesem Zwecke auch Medienbeteiligungen halten dürfen. Es ist erst mal gut, wenn man das hier insgesamt feststellen kann.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie haben die Beteiligungen der SPD aufgezählt. Es waren längst nicht alle. Aber auch die FDP ist dort von Sünde nicht frei, wie ich gestehe. Wir sind am „Cicero“ beteiligt,
(Marianne Schieder [SPD]: Oh!)
einem hervorragenden politischen Debattenmagazin, meine Damen und Herren,
(Marianne Schieder [SPD]: Finden Sie!)
das ich jedem, der es noch nicht gelesen hat, gerne mal zur Lektüre anempfehlen möchte.
(Beifall bei der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Probeabo vielleicht! – Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Jetzt erklärt sich einiges!)
Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich kurz machen: Die Vorschläge der AfD sind relativ überschaubar. Das Parteiengesetz soll danach so ergänzt werden, dass nicht nur die Hauptprodukte, sondern sämtliche Produkte von Unternehmen aufgezählt werden sollen. Das betrifft also auch den Schulkalender oder den Adventskalender, der von einem solchen Druck- und Verlagshaus herausgegeben wird – nach dem Motto: Vorsicht, in diesem Adventskalender könnte SPD drin sein!
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)
Jetzt muss ich eins feststellen: Kein einziger Käufer wird sich jemals beim Kauf eines Presseproduktes oder Druckerzeugnisses über eine mögliche Parteibeteiligung anhand der Rechenschaftsberichte der Parteien orientieren können, weil diese nämlich erst viel, viel später und lange nach dem Erscheinungszeitpunkt des Produktes herauskommen.
(Stephan Brandner [AfD]: Deshalb soll es ja draufgeschrieben werden auf die Zeitung!)
Die Rechenschaftsberichte der Parteien für 2018 einschließlich der Berichte über Medienbeteiligungen sind diesem Haus am 25. November 2019 vorgelegt worden. Ich wage wirklich zu bezweifeln, dass eine Erweiterung der Aufnahmepflicht in Rechenschaftsberichte hier irgendeine Wirkung hat, meine Damen und Herren. Das sind Schaufensteranträge.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN und des Abg. Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD] – Stephan Brandner [AfD]: Dann können wir die Rechenschaftsberichte ja ganz abschaffen, oder wie?)
– Das hätten Sie gerne, dass Rechenschaftsberichte abgeschafft werden.
(Beifall des Abg. Dr. Florian Toncar [FDP])
Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Das Kritische sind aber wohl weniger Medienbeteiligungen als die Herkunft von Geldern und Krediten für Ihr politisches Wirken, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dass Sie da keine Lust drauf haben, das kann ich schon durchaus nachvollziehen.
Auch die vorgeschlagene Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, meine Damen und Herren, ist ein untaugliches Mittel; denn auch hiermit kann sich der Kunde nicht oder nicht richtig über Umfang oder Art und Weise einer Beteiligung bzw. den Einfluss informieren. Das ist sinnlos.
Das gilt erst recht für die vorgeschlagene Änderung im Wettbewerbsrecht – § 30 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen –; das ist ein Fehlgriff. Wie soll das eingehalten werden, und wie soll die Weitergabe etwa von Agenturinhalten oder von gemischt erstellten bzw. von redaktionellen Netzwerken erstellten Inhalten überprüft werden? Auch das ist faktisch nicht möglich.
Und: Sie verkennen, dass das Kartell- und Wettbewerbsrecht ein Recht ist, das dem Markt und dem geschäftlichen Betrieb zugeordnet ist und das dafür sorgen soll, dass Wettbewerb in fairen Bahnen verläuft. Es ist keine Regelung zur politischen Regulierung von Medien, meine Damen und Herren.
Wir haben übrigens früher schon einen ganz einfachen Vorschlag eingebracht, mit dem die Probleme in diesem Bereich gelöst wären. Das ist die Impressumspflicht in Druckerzeugnissen oder in elektronischen Medien für Parteibeteiligungen.
Wenn Sie davon sprechen, dass Ihr Gesetzentwurf wichtig für die Demokratie sein soll, dann stellt sich mir die Frage: Warum behandeln Sie eigentlich nicht Dinge, die viel, viel wichtiger sind für das Funktionieren der Demokratie im Medienbereich?
(Jens Maier [AfD]: Oh Gott, jetzt wird es primitiv!)
Ich spreche hier von Fake News, meine Damen und Herren.
(Jürgen Braun [AfD]: Relotius!)
Das ist ein Problem, das vor wenigen Jahren noch unbedeutend war, sich aber zunehmend zu einem ernsten Problem der Demokratie und des demokratischen Diskurses entwickelt. Es hätte Ihnen durchaus gut angestanden, wenn Sie sich diesem Problem in irgendeiner Weise zugewendet hätten.
(Stephan Brandner [AfD]: Das können Sie ja machen!)
Aber ich glaube, genau das war nicht beabsichtigt.
(Stephan Brandner [AfD]: Machen Sie es doch! Sie können doch auch Anträge schreiben!)
So könnte man argwöhnen, dass dieser Gesetzentwurf ein Ablenkungsmanöver ist, ein Manöver, um von Problemen abzulenken, die Sie genau kennen, die Sie genau verstehen, aber nicht anfassen und nicht benennen wollen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Fake News werden gezielt zum Erreichen politischer Zwecke eingesetzt. Sie werden verbreitet, um Angst zu erzeugen – da gibt es schöne Beispiele, auch aus den Reihen der AfD –, um Seriosität vorzutäuschen, um Menschen angeblich zu informieren, und in Wirklichkeit werden dort die dreistesten Lügen im Umlauf gebracht.
(Jürgen Braun [AfD]: Gucken Sie bei den etablierten Medien mal nach! Relotius! „Spiegel“! – Stephan Brandner [AfD]: Macht die FDP seit 70 Jahren!)
Ich könnte hier jetzt die einzelnen Beispiele aufzählen,
(Jürgen Braun [AfD]: Machen Sie doch!)
bei denen die AfD wirklich Fake News verbreitet hat.
(Stephan Brandner [AfD]: Dann legen Sie mal los! – Dr. Florian Toncar [FDP]: Dafür reichen sieben Minuten Redezeit bei Weitem nicht aus!)
– Das können wir machen; aber so viel Redezeit, um das im Einzelnen aufzuzählen, habe ich leider nicht.
(Dr. Florian Toncar [FDP]: Da braucht man 700 Minuten!)
Heute wählen die Menschen in Großbritannien ein neues Parlament.
Herr Kollege Martens, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brandner?
Ja.
(Zuruf von der SPD: Nein!)
Herr Kollege Martens, Sie sagen, die Redezeit würde nicht ausreichen, um all das der Öffentlichkeit zu offenbaren, was die AfD – die AfD! – als Fake News verbreitet habe. Ich gebe Ihnen hiermit die Möglichkeit und frage Sie: Was konkret hat denn die AfD an Massen von Fake News verbreitet, das Sie jetzt im Rahmen Ihrer Redezeit nicht unterbringen können?
Es gibt etliches.
(Marianne Schieder [SPD]: Da werden Sie heute nicht mehr fertig!)
Aus dem Bereich der AfD-Fraktion in Hessen gibt es zum Beispiel die Behauptung von 102 ermordeten Deutschen durch Zuwanderer. Das sind Fake News gewesen.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt die Behauptung der AfD, Flüchtlinge würden eine erhebliche Gesundheitsgefahr in Form von Tuberkuloseinfektionsrisiken für die Bevölkerung mitbringen. Das sind Fake News, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Migrationspakt!)
Wir könnten noch weitermachen.
(Stephan Brandner [AfD]: Sie haben über Fraktionen gesprochen, nicht über die Partei!)
Aber wie gesagt: Ich erzähle Ihnen das gerne noch mal im Einzelnen, unter uns.
Meine Damen und Herren, ich habe gerade vom Einsatz von Fake News etwa im Vorfeld der heute stattfindenden Wahlen in Großbritannien gesprochen. Dort haben die Tories ganz einfach per Fake News auf einer gefakten Seite ein fiktives Wahlprogramm des Konkurrenten, der Labour-Partei, ins Netz gestellt. Auch dort wird, wie gesagt, mit Fake News gearbeitet – wie vorher schon bei der Volksabstimmung über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union.
Machen wir uns nichts vor: Wir haben es tatsächlich mit Bedrohungen zu tun, die die Demokratie insgesamt betreffen und die im Medienbereich stattfinden. Aber das sind nicht die Beteiligungen einzelner Parteien an Medienunternehmen. Es sind ganz andere Bedrohungen. Sie kennen sie, Sie wissen davon, Sie sprechen sie aber nicht an, meine Damen und Herren.
Es geht hier um nichts weniger als um den Angriff auf den Kern des demokratischen Gemeinwesens, auf die Willensbildung der Wähler.
(Stephan Brandner [AfD]: Das habe ich doch versucht Ihnen zu erklären, Herr Martens!)
Dieser Angriff, der schwergewichtige, findet nicht über die Medienbeteiligungen der SPD statt. Außerdem sei hier mal die Frage erstellt: Hat es ihnen geholfen?
(Timon Gremmels [SPD]: Hoho! Das ist aber gemein! – Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: War nicht nett, aber wahr!])
– Ich weiß, das war nicht nett, aber das muss auch mal sein.
Es geht mir – und ich glaube, das eint uns alle, mit Ausnahme der Entwurfsverfasser – aber um das Gemeinwesen, um eine faire demokratische Auseinandersetzung, um einen freien Diskurs, um eine unbeeinflusste Willensbildung. All diesem sind wir verpflichtet. Glauben Sie mir: Auch ohne diesen Gesetzentwurf werden wir dem nachkommen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Leni Breymaier [SPD])
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Mahmut Özdemir, SPD.
(Beifall bei der SPD)
| Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
| Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
| Abgerufen von | http://dbtg.tv/cvid/7406762 |
| Wahlperiode | 19 |
| Sitzung | 134 |
| Tagesordnungspunkt | Publizistische Vielfalt |