12.12.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 134 / Tagesordnungspunkt 15

Manfred TodtenhausenFDP - Handwerksordnung

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stünde heute nicht hier, wenn ich mich 1977 nicht dazu entschlossen hätte, den Meisterbrief zu machen. Er hat mein Leben völlig verändert. Das Handwerk hat auch heute noch eine starke Zukunft. Das erleben wir jeden Tag immer wieder aufs Neue. In Zeiten, in denen Industrie und Exporte lahmen, sehen wir im Handwerk weiterhin blühenden Aufschwung.

(Beifall bei der FDP)

Das gibt uns Gelegenheit, über Veränderungen nachzudenken. Gerade im Bau- und Ausbauhandwerk sind die Auftragsbücher voll. Das wird auch in den kommenden Jahren hoffentlich so bleiben. Bei Berlin habe ich Bedenken: Durch den Mietendeckel wird da einiges passieren. Aber insgesamt glaube ich, dass dort viel Positives sein wird.

Wir werden weiterhin gut Arbeit haben im Wohnungsbau. Auch bei Innovationen im Bereich Energie und Klima, beim Einsatz moderner Smart-Technologie und bei der Digitalisierung ist das Handwerk gefordert. Zu tun gibt es also genug.

(Beifall bei der FDP)

Um diese Aufgaben erledigen zu können, brauchen wir motivierte Unternehmen. Wir brauchen Selbstständige und Führungskräfte, die in der Lage sind, Betriebe nachhaltig zu leiten und innovative Technologien und Klimaschutz vor Ort beim Kunden zu verbinden. Es sind unsere Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeister, die diese Verantwortung übernehmen. Sie stehen für ein gesundes Handwerk. Sie sind das Herz unseres Mittelstands und der Pfeiler unserer sozialen Marktwirtschaft.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen, meine Damen und Herren, tragen wir die Erweiterung der Meisterpflicht dort mit, wo der Gefahren- und der Verbraucherschutz es europa- und verfassungsrechtlich möglich machen. Viele haben daran mitgearbeitet. Auch diesmal haben wir Profis angehört und Gutachten zur Kenntnis genommen und sind davon überzeugt, dass hier Handlungsbedarf besteht.

Der Normenkontrollrat hat ebenso wie der Bundesrat keine Einwände gegen den vorliegenden Gesetzentwurf. Der Bestandsschutz für bestehende Betriebe ist gesichert.

(Beifall bei der FDP)

Die Evaluierung soll nach fünf Jahren stattfinden. Dann wird sich herausstellen, ob die Wiedereinführung der Meisterpflicht für die einzelnen Gewerke richtig ist.

Beim Kulturgüterschutz tun wir uns allerdings sehr schwer.

(Tino Chrupalla [AfD]: Das ist wahr!)

Uns erscheinen die Abgrenzungen und die Begründungen schwierig, warum ein Gewerk darunterfällt und ein anderes nicht. Wir können den Verbraucherschutz beim Orgelbauer noch nachvollziehen; denn hier sind anspruchsvolle Statiken erforderlich. Auch die Elektrik bedarf besonderer Kenntnisse. Beim Böttcher, Drechsler und anderen sind wir nicht so davon überzeugt. Da hätte man vielleicht auch andere nehmen müssen. Dennoch sagen wir: Daran lassen wir es nicht scheitern.

(Beifall bei der FDP)

Herr Chrupalla, natürlich darf man in einer liberalen Partei auch anderer Meinung sein. Bei uns wird lebhaft diskutiert, und da gibt es auch welche, die sagen, man könnte den Meister auch nicht wieder einführen; das ist ohne Weiteres möglich. Aber zu Ihrem Gesetzentwurf nur so viel: Sie wollen die Meisterpflicht einfach eins zu eins in allen B1-Gewerken wieder einführen. Wir halten das für falsche Folklore, weil Sie zwei Dinge außer Acht lassen:

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: „Falsche Folklore“! Schöne Beschreibung!)

Die Welt entwickelt sich technologisch und auch strukturell weiter. Es gibt neue Prozesse und wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie zum Beispiel den demografischen Wandel und veränderte Kundenansprüche.

(Tino Chrupalla [AfD]: Was hat das mit dem Meister zu tun?)

Sie geben vor, das Handwerk zu schützen. Dabei fällt es zurück, wenn es Ihrem Weg folgt. Mit Lösungen von gestern können Sie keine Probleme von morgen lösen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Sabine Poschmann [SPD])

Ihr Gesetzentwurf verteidigt einen alten Status quo, ohne Kriterien für eine verfassungs- und europarechtliche Prüfung heranzuziehen. Sie blenden aus, dass wir eine gerichtsfeste Entscheidung brauchen. So verstaubt wie Ihr Antrag ist das Handwerk von morgen zum Glück nicht. Unser Handwerk ist zukunftsorientiert und nicht rückwärtsgewandt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, natürlich fehlt uns auch etwas im Entwurf von Union und SPD. Wir wollen den Nachfolgern eines zukünftigen Betriebes genügend Zeit geben, ihren Meister zu machen. Deshalb wollen wir die Nachweispflicht von 6 Monate auf 24 Monate erhöhen, damit diese den Meisterbrief berufsbegleitend, eventuell auch auf der Abendschule, nachholen können. Das sind wir den jungen Menschen schuldig.

(Beifall bei der FDP)

Ich finde es irritierend, wenn Sie diesen Vorschlag nicht aufgreifen.

Meine Damen und Herren, wir sollten die Gelegenheit nutzen und dies als Nächstes auf den Weg bringen. Ich freue mich, dass der Wirtschaftsminister da ist und dass die berufliche und akademische Bildung gleichgesetzt und damit interessanter wird. Das Handwerk ist immer noch Ausbilder der Nation. Es bringt Gesellinnen und Gesellen hervor, die auch in anderen Branchen sehr begehrt sind. Außerdem ist das Handwerk eine sichere Bank, wenn es um Integration geht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wer im Handwerk bleibt, soll auch Aufstiegsmöglichkeiten bekommen. Nicht jeder Mensch ist für eine akademische Laufbahn geeignet, nicht jeder hat die gleiche Begabung. Der Meisterbrief ist ein Abschluss für den Aufstieg von Menschen, deren Begabung besonders in praktischer Arbeit liegt. Heute schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dies zu würdigen.

Wir Freien Demokraten wollen aber mehr. Wir wollen, dass die Meisterausbildung genauso gebührenfrei ist wie ein Studium. Wir wollen, dass das Handwerk endlich von unnötiger Bürokratie entlastet wird. Die Bonpflicht für Bäcker und andere steht stellvertretend für Überwachung und übertriebene Regelungen. Unserem Antrag zur Befreiung von dieser Pflicht können Sie morgen zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Das Bürokratieentlastungsgesetz IV, Herr Minister, muss jetzt auf den Weg gebracht werden. Das Bürokratieentlastungsgesetz III war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Tun Sie etwas gegen zu viele Dokumentationspflichten. Vereinfachen Sie endlich das Steuerrecht. Machen Sie es den jungen Unternehmerinnen und Unternehmern, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, nicht so schwer. Dann sind wir im und mit dem Handwerk auf dem richtigen Weg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Abgeordnete Thomas Lutze das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7406777
Wahlperiode 19
Sitzung 134
Tagesordnungspunkt Handwerksordnung
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