13.12.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 135 / Tagesordnungspunkt 24

Andreas SchwarzSPD - Änderung der Abgabenordnung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer im Plenum und vor den Fernsehschirmen! Der Ehrliche ist ja auch immer der Dumme. Nach Meinung der FDP soll das anscheinend so bleiben.

(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Genau!)

Das ist angesichts dieses Gesetzentwurfs von der FDP zumindest mein erster Eindruck.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, rufen wir uns kurz in Erinnerung, worum es hier geht. Wir haben 2016 – ich kann zu Ihrer Ehrenrettung sagen, lieber Herr Dürr: Sie waren damals nicht im Parlament, aber die FDP war im Bundesrat vertreten – dieses Kassengesetz nach harten und zähen Verhandlungen beschlossen. Das Gesetz hat Bundestag und Bundesrat passiert. Wie gesagt, daran war auch die FDP teilweise mitbeteiligt. Aus dem Bundesrat kam beispielsweise die Empfehlung, die Bonpflicht einzuführen.

Drei Jahre ziehen zwischenzeitlich ins Land. Niemanden hat das Gesetz so richtig interessiert.

(Christian Dürr [FDP]: Weil sie an die Ausnahmen dachten!)

14 Tage vor Inkrafttreten kommt die Welle. Man entdeckt dann sogar bei diesem Thema den Umweltschutz für sich, weil das gerade auch zum Zeitgeist passt. Wissen Sie, wenn alle Steuerpflichtigen ehrlich wären, dann bräuchten wir dieses Gesetz gar nicht. Übrigens: Bei der Beteiligung an diesem Gesetzgebungsverfahren haben das auch die Verbände so gesehen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE])

Experten des Bundesrechnungshofes haben geschätzt, dass in diesem Land immerhin 10 Milliarden Euro Steuern pro Jahr hinterzogen werden. Eventuell ist die Summe sogar noch höher.

Liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Land, was würden denn Sie tun, wenn der Bundesverband der deutschen Registrierkassenhersteller oder die Firma Casio auf Sie zukommt und Ihnen als Politiker erklärt: Macht mal was! Wir können in diesem Land keine Kasse mehr verkaufen, wenn sie nicht manipulierbar ist. – Sollen wir da einfach zuschauen, abwarten? Das wäre sicherlich fahrlässig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Da ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Wenn wir diesen Missbrauch nicht eindämmen, dann machen wir uns selber strafbar. Wir müssen das eindämmen; denn jeder ehrliche Unternehmer hat einen massiven Wettbewerbsnachteil, wenn sein Konkurrent seine Waren einfach steuerfrei anbieten kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer im Land, wir machen uns mit dieser Maßnahme zum Anwalt der Ehrlichen hier in Deutschland. Was passiert denn mit dem entstandenen Schwarzgeld, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Schwarzgeld?)

Ich kann es Ihnen gerne sagen. Damit wird der nächste Betrug finanziert, und zwar meistens an den Sozialversicherungssystemen. Wollen wir das in diesem Land wirklich?

(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Nein!)

Nein, sicher nicht – das ist da meine Antwort.

(Beifall bei der SPD)

Somit ist die Belegausgabepflicht absolut notwendig, um Kassenbetrug wirksam zu bekämpfen.

Meine Damen und Herren hier im Plenum oder auch an den Bildschirmen, gerne nehme ich Sie mit auf eine kleine Urlaubsreise durch Europa. Trinken wir gemeinsam einen Cappuccino oder essen wir ein Eis in Italien, in Österreich oder in Kroatien. Überall bekommen wir Belege. In Italien sind wir als Kunde sogar verpflichtet, den Beleg mitzunehmen und auf Verlangen vorzuzeigen. Seltsamerweise haben wir Deutschen überhaupt kein Problem damit, in diesen beliebten Urlaubsländern mit diesen Regelungen klarzukommen.

Herr Kollege Schwarz, der Kollege Dürr würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Der braucht neue Erkenntnisse!)

Ja, soll er mal.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Erstens. Herr Kollege Schwarz, bedauerlicherweise sind Sie auf Ihrer Reise nicht durch Frankreich gezogen, in dem gerade die Belegausgabepflicht, die Bonpflicht für Einkäufe unter 10 Euro abgeschafft wurde. Ich empfehle also einen Urlaub in Frankreich.

(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Ein Land!)

Zweitens. Sie haben davon gesprochen, dass das Gesetz vor mehreren Jahren beschlossen wurde, nämlich 2016. Die Handwerksbetriebe, die Bäckereien, die Metzgereien haben sich in gutem Glauben, so wie es Fritz Güntzler formuliert hat, darauf verlassen, dass von der Ausnahmeregelung für all diejenigen, die unverdächtig sind, weidlich Gebrauch gemacht wird.

Sie bleiben bei Ihrem Generalverdacht; das haben Sie noch einmal ausgeführt. Ich möchte Sie fragen: Wie viele Ausnahmegenehmigungen – alle haben auf sie vertraut und gehofft, dass sie kommen – sind bisher erteilt worden, Herr Kollege Schwarz?

(Beifall bei der FDP – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das Gesetz ist noch gar nicht in Kraft!)

Lieber Kollege Dürr, zunächst ist dieses Gesetz erst ab dem 1. Januar 2020 scharf in diesem Land.

(Christian Dürr [FDP]: Ja, super!)

Wir haben dem Handel extra eine Übergangszeit gegeben, damit er sich auf die veränderte Situation, auch im technischen Bereich, einstellen kann.

(Christian Dürr [FDP]: Wie viele, Herr Schwarz?)

– Ich habe da keine Zahlen vorliegen. Im Übrigen wissen Sie genauso wie ich: Wir haben keine zentrale Bundessteuerverwaltung. Wenn jemand diese Ausnahmegenehmigung haben möchte, dann muss er zu seinem örtlichen Finanzamt gehen. Das örtliche Finanzamt – in den 16 Bundesländern wird das vielleicht unterschiedlich gehandhabt werden – wird dann entscheiden, ob man von einer Belegausgabepflicht absehen kann oder ob man sie fordern muss.

(Christian Dürr [FDP]: Die Richtlinien kommen aus dem BMF, Herr Kollege!)

– Aber Sie wissen doch haargenau, dass wir hier keine zentrale Bundessteuerverwaltung haben.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt beispielsweise auch Richtlinien bei dem Thema: Wie laufen Betriebsprüfungen ab? Schauen Sie sich einmal an, wie hoch in Bayern die Quote der Betriebsprüfer ist, und vergleichen Sie diese einmal mit Nordrhein-Westfalen. Da werden Sie feststellen: Da gibt es schon Unterschiede in der Auffassung.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Die Bayern sind halt ehrlicher! – Gegenruf der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]: Was?)

Das ist gut so. Das ist Föderalismus. Damit kann man und muss man letztendlich auch leben.

Kommen wir zurück zu den Realitäten. Man kann sich hier in Deutschland, wie gesagt, von der Belegausgabepflicht befreien lassen. Dafür sind die Finanzämter vor Ort zuständig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch ein paar Sätze zu dem Gesetzentwurf der FDP und zu den Müllbergen sagen. BPA-beschichtetes Thermopapier muss man nicht verwenden; es gibt mittlerweile andere Möglichkeiten. Mich wundert auch: Kreditkartenzahlungen beispielsweise spielen hier überhaupt keine Rolle; die erwähnt niemand. Dafür wird letztendlich auch Papier produziert. In Deutschland produzieren wir 253 Kilo Papier pro Kopf pro Jahr. Wir sind da ganz weit vorne in der Welt. Und jetzt soll die Einsparung von 500 Gramm Kassenzetteln das Klima und die Natur der Welt retten! Das ist einfach hanebüchen.

Im Übrigen: Man merkt, viele gehen nicht mehr essen oder selber einkaufen; sie bekommen es wahrscheinlich bezahlt oder verzichten darauf. Es gibt heute auch technische Möglichkeiten. Die FDP nimmt ja für sich in Anspruch, eine Digitalpartei zu sein.

(Christian Dürr [FDP]: Ja!)

Da dürfte es Ihnen nicht entgangen sein, dass man Kassenzettel auch per Mail verschicken kann und dass es Systeme gibt, mit denen man sich die Daten im Laden direkt übertragen lassen kann. Es gibt also ganz, ganz viele technische Möglichkeiten, um auch hier Papierverbrauch zu verhindern.

Herr Kollege Schwarz, Sie werden nicht mehr alle diese Möglichkeiten aufzählen können, -

Nein.

– weil Ihre Redezeit abgelaufen ist.

(Heiterkeit – Beifall bei der AfD und der FDP)

Ich komme zum Schluss. – Machen wir das Land gemeinsam gerechter und ehrlicher, und freuen wir uns auf Milliarden von Einnahmen, die wir sinnvoll in guten Umweltschutz investieren können!

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Katja Hessel, FDP.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7407481
Wahlperiode 19
Sitzung 135
Tagesordnungspunkt Änderung der Abgabenordnung
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