13.12.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 135 / Tagesordnungspunkt 24

Lothar BindingSPD - Änderung der Abgabenordnung

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Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der „WirtschaftsWoche“ von heute steht die Überschrift: „Der tägliche, staatlich geduldete Steuerskandal“. Weiter heißt es dort:

Vor den Augen aller

– das sind ja unsere Augen -

versickern Umsätze, die nie in einer Steuererklärung stehen werden.

Man sieht also, dass selbst dort diese Erkenntnis angekommen ist.

Um hinsichtlich der Vereine etwas zu Fritz Güntzler zu sagen: Wenn Schweden, Österreich, Portugal und Belgien es schaffen,

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Riesenausnahme in Österreich!)

mit Ausnahmen für Vereine ein gutes Modell hinzubekommen, hätten wir das auch hinbekommen können. Wir haben uns das österreichische Modell angeguckt. Das wäre wunderbar eins zu eins gegangen; Ingrid Arndt-Brauer und Andreas Schwarz sind darauf eingegangen. Das hätte wunderbar gepasst.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Nein!)

Übrigens: Fast alle Einzelhändler – Hans, für dich –, Bäcker, Fleischer, Gemüsehändler, Gastwirte, Friseure führen ihre Betriebe ehrlich und korrekt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Genau!)

Die wenigen Gauner, die die Mehrwertsteuer hinterziehen, die Geldwäsche organisieren, die Leute schwarz und prekär beschäftigen, die über 10 Milliarden Euro Schaden anrichten, sind ein riesiger Wettbewerbsnachteil für all die Ehrlichen, und deshalb muss man etwas tun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was uns wundert – das war damals natürlich nicht ganz konfliktfrei –: Wir haben keine Kassenpflicht. Wer sich nicht beteiligen will, wirft die elektronische Kasse in den Keller. Alles wunderbar! INSIKA, die einzige Software, die gut gewesen wäre, ist leider zwischen uns allen, sagen wir mal, ein bisschen untergegangen.

Jetzt, nach drei Jahren, soll auch noch die Belegpflicht abgeschafft werden. Was bleibt denn dann noch?

(Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir haben doch eine Ausnahmeregel!)

Die unangekündigte Nachschau! Die läuft aber ins Leere, wenn man nichts hat, wo man nachschauen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Auf Verlangen!)

Also, irgendwie ist klar: Das funktioniert nicht, und deshalb können wir bei dem Entwurf der FDP zur Förderung des Kassenbetrugs nicht mitmachen.

(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Nein, das ist zu weit gegriffen!)

Übrigens: Wer nur die Lobbyistenbriefe abschreibt, der macht keine Politik für alle; der macht Politik für wenige. Wir sind hier aber für alle Bürger.

(Beifall bei der SPD)

Dass Sie nach drei Jahren den Umweltschutz entdecken, wurde schon gesagt. Übrigens: Sie müssen nicht nur viele Milliarden Bons, sondern auch viele Milliarden Tüten für die vielen Milliarden Brötchen ausgeben. Das ist also offensichtlich kein Problem.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Wir kommen doch mit dem Jutebeutel mittlerweile!)

Übrigens: Wenn ich mit einer Karte bezahle, dann gibt es auch einen Bon. Davon war gar keine Rede.

(Jürgen Braun [AfD]: Das Bargeld wollen Sie auch abschaffen!)

Und wie viele Kassenzettel werden im Moment weggeworfen, weil man sie nicht braucht? Die meisten Bäckereien geben jetzt schon Belege aus.

Das Schlimme ist: Die Industrie hat es in drei Jahren nicht geschafft, diese TSE, diese Technische Sicherheitseinrichtung, zu entwickeln.

(Christian Dürr [FDP]: Sie sind doch beteiligt an so einem Unternehmen! Das unternehmerische Versagen der SPD in Deutschland!)

Was folgt daraus? Der Finanzminister musste jetzt einen Nichtanwendungserlass formulieren und bis September die Sache verschieben, damit die sich einrichten können. Wir sehen: Man hat sich dem Gesetz aktiv verweigert. – Das ist natürlich ein riesengroßes Problem. Deshalb ist es klug, dass wir heute diesen Entwurf ablehnen; denn wir brauchen die Belegausgabepflicht.

Man muss sagen: Es gibt Gaststätten, die auf Barzahlung bestehen, wenn ich da mit Karte bezahlen will; das geschieht ganz oft. Ich frage jetzt mal: Warum bestehen diese Gastwirte auf Barzahlung?

(Michael Donth [CDU/CSU]: Wegen der Prozente!)

Das ist doch eine interessante Frage.

(Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Weil die Kartenfirmen hohe Gebühren verlangen!)

Sie haben ja offensichtlich überhaupt gar keine Möglichkeit, ihr Geschäft ordentlich zu führen; denn mit der Barzahlung – das wissen wir ja – hat man ein ziemlich großes Problem.

Was mich aber freut, ist, dass die Bäcker, die hier als Beispiel angeführt werden, künftig auf Aluminiumfolie, Verbundmaterial, Kunststoffe und künstliche Aromastoffe verzichten. Sie werden keine Tabakprodukte mehr verkaufen, sie werden auf große Umverpackungen verzichten, sie werden die Bons künftig auf die kleinen Brötchentütchen drucken. Mit diesem Verfahren könnten sie den Bon nämlich umgehen und würden keine zusätzliche Umweltbelastung erzeugen.

(Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Jutesack! – Christian Dürr [FDP]: Was ist mit dem Jutesack, Herr Binding?)

Es gibt genug technische Lösungen für die verantwortlichen Händler, und auf die konzentrieren wir uns.

Ich wünsche allen noch einen schönen Tag, am Freitag, dem 13.!

(Beifall bei der SPD)

Ich schließe die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7407485
Wahlperiode 19
Sitzung 135
Tagesordnungspunkt Änderung der Abgabenordnung
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