Helge LindhSPD - Waffenrechtsänderungsgesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss leider auf Ihre Rede reagieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Gut, dass Sie das machen!)
Es gibt so etwas wie Notstand. Die AfD löst ihn permanent aus. Sie müssen mir – erstens – erklären: Wenn wir für die Bundesländer die Möglichkeit erweitern, Waffenverbotszonen einrichten zu können, und zwar nicht nur an Kriminalitätshotspots – da gibt es die Möglichkeit schon –, sondern auch an öffentlichen Plätzen und in Schulen, warum soll das eine Einschränkung unbescholtener Bürger sein?
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)
Ich kenne viele unbescholtene Bürger, die nicht möchten, dass an den Schulen ihrer Kinder mit Waffen Schindluder getrieben wird.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist also schon eine merkwürdige Argumentation.
Wenn Sie – zweitens – Ausländer und Flüchtlinge systematisch wegen Messer- und Waffenaffinität abschieben würden, dann könnten Sie Großteile der deutschen Gastronomie von diesem Zeitpunkt an lahmlegen. Denn sehr viele Geflüchtete haben mittlerweile Gott sei Dank unter anderem Arbeit in der Gastronomie bekommen und machen für Sie wahrscheinlich täglich das Essen, das Sie freudig genießen, bevor Sie dann an anderer Stelle gegen selbige hier hetzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Mit Messern in der Hand übrigens werden die Brote geschmiert!)
Also so viel zur Logik in AfD-Deutsch.
Jetzt aber zu den eigentlichen Fragen. Ich frage: Wollen wir, dass in unserer Nachbarschaft Prepper, Reichsbürger, Selbstverwalter, Extremisten
(Jürgen Braun [AfD]: Messerstecher!)
und sonstige ziemlich verfassungsfeindliche Menschen Waffen horten bzw. sammeln?
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)
Ich will das nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wenn wir den Regelungsbedarf nicht erkennen und das nicht regeln würden, würden in der Folge unbescholtene Jäger, Schützinnen und Schützen in Dauerzweifel geraten und müssten sich rechtfertigen. Wollen wir das? Ich will das nicht.
(Beifall bei der SPD)
Wollen wir amerikanische Verhältnisse? Wir wollen das nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Konstantin Kuhle [FDP]: Das ist absurd!)
Wollen wir auf Dauer lamentieren und Schützinnen und Schützen auf billige Weise instrumentalisieren, oder wollen wir agieren?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)
Klare Antwort: Die Koalition agiert. Es ist nämlich so – und das ist eine ganz ernste Angelegenheit, dass Waffen kein Spielzeug sind.
(Martin Hess [AfD]: Ach, gut dass Sie das sagen! Das wussten wir nicht!)
Wenn wir nicht konsequent und mit Bedacht Waffenbesitz regulieren, spielen wir jedoch mit menschlichem Leben. Das ist der Grund für die Ernsthaftigkeit, die in dieser Debatte geboten ist, und nichts anderes.
(Beifall bei der SPD)
Man könnte jetzt auch fragen – ich mache das gerne; denn es ist sinnvoll, auch schwierige Fragen zu stellen –: Was hat diese sehr spezifisch wirkende Debatte zum Waffenrecht mit der Großen Koalition zu tun? Die Antwort ist: Erst einmal gar nichts, in anderer Hinsicht jedoch sehr viel.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Hauen und Stechen!)
Auch wenn wir uns darum kümmern – wir alle tun das –, unser Profil zu schärfen, Parteitage durchzuführen, ist es ungeachtet dessen wichtig, Sachfragen zu lösen. Das tun wir schon seit vielen Monaten in einem extrem aufwendigen und intensiven parlamentarischen Verfahren. Das wird von uns auch erwartet. Das ist die Pflicht, der wir gerecht werden müssen. Wir machen dies alles nicht nur wegen der Verpflichtung der Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie, aber eben auch.
Das Ganze ist ja nicht aus dem Nichts entstanden. Es gibt den Anschlag im Bataclan. Es gibt den Fall Amri; das habe ich gestern wieder im Untersuchungsausschuss erlebt.
(Zurufe von der AfD)
Es gibt den Anschlag in Halle. Es gibt diverse Amokläufe. Es ist eine Notwendigkeit, dass wir in diesem Land mit aller Konsequenz ein striktes und scharfes Waffenrecht bekommen und dieses auch durchsetzen. Genau das tun wir.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Das tun wir nicht auf Kosten rechtschaffener Bürger, sondern in ihrem Sinne.
(Beifall bei der SPD – Dr. Roland Hartwig [AfD]: Damit erreichen Sie die Leute? Glauben Sie das wirklich?)
Wenn Sie aus parteipolitischem Kalkül versuchen, die Verbände für Ihre Zwecke zu missbrauchen – das ist vergeblich, die Verbände sind nämlich nicht so dumm, wie Sie das sind –, dann begreifen Sie gar nicht, was Demokratie und Ihre Aufgabe ist.
(Ulli Nissen [SPD]: Das hast du gut formuliert!)
Zum Glück hat das die Koalition begriffen. Daher danke ich ganz ausdrücklich meiner eigenen Fraktion und dem Koalitionspartner CDU/CSU für die sehr konstruktiven, auch streitbaren Gespräche. Ich danke Staatssekretär Mayer, dem Innenminister, der Justizministerin. Ich danke auch den demokratischen Oppositionsparteien. Wir haben da nämlich mal vorgeführt, wie Demokratie funktioniert; denn darum geht es doch. Es geht darum, dass wir die Stimmen der Sicherheitsbehörden hören; es geht darum, dass wir die Einwände der Verbände wahrnehmen und ernst nehmen, dann aber souveräne, eigene Entscheidungen treffen. Wir sind nicht Vollzugsorgan der Sicherheitsbehörden, wir sind erst recht nicht Vollzugsorgan der AfD – um Gottes willen! –, wir sind aber auch nicht Vollzugsorgan von Verbänden.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ist es!)
Wir sind der Souverän, und wir entscheiden, und wir tun dies in einem parlamentarischen Verfahren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU] – Zurufe von der FDP)
In diesem Zusammenhang kann ich darauf hinweisen, dass wir in keinem anderen Verfahren – nicht nur in Bezug auf den Bedürfnisnachweis, aber auch – so viel Post bekommen haben. Selbst als wir mit dem Innenausschuss in Rom waren, hat uns dieses Thema verfolgt.
(Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das ist aber auch kein Drama; denn die Qualität der Argumente hat entschieden und nicht die Fülle der Briefe und Einwendungen. Allerdings müssen wir auch immer bedenken – auch das wage ich zu erwähnen –, dass es andere gibt, die nicht so gut organisiert sind wie Schützen, die nicht so gut organisiert sind wie Fridays for Future. Das sind zum Beispiel Menschen, die in Einsamkeit, in Armut oder in Altersarmut leben. Die schreiben eben keine Briefe.
(Jürgen Braun [AfD]: Und die Todesopfer Ihrer Politik schreiben auch keine Briefe mehr!)
Das ist auch eine Frage, die wir bedenken müssen und der wir uns zukünftig in dieser Demokratie zunehmend zuwenden müssen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Änderungen sind so geworden, wie wir sie beabsichtigt haben und wie ich sie mir nachdrücklich gewünscht habe. Es gibt nicht den Gegensatz von Sicherheit einerseits und Freiheit von Schützinnen und Schützen andererseits.
(Zuruf des Abg. Martin Hess [AfD])
Nein, es ist gelungen, bei Verschärfung der Sicherheitsaspekte eine Bedürfnisregelung zu finden – jeder, der anderes behauptet, lügt –,
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau so ist es!)
die so rechtssicher und praktikabel ist wie noch nie. Ich betone noch mal: Nach fünf Jahren und nach zehn Jahren gibt es im Fall des Waffenbesitzes eine Bedürfnisprüfung. Diese wird nur angewandt bei Jahr vier und fünf und Jahr neun und zehn. Praktikabler geht es nicht. Bis 2025 obliegt das allein den Vereinen und erst dann den Verbänden. Niemand im Bereich des Schützenwesens kann sich ernsthaft darüber beschweren. Das ist eine gute, vernünftige und intelligente Lösung, die wir gefunden haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich erwähnte gerade die Vielzahl von Schreiben zu diesem Thema. Diese gibt es auch zum Thema Wolf. Gestern haben wir uns im Parlament mit dem Wolf und seinen Gefahren auseinandergesetzt. Es gilt, bei aller Ernsthaftigkeit, ja noch immer, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist und dass der Gefährlichste für den Menschen der Mensch ist.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Homo homini lupus est!)
Dieser Realität müssen wir uns stellen. Deshalb ist es richtig und absolut sinnvoll, dass wir die Regelabfrage eingeführt haben, dass es auch eine sogenannte Nachbeweispflicht gibt. Das heißt, wer verfassungsfeindlich auffällig wird, wird auch im Nachhinein für unzuverlässig erklärt und kann dementsprechend keinen Zugang mehr zu Waffen haben. Alle in diesem Hause außer anscheinend der AfD sind dieser Meinung und werden dem auch nicht im Wege stehen, wie ich überzeugt bin.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Doch!)
Meine Damen und Herren, der Titel dieses Gesetzes lautet Drittes Waffenrechtsänderungsgesetz. Eigentlich müsste der Titel aber lauten: Entwaffnung von Verfassungsfeinden und Verlässlichkeit für Verfassungsfreunde.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Denn diejenigen legalen Waffenbesitzer, die Schießen als Sport machen, die Waffen sammeln, die jagen, das sind – auch geschichtlich – Vertreter der Einheit und Freiheit in unserem Land, das sind Verfassungsfreunde. Wir bestrafen nicht Verfassungsfreunde, aber wir bestrafen Verfassungsfeinde. Besser kann man es nicht machen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Das Wort hat der Kollege Konstantin Kuhle für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7407491 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 135 |
Tagesordnungspunkt | Waffenrechtsänderungsgesetz |