13.12.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 135 / Tagesordnungspunkt 30

Aydan ÖzoğuzSPD - Menschenrecht auf Frieden

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bekommen gerade schon einen kleinen Eindruck davon, was uns in den Ausschüssen erwartet, welche Auseinandersetzungen wir führen werden. Ich versuche es mit ein bisschen Ruhe.

Wer würde sich nicht das Recht auf Frieden wünschen? Das sollte hier hoffentlich alle einen. Ich bin aber dennoch über diesen Antrag etwas erstaunt. So wie ich ihn lese, stellen Sie sich das so vor: Wir beschließen heute ein Recht auf Frieden, und dann leben alle friedlich zusammen, weil sie sich irgendwie besinnen.

Ich glaube, das wird nicht funktionieren. Die Reden vorhin haben es vielleicht gezeigt. Wir haben sowohl im Deutschen Bundestag wie auch in manchen Landesparlamenten Leute, die über Frieden und Sicherheit reden, sie meinen aber damit zum Beispiel, dass man andere attackiert, ganze Gruppen ausgrenzt und Ähnliches. Die Definition von Frieden ist noch nicht ganz einheitlich.

(Beifall der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD])

Die Grundlage dafür – da stimme ich zu – ist eine freie Gesellschaft, in der Mehrheiten Minderheiten achten, in der nicht sofort zu Waffen gegriffen wird, wenn Macht verteilt oder umverteilt wird, und in der nicht von außen geregelt werden soll, wer in einem Land regiert. Da sind wir uns wahrscheinlich einig: Das ist noch nicht überall gegeben.

Frieden als sicherer Rahmen ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Genuss der Menschenrechte. Zu diesem Schluss kommt auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einer Ausarbeitung vom Februar dieses Jahres. Es existiert bereits ein völkerrechtliches Gewaltverbot, und es gibt bestehende Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht. Vor diesem Hintergrund stellt der Wissenschaftliche Dienst den Mehrwert eines zusätzlich formulierten „menschenrechtlichen Zugangs zum Frieden“ infrage.

Sie schreiben zum Beispiel in Ihrem Antrag, dass eine von Kuba initiierte Resolution im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ein solches Menschenrecht auf Frieden gefordert hat, und Sie schreiben dann, dass Deutschland diese Resolution abgelehnt hat. Was Sie nicht schreiben, ist, dass wir dies gemeinsam mit allen Nachbarn der Europäischen Union getan haben.

(Zaklin Nastic [DIE LINKE]: Umso schlimmer!)

Das heißt nun wahrlich nicht, wie Sie es unterstellen, dass man sich keinen Frieden wünschen würde. Stattdessen geht es darum, wie man ein solches Menschenrecht dann als Gesetz definieren und auch umsetzen kann. Da gibt es erhebliche Zweifel, dass das nur mit einem solchen Gesetz ginge.

Für die meisten klingt Frieden gut – ich sage das immer wieder –, aber Sie wissen sehr genau, dass wir rechtlich mit einem solchen Antrag keinen Schritt weiter kämen. Sie fassen ja selbst den Begriff sehr weit. Ich habe mir das genau angeguckt. Sie sprechen über alle Arten, ob politisch, strukturell, wirtschaftlich oder kulturell,

(Zaklin Nastic [DIE LINKE]: Wie die Vereinten Nationen!)

und dann lassen Sie völlig offen, wer genau damit verbundene Rechte und Pflichten innehaben würde und wie dieses Recht durchzusetzen wäre.

Ich fürchte, dass man den Menschen, die tagtäglich unter schlimmen Menschenrechtsverletzungen leiden – wir haben diese Woche schon darüber gesprochen –, nicht gerecht wird, wenn man ihr Wohl an einem symbolischen Rechtsanspruch oder Begriff festmacht. Menschenrechte und Frieden müssen zunächst einmal durch beherztes Handeln, Kooperation und aktive Schutzmaßnahmen behütet werden. Und da muss ich schon sagen: Schwarz-Weiß-Bilder helfen nicht weiter, schon gar nicht, wenn man fordert, dass alle Bundeswehrsoldatinnen und ‑soldaten aus dem Ausland zurückgeholt werden sollen.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nein! Aber das wäre ein wichtiger Beitrag, ein erster Schritt!)

Die Vorstellung, dass es dann plötzlich überall Frieden gäbe, ist in meinen Augen echte Realitätsverweigerung.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum besuchen mich wöchentlich Afghaninnen und Afghanen, die uns ständig bitten, dass wir nicht einfach so und sofort von dort abziehen und sie dort alleinlassen sollen?

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Da gibt es auch andere Stimmen!)

– Ich habe so viele Frauenorganisationen bei mir gehabt, die völlig aufgeschreckt sind von den Ankündigungen der Amerikaner.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Da gibt es andere Stimmen, die ganz anders reden! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Haben Sie die Afghan Papers gelesen?)

Ich weiß nicht, ob Sie es mitbekommen haben, aber unsere Bundeswehr ist zurzeit in keinem einzigen Kampfeinsatz im Ausland.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Soldatinnen und Soldaten machen einen schwierigen Job. Vorgestern wurden in Niger 71 Soldaten von Militanten getötet.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Eben! Sie sagen es!)

Was passiert eigentlich, wenn wir diesen friedenssichernden Einsatz der Vereinten Nationen MINUSMA beenden? Was passiert in Mali? Was wäre im Jemen mit einem Mandat der Vereinten Nationen möglich? Wir wissen doch, in welch einer unglaublich katastrophalen Lage die Menschen dort sind.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Am besten wäre es, Saudi-Arabien keine Waffen zu schicken!)

Ich finde Ihre Unterstellung gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten respektlos. Das möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Wichtig ist, dass wir eine Parlamentsarmee haben und dass jeder Einsatz hier ausführlich besprochen und beschlossen wird.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Von wegen Linksruck der SPD! Der Linksruck der SPD ist damit beendet! – Gegenruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Man darf doch Wahrheiten aussprechen!)

Zum Schluss möchte ich noch einmal den allerersten Friedensnobelpreisträger und Gründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zitieren.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wo ist denn hier die neue Zeit der SPD? – Gegenruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ist die neue Zeit, nicht die falsche Zeit!)

Henry Dunant hat einst gesagt:

Ich finde, was er hier beschreibt, ist im Grunde eine gute Benennung dessen, was Frieden ausmacht, und diesem kommen wir sicher durch ein aktives und beharrliches Bemühen um Hilfe und Kooperation schneller näher.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist für die FDP-Fraktion der Kollege Peter Heidt.

(Beifall bei der FDP – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Jetzt mach mal den Hessen keine Schande!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7407554
Wahlperiode 19
Sitzung 135
Tagesordnungspunkt Menschenrecht auf Frieden
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