Bettina Stark-WatzingerFDP - Aktuelle Stunde zum Kurs der großen Koalition in der Haushalts- und Finanzpolitik
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die letzten Wochen haben es gezeigt: Ob Grundrente oder die schwarze Null, diese Koalition ist eine Koalition der Sollbruchstellen. Auch nach den Parteitagen geht die Unsicherheit über den Kurs in der Finanz- und Haushaltspolitik weiter. Das schadet dem Vertrauen der Menschen in die Politik in diesem Land nachhaltig.
(Beifall bei der FDP)
Laut einer Studie von Allensbach haben zwei Drittel der Bürger den Eindruck von Führungs- und der Planlosigkeit – das sind nicht meine Worte – bei der Regierung. Diese Menschen erwarten Antworten. Sie fragen sich, ob wir eigentlich in diesem Land noch die richtigen Debatten führen.
(Christian Haase [CDU/CSU]: Besonders die ist vollkommen überflüssig!)
Sie fragen sich, ob die Regierung noch in der Lage ist, die Themen „Digitalisierung“, „demografischer Wandel“ und „notwendige Infrastruktur“ zu bewältigen. Und sie fragen sich, wie sie finanziell vorankommen können in unserem Land.
In dieser Koalition geht es nämlich nur um zwei Personenkreise: um die ganz Armen – die Großmutter, die keine Rente hat – und um die Reichen, die im Liegestuhl liegen und denen das Geld vom Laufband hinterherfließt. Die Mitte der Gesellschaft kommt darin nicht vor. Aber das ist nicht die Realität, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Statt diesen Menschen und Unternehmen die Sorge um die Zukunft zu nehmen, statt die Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Aufschwung und den Aufbau von Eigentum zu schaffen, belasten wir sie weiter: vollständiger Abbau des Solidaritätszuschlags – Fehlanzeige, Abbau des Mittelstandsbauchs in der Einkommensteuer – Fehlanzeige, und ich rede hier noch nicht einmal von Fördern. Geht der Großen Koalition das Geld aus, müssen es die Vermögensteuer und die Finanztransaktionsteuer richten.
In Deutschland sind über 90 Prozent der Unternehmen mittelständische Unternehmen; sie stellen über 50 Prozent der Arbeitsplätze. Eine Vermögensteuer, wie die SPD sie ins Schaufenster stellt, belastet diese Unternehmen und gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland.
(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Leni Breymaier [SPD])
Die Finanztransaktionsteuer wird in der jetzigen Form gerade die Produkte ausnehmen, die für die Finanzkrise verantwortlich gemacht werden. Es geht also nicht um Finanzstabilität; es geht um Einnahmeerzielung.
(Beifall bei der FDP)
Wir werden über die Belastungswirkung noch viel streiten. Klar ist aber: Zahlen müssen es in Zukunft die ganz normalen Sparer, die nicht auf Derivate ausweichen können. Sie belasten das am meisten regulierte Wertpapier. Glauben Sie mir, das können Sie draußen niemandem erklären.
(Beifall bei der FDP)
Liebe Kollegen von der Union, auch wenn Sie uns immer wieder sagen, dass Sie eine andere Finanzpolitik wollen, bleiben Sie ein Ankündigungsweltmeister. Sie stellen täglich ein neues hübsches Kleid ins Schaufenster; aber wenn ich in den Laden gehe, gibt es dort nur die Ware vom letzten Jahr. Das schwächt das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierung.
(Beifall bei der FDP)
Setzen wir mehr Energie in das, was uns stark macht! Wenn wir in Zukunft die produktivsten Arbeitsplätze haben wollen, brauchen wir eine Modernisierung der Unternehmensteuer. Wir müssen den Standort Deutschland für private Investitionen, insbesondere Zukunftstechnologien, attraktiver machen. Wenn wir die Spreizung der Vermögen in unserem Land abbauen wollen, das Aufstiegsversprechen wahrmachen wollen, dann brauchen wir Mitarbeiterkapitalbeteiligung und private Altersvorsorge, auch mit Aktien. Hier muss endlich etwas geschehen.
(Beifall bei der FDP)
Ein letzter Punkt. Von maroder Infrastruktur und Vernachlässigung von Zukunftsinvestitionen war im Leitantrag der SPD die Rede. Bemerkenswert ist nicht der Befund. Bemerkenswert ist, dass die SPD sich selber ein so schlechtes Zeugnis ausstellt. In den letzten 21 Jahren haben Sie 17 Jahre lang im Bund regiert,
(Leni Breymaier [SPD]: Super, gell?)
10 davon gemeinsam mit der Union – eigentlich genug Zeit, um sich um marode Infrastruktur zu kümmern.
(Beifall bei der FDP)
Wir können jetzt über die Sinnhaftigkeit der schwarzen Null viele makroökonomische Bücher füllen, meine Damen und Herren. Aber darum geht es gar nicht. Es geht eigentlich um einen Deckmantel dafür, dass Sie es in den letzten Jahren nicht geschafft haben, diese Investitionen zu tätigen. Sie wollen von Ihrem eigenen Versagen ablenken; denn das Geld für Investitionen ist da; es fließt nicht ab. Wir fesseln uns selbst mit einem komplizierten Planungsrecht und zu vielen bürokratischen Vorgaben. Hier müssen wir Mut zu Reformen haben. Führen wir endlich mal die richtigen Diskussionen in diesem Land!
(Beifall bei der FDP)
Wir können es uns nicht leisten, weitere zwei Jahre mit der Auseinandersetzung der Koalitionäre zu verbringen. Die Menschen draußen erwarten Antworten.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Genau!)
Sie wollen eine klare Strategie für den Vermögensaufbau, für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen und für eine Erneuerung des Aufstiegsversprechens.
Liebe SPD, liebe CDU/CSU, Sie können heute damit anfangen. Ich freue mich auf die Debatte.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin Stark-Watzinger. – Als nächster Redner hat für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Christian Haase das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7407560 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 135 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zum Kurs der großen Koalition in der Haushalts- und Finanzpolitik |