Lothar BindingSPD - Aktuelle Stunde zum Kurs der großen Koalition in der Haushalts- und Finanzpolitik
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer eben genau aufgepasst hat, hat gemerkt, dass Herr Glaser für mehr Zuwanderung plädiert hat.
(Zuruf von der AfD: Die richtige Zuwanderung!)
Das ist ja mal eine neue Erkenntnis für den rechten Rand in diesem Hause; das ist sehr gut.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich wollte etwas zu Anja Hajduk sagen: Es gibt Zeiten, in denen ist es gut, an der schwarzen Null, an einem ausgeglichenen Haushalt festzuhalten, und es gibt Zeiten, da ist das schlecht. Man muss immer schauen, in welchen Zeiten etwas gut ist.
(Otto Fricke [FDP]: Aber solange die SPD dran ist, gibt es doch keine schlechten Zeiten, oder?)
Von daher ist es grundsätzlich falsch, an Dogmen festzuhalten. Weder ein ausgeglichener Haushalt noch eine schwarze Null dürfen ein Dogma sein.
Ich will ein bisschen auf die Einnahmeseite eingehen. Der Haushalt ist ja sehr dick; dabei ist die Einnahmeseite, die Steuern, allerdings nur sehr dünn. Aber wenn ich jetzt nicht zur Einnahmeseite, sondern zu den Ausgaben rede, dann hat Andreas Schwarz – er ist ja Haushälter – nachher nichts mehr zu sagen.
(Otto Fricke [FDP]: Der hat immer was zu sagen!)
Wer hätte sich eigentlich vorstellen können, dass wir nach der Bankenkrise 2007/2008 ein so gutes Wirtschaftswachstum haben, wer hätte das gedacht? Das lag an unserer Art, die Bankenkrise zu regulieren bzw. die Banken zu retten, auch am Kurzarbeitergeld, eine Erfindung von Olaf Scholz; das war ganz essenziell. Alles Beispiele für eine gute Regulierung. Hinter uns liegen fast zehn Jahre Wachstumsphase. Da muss man sagen: Das ist schon ein exzellentes Ergebnis nach einer solchen Zeit der Krise.
Jetzt will ich nicht sagen: Das Wachstum lag nur daran, dass die FDP vier Jahre nicht dabei war.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Otto Fricke [FDP]:Das ist aber nett; danke schön!)
Nein, ich glaube, der Hauptgrund sind die Leistungsträger.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Wir haben gearbeitet! – Otto Fricke [FDP]: Die FDP-Leute haben gearbeitet!)
Ich nenne mal welche: die Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerinnen, die Werte schaffen, also zum Beispiel auf Baustellen arbeiten, zum Beispiel im Büro, in der Logistik, die irgendwo auf dem Bock sitzen, Leute, die in der Fabrik arbeiten, Leute, die sich in einem Konzern engagieren, im Handwerk, auch im Krankenhaus, in der Bildung, auch in der Kultur. All das sind die Leistungsträger.
(Otto Fricke [FDP]: In der Versicherung! In Banken!)
– Auch in der Versicherung und bei Banken. Überall sind Leistungsträger.
Die Kollegin Stark-Watzinger hat jetzt gesagt: Die Mitte kommt nicht vor.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ja!)
Jetzt muss ich tatsächlich vom Parteitag ein Zitat bringen.
(Der Redner klappt einen roten Zollstock auf)
Wenn die Skala des Zollstocks die Einkommensverteilung in Deutschland darstellt, dann sind am Anfang der Skala die ärmsten 10 Prozent, dann folgen die zweitärmsten 10 Prozent, dann die drittärmsten usw., und am Ende der Skala sind die reichsten 10 Prozent. Jetzt will ich sagen, wo für die SPD-Politik ungefähr die Mitte sein könnte. Wir haben die Vorstellung, dass die Mitte ungefähr in der Mitte der Skala des Zollstocks, den ich da jetzt eingeknickt habe, liegt – vielleicht auch ein bisschen oberhalb oder unterhalb, wir sind da nicht so genau –, also ungefähr da, wo unten der Knick ist, ist die Mitte.
(Otto Fricke [FDP]: Also, für Sie ist die Mitte unten?)
Jetzt haben wir von Herrn Dürr von der FDP gehört, als er zum Soli vorgetragen hat: Der Soli, den ja nur noch die obersten 10 Prozent weiter zahlen müssen,
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Und die Sparer! Und der Mittelstand!)
würde den Mittelstand belasten. Das heißt, der Mittelstand liegt für die FDP ungefähr am oberen Ende der Skala des Zollstocks, da, wo ich jetzt das letzte Glied des Zollstocks abgeknickt habe.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nach unserer Vorstellung ist das nicht die Mitte der Gesellschaft, für uns ist die Mitte der Gesellschaft ungefähr in der Mitte des Zollstocks. Deshalb haben wir mitunter Verständigungsschwierigkeiten.
(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])
– Otto, so viel Abstraktionsvermögen hast du, dass die Mitte nicht nur die Spitze des Knicks darstellt.
Herr Kollege Binding, wir haben ein Problem, weil die Stenografen irgendwie nicht protokollieren können, was Sie hier an dem Zollstock aufzeigen.
Die machen das super.
Die sind völlig verzweifelt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Sie haben recht. Aber besondere Qualifikationen qualifizieren für besondere Aufgaben; das ist wunderbar.
Diese Werte werden von denen geschaffen, die ich eben mit der Mitte bezeichnete und anhand des geknickten Zollstocks symbolisch darstellte. Die am oberen Ende der Skala schaffen natürlich auch Werte. Alle Leute, die sich engagieren, schaffen Werte. Aber die Mitte ist jedenfalls die Basis dafür, dass wir Wachstum haben.
Jetzt ist die Frage: Was von diesen Werten behalte ich für mich privat, und was gebe ich an die Gemeinschaft ab? Ich bin jedenfalls den Leuten, die der Gemeinschaft etwas abgeben, unendlich dankbar; denn sie verzichten sozusagen auf die individuelle Möglichkeit, sich zu entfalten. Und die entsprechende Abgabe, die sie leisten, heißt Steuer – einmal abgesehen vom Ehrenamt und von bürgerschaftlichem Engagement, was genauso wichtig ist. Wir wissen, dass wir sehr hohe Steuereinnahmen haben. Ist das nicht toll? Trotz dieser hohen Steuereinnahmen in den letzten zehn Jahren haben wir ein exzellentes Wirtschaftswachstum, den meisten Leuten geht es gut. Deshalb kümmern wir uns mehr um die Leute, denen es nicht gut geht. Diejenigen, denen es gut geht, können sich selber helfen.
Mit diesen Steuern haben wir etwas Exzellentes gemacht – Bernhard Daldrup hat ein paar Sachen aufgezählt –: Wir haben zum Beispiel das Kindergeld angehoben. Das ist sehr gut für den Wirtschaftskreislauf; denn jeder weiß, das schafft Binnennachfrage. Das ist eine kluge Sache für die Wirtschaft. Dann wollen wir den Soli abschaffen für 90 Prozent der Menschen. Die Idee dabei ist, Nachfrage in der Zukunft, in den nächsten Jahren zu erzeugen.
Wir haben die Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau geschaffen,
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Für zwei Jahre!)
damit Mietwohnungen gebaut werden – aber so maßvoll, dass es die Wirtschaft schaffen kann. Wir haben die Istversteuerung verbessert. Wir haben den Klimaschutz gefördert. Wir haben Elektrofahrzeuge gefördert. Wir haben das Jobticket steuerfrei gestellt. Das jüngste Klimaprogramm ist angelegt auf zehn Jahre, also durchaus ein großer Schritt. Wer übrigens sagt, 43 Milliarden Euro für Investitionen seien nicht viel: Auf die Jahre gerechnet ist das eine halbe Billion. Bahnfahren wird billiger, Fliegen wird teurer.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum streitet ihr euch dann in der SPD ständig, wenn alles so toll ist?)
Das ist ein ökologisches Gesamtkonzept. Ich glaube, Fridays for Future könnte zufrieden damit sein, wie wir mit den Steuern umgehen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Deshalb ist ein ausgeglichener Haushalt zur rechten Zeit das richtige Instrument.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächster Redner für die FDP-Fraktion ist der Kollege Otto Fricke.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7407745 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 135 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zum Kurs der großen Koalition in der Haushalts- und Finanzpolitik |