Thomas SattelbergerFDP - Deutsch als Wissenschaftssprache
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die deutsche Sprache ist eine wichtige Grundlage unseres Nationalstaats für Integration, Bindung und Teilhabe in der Gesellschaft. Wer über Goethe, Bettina von Arnim, Beethoven und Bach forschen will, muss Deutsch können. Doch diese Beispiele kommen aus einer Zeit, in der Deutsch Wissenschaftssprache war – wie zuvor Latein und davor Griechisch. Später war die deutsche Sprache beinahe ein Jahrhundert lang eine der drei Wissenschaftssprachen neben Englisch und Französisch. Nach 1945 setzte sich endgültig Englisch durch.
Dass die AfD jetzt zwei Weltkriege für eine Diskreditierung der deutschen Sprache verantwortlich macht, das ist eine infame Verdrehung der Realität.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deutschland hat sein intellektuelles Ausbluten selbst betrieben. Es war die nationalsozialistische Diktatur, die die deutsch-jüdische Intelligenz ermordet und vertrieben hat.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Noch in den 1930er-Jahren erhielten deutsche Forscher die meisten Auszeichnungen. Bereits Anfang der 1940er-Jahre begann die lange Siegesserie von in den USA lebenden Nobelpreisträgern, viele davon geflüchtete Deutsche.
Heute sind die Adressaten naturwissenschaftlicher Publikationen zu über 90 Prozent Nichtdeutsche. Autorenteams sind international zusammengesetzt. Zitationen, Vorträge und Veröffentlichungen, wichtige Währungen internationaler Wissenschaft, sind auf Englisch formuliert. Internationale Wissenschaftler bewegen sich souverän in zwar deutschen, aber englischsprachigen Communities. Hier geht es, meine Damen und Herren, nicht um literarische Schönheit, Tradition und Kultur, sondern sehr einfach um eine Fachsprache im Wissenschaftsbetrieb; da hilft auch keine romantische Verklärung.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Eine Debatte darüber führt in die Abschottung. Deshalb sind moderne Wissenschaftler zur Mehrsprachigkeit aufgerufen. Die globale Wissenschaftssprache Englisch, der sich selbst Russen und Chinesen beugen, ist Conditio sine qua non. Doch Forschung muss auch und gerade nationale Sprachbrücken bauen. Deutsche Forscher müssen wissenschaftliche Erkenntnisse in deutscher Sprache allgemeinverständlich bekannt machen, für die Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit und Bevölkerung.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Dies kann aber nicht heißen, dass wir die deutsche Wissenschaftssprache nun subventionieren. Wir brauchen wieder die brillanten Nobelpreisträger hierzulande. Die gewinnen wir nur durch exzellente Forschungswelten, nicht durch sprachliche und nationalistische Einengung.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ihr Antrag, Sie angebliche Alternative, ist eine Farce, die wir mit breiter polyglotter Brust ablehnen.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat Dr. Ernst Dieter Rossmann für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7409064 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 137 |
Tagesordnungspunkt | Deutsch als Wissenschaftssprache |