Mathias SteinSPD - Verkehrsinfrastruktur
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Als die ersten Berichte über den Entwurf des Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetzes in der Presse auftauchten, war ich sehr erstaunt über die öffentlichen Reaktionen darauf. Die einen glaubten, dass gleich nach dem Beschluss dieses Gesetzes die Bagger anrollen und mit dem Bau fleißig begonnen wird. Die anderen befürchteten, dass wir Bürgerrechte beschneiden und die Bürger vor Ort nicht mehr anhören würden. Es schimmerte auch das Wort „Verfassungsbruch“ durch. All diese Befürchtungen treffen nicht zu. Wir können getrost sagen, dass das Irrläufer sind. Mit dem Gesetz werden weder gleich die Bagger rollen noch wird die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern eingeschränkt.
Wir haben hier jetzt die erste Lesung des Entwurfs der Bundesregierung. Es werden weitere Verhandlungen folgen. Der Bundesrat hat dazu schon getagt. Wir werden Anhörungen und Beratungen in den Ausschüssen haben. Und es ist auch kein Geheimnis, dass Gesetze, die hier in den Deutschen Bundestag eingebracht werden, auch noch verändert werden.
(Kirsten Lühmann [SPD]: Das ist gut so!)
Der Gesetzentwurf ist auch nur ein kleiner Teil einer Gesamtstrategie zur Planungsbeschleunigung. Wir als Koalition packen hier umfassend an. Wir sorgen dafür, dass deutlich mehr Personal bei den Behörden und auch bei der Bahn beschäftigt wird. Wir durchbrechen damit den konservativ-liberalen Irrweg, gedacht zu haben, durch Stellenabbau könne der Staat schlanker und flexibler werden.
(Beifall bei der SPD)
Wir steigern die Investitionen für Schiene, Wasserstraße und Straße. Allein im beschlossenen Haushalt sind 17,8 Milliarden Euro für Baumaßnahmen vorgesehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir reformieren Stück für Stück das Planungsrecht, und zwar mit Augenmaß. Mit dem ersten Planungsbeschleunigungsgesetz aus dem letzten Jahr ermöglichen wir bereits jetzt vorbereitende Maßnahmen und Plangenehmigungen statt Planfeststellungsverfahren. Unser Ziel ist und bleibt eine schnelle Umsetzung mit und nicht gegen eine stärkere Bürgerbeteiligung.
(Beifall bei der SPD)
Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, für fünf Pilotprojekte Baurecht durch ein Maßnahmengesetz zu erproben. Dänemark ist hierfür die Blaupause. Dänemark plant und baut wesentlich schneller und im Konsens; dort gibt es eine enorme Akzeptanz gegenüber Verkehrsprojekten in der Bevölkerung.
Das dänische Erfolgsmodell basiert auf einer sehr frühen und sehr pragmatischen Konfliktbeilegung. Statt nach dem Planfeststellungsbeschluss Differenzen vor Gericht auszutragen wie bei uns, sucht man bereits vor Beginn der Maßnahme auf Augenhöhe zu verhandeln, mit mehr Dialog und mehr Debatte. Das sorgt dann für eine höhere Akzeptanz.
Wir wollen über die Modellprojekte untersuchen, ob die Maßnahmengesetze auch bei uns tatsächlich schneller und stärker akzeptiert werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass das Planfeststellungsverfahren weitgehend unverändert bleibt. An die Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses tritt allerdings ein konkretes Maßnahmengesetz des Deutschen Bundestages.
Dadurch verändern sich zwei Dinge. Erstens. Ein solches Gesetz kann nur vor dem Bundesverfassungsgericht beklagt werden. Wenn wir es aber so wie in Dänemark wollen, dann wollen wir gar nicht, dass jemand vor dem Verfassungsgericht klagt.
Deswegen ist der zweite Aspekt besonders wichtig. Anders als die Planfeststellungsverwaltung kann der Deutsche Bundestag zusätzliche Maßnahmen beschließen, die für die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger sorgen. Das ist der eigentliche Kernpunkt des Gesetzes. Der Bundestag kann also beispielsweise zusätzlichen Lärmschutz oder bessere Umwelt- und Naturschutzstandards beschließen. All dies kann man in dem vorgelagerten verpflichtenden Bürgerbeteiligungsverfahren absprechen.
(Beifall bei der SPD)
Nun hat das Verkehrsministerium eine sehr agile und kampagnenstarke Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. Aber dieser wichtige Aspekt, die Maßnahmen für mehr Akzeptanz, ist bei der bisherigen Kommunikation leider komplett unter den Tisch gefallen. Das Ministerium hat leider so getan, als sei dieses Gesetz eher ein Bürgerbeteiligungsverhinderungsgesetz. Das ist es nicht; das müssen wir deutlich sagen. Das würde meine Fraktion auch so nicht mitmachen.
Wir wollen kein Bürgerbeteiligungsverhinderungsgesetz, sondern wir wollen ein Gesetz mit der Zielsetzung: gemeinsam schneller bauen.
(Beifall bei der SPD)
Dieses Gesetz kann aus fachlicher Sicht noch nicht mit dem dänischen Vorbild mithalten. Wir werden im parlamentarischen Verfahren noch einige Stellschrauben drehen müssen, um es besser zu machen. Gut gemachte Maßnahmengesetze können für mehr Akzeptanz und mehr Tempo sorgen. Die Chance, dies auszutesten, sollten wir nicht ungenutzt lassen. Wenn es uns gelingt, dem dänischen Vorbild nahezukommen, dann werden wir in sechs Jahren feststellen, dass wir einiges geleistet haben. Das ist die Evaluierung, die wir am Ende machen wollen.
Sie sehen also: Dieses Vorhaben ist ein kleiner Baustein bei einer schnelleren Realisierung von Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen. Wir laden alle diejenigen, die auf den Bäumen sitzen und „Verfassungsbruch!“ rufen, und auch diejenigen, die schon die Bagger warmlaufen lassen, herzlich zur Diskussion über Planungsbeschleunigung ein. Dann wird es uns gelingen, viele Infrastrukturprojekte, die so dringend notwendig sind, auf die Schiene, auf die Wasserstraße und auch auf die Straße zu bringen.
Ich wünsche Ihnen allen ein frohes Fest und einen guten Rutsch, wie man in Norddeutschland sagt, ins Jahr 2020.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Danke. – Der nächste Redner ist der Abgeordnete Torsten Herbst für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7409075 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 137 |
Tagesordnungspunkt | Verkehrsinfrastruktur |