Detlef SeifCDU/CSU - Wohnungsnot und Obdachlosigkeit
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bei dem Wohnungsmarkt oder, besser gesagt, den Wohnungsmärkten gibt es große, ganz große, regionale Unterschiede. Während in wachsenden Städten und Regionen eine hohe Nachfrage besteht, die Preise durch die Decke gehen und bezahlbares Wohnen Mangelware ist, haben andere Städte, auch viele ländlich gelegene Regionen, einen Bevölkerungsrückgang hinzunehmen, verbunden mit Wohnungsleerständen und stagnierenden Mieten.
Die Gründe für die regional bestehende Knappheit von bezahlbarem Wohnraum sind vielschichtig. Es gibt aber einen Trend zu Single- und Zweipersonenhaushalten. Die Studentenzahlen bewegen sich seit Jahren auf einem hohen Niveau, und jeder Student braucht Wohnraum. Die Niedrigzinsphase führt dazu, dass Wohnungen zunehmend Spekulationsobjekt werden und Investitionen getätigt werden, mit der Folge, dass der Markt heißläuft, dass hier eine Übernachfrage besteht, natürlich verbunden mit massiver Preiserhöhung für Wohnraum und Bautätigkeit.
Wenn es nach der AfD geht, ist der Schuldige dafür schnell gefunden:
(Marc Bernhard [AfD]: Die Regierung!)
Dies sei fast ausschließlich durch direkte Zuwanderung aus dem Ausland entstanden. Die Sache ist für Sie noch einfacher, ja: Die Bundesregierung schützt die Grenzen nicht, und es gibt immer noch keine Asylzentren in Afrika.
(Enrico Komning [AfD]: Richtig!)
Aha! Schuld sind also die Menschen, die zu uns kommen und einen Asylantrag stellen.
(Enrico Komning [AfD]: Nein! Die Politik ist schuld, nicht die Migranten! Nicht die Migranten sind schuld, sondern Sie sind schuld!)
Dabei verschweigt der AfD-Antrag gleich mehrere wichtige Punkte. Der hohe Druck entsteht nämlich zunächst durch ein hohes Maß an Binnenmigration. Es gibt eine Binnenwanderung von ländlichen Bereichen, von der Peripherie in die Ballungszentren.
(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Was den Wanderungsüberschuss vom Ausland nach Deutschland angeht, verschweigen Sie zudem, dass die Hälfte der Menschen aus den anderen EU-Mitgliedstaaten zu uns kommt. Niemand in diesem Hause – na ja, bei Ihnen bin ich mir nicht so sicher – käme auf die Idee, deshalb die EU-Mitgliedschaft zu kündigen und den Binnenmarkt aufzulösen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marc Bernhard [AfD]: Wo steht denn das in dem Antrag?)
Im Jahr 2015 und 2016 bestand in der Tat eine Ausnahmesituation. 745 000 Menschen haben einen Erstasylantrag gestellt. Seitdem sind die Zahlen deutlich zurückgegangen. In diesem Jahr sind es voraussichtlich 145 000. Das ist ein gutes Ergebnis.
(Marc Bernhard [AfD]: Was ist denn mit dem Familiennachzug?)
Deutschland hat hier eindeutig seine Hausaufgaben gemacht.
(Lachen des Abg. Jan Ralf Nolte [AfD])
Aber jetzt ist die EU am Zuge. Wir brauchen ein gemeinsames europäisches Asylsystem, das funktioniert.
(Enrico Komning [AfD]: Das kriegen Sie doch nicht hin! – Karsten Hilse [AfD]: Das macht doch niemand mit!)
Die Idee einer verbindlichen Vorprüfung an den EU-Außengrenzen ist sehr gut und sollte verfolgt werden.
2015/2016 herrschten teils katastrophale Zustände; das ist uns allen noch bekannt. Wir sind teilweise über die Belastungsgrenze hinausgegangen. Aber jetzt haben wir eine ganz andere positive Entwicklung.
(Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau! Total!)
Zum jetzigen Zeitpunkt zu sagen: „Wir brauchen hier eine Steuerung“,
(Enrico Komning [AfD]: Wir brauchen? Wir wollen!)
ist nur populistisch.
Meine Damen und Herren, es ist schon gesagt worden, aber ich sage es noch mal deutlicher: Ich finde es schäbig, dass Sie hier Menschen gegeneinander ausspielen,
(Marc Bernhard [AfD]: Genau das machen Sie doch gerade!)
die in schwierigen Situationen sind und bezahlbaren Wohnraum suchen. Schäbig, schäbig, schäbig!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ein Wort an Frau Lay: Frau Lay, es wurden – das haben Sie richtig dargestellt – Fehler gemacht; der soziale Wohnungsbau wurde nicht ausreichend gefördert. Aber im Land Berlin, wo, wenn ich mich richtig erinnere, über zehn Jahre kein sozialer Wohnungsbau stattgefunden hat und wo über 320 000 Wohnungen privatisiert wurden, waren doch nun mal die Linken in der Regierung, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Sie hatten zuvor die Kassen geplündert!)
Der AfD-Antrag – jetzt kehre ich zu Ihnen zurück – ist jedenfalls handwerklich mehrfach fehlerhaft.
(Enrico Komning [AfD]: Ah!)
Sie verkennen, dass nach § 47 Asylgesetz im Regelfall die Asylbewerber verpflichtet sind, bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. In Nordrhein-Westfalen – als Beispiel – bedeutet das, dass der Aufenthalt in einer zentralen Unterbringungseinrichtung vorgeschrieben ist, bis zu 24 Monate. Eine Verteilung von Asylbewerbern findet nach dem Gesetz überhaupt nicht statt.
(Karsten Hilse [AfD]: Nach dem Gesetz? Sie brechen das Gesetz doch ständig!)
Wenn das in einem Bundesland anders sein sollte, dann wenden Sie sich bitte an die jeweiligen Landesregierungen; sie haben das Bundesgesetz umzusetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Karsten Hilse [AfD]: So was Blödes!)
Die AfD will bei der Einschränkung der Verteilung aus wohnungspolitischen Gründen § 12a des Aufenthaltsgesetzes entsprechend anwenden. Auch hier verkennen Sie, dass sich die Vorschrift auf die Verteilung der Menschen bezieht, deren Asylanspruch bereits anerkannt ist oder die einen Duldungsanspruch haben. Das hat nichts mit Asylbewerbern zu tun. Das ist inhaltlich-fachlich fehlerhaft und falsch und handwerklich nicht ordnungsgemäß aufbereitet.
Meine Damen und Herren, der AfD-Antrag – wie soll ich es sagen? – ist aus diesem Grund bar jeder Kenntnis und hingeschissen.
(Karsten Hilse [AfD]: Haben Sie gerade „hingeschissen“ gesagt?)
Aber mit Exkrementen, insbesondere mit Vogelschiss, kennen Sie sich ja bestens aus.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Also, Herr Präsident, „hingeschissen“ geht ja wohl nicht! Was sind das für Fäkalbegriffe hier?)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist unsere letzte Sitzung vor Weihnachten. – Jetzt hat der Kollege Udo Hemmelgarn, AfD, das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7409149 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 138 |
Tagesordnungspunkt | Wohnungsnot und Obdachlosigkeit |