20.12.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 138 / Tagesordnungspunkt 22

Karsten MöringCDU/CSU - Wohnungsnot und Obdachlosigkeit

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Wohnungsknappheit, Mietenbremse“ hatten wir ja eigentlich gestern. Ich frage mich, warum die AfD die Gelegenheit nicht genutzt hat, ihre Anträge mit diesem Tagesordnungspunkt zu verbinden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, die Antwort ist einfach: Sie wollten unbedingt noch einmal dieses Thema aufwerfen, um Ihre Hauptbotschaft loszuwerden: Die Flüchtlinge sind schuld an allem Elend.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Leif-Erik Holm [AfD]: Erzählen Sie doch nicht so einen Käse!)

Die Flüchtlinge sind schuld.

(Leif-Erik Holm [AfD]: Sie sind schuld! Ihre Politik ist schuld! Sie sind schuld, dass ungleich behandelt wird!)

– Ja. Gut, gut, gut. – Die Flüchtlinge sind schuld. Sie ignorieren dabei, dass wir eine erhebliche Zuwanderung in unseren Arbeitsmarkt haben, eine Zuwanderung, die wir wollen und die wir brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jan Ralf Nolte [AfD]: Wir haben eine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme! Und die CDU ist schuld daran!)

Sie ignorieren dabei, dass wir ein erhebliches Maß an Binnenwanderung haben, aus ländlichen Räumen in die Städte, und damit eine zusätzliche Nachfrage generiert wird.

(Zuruf des Abg. Marc Bernhard [AfD])

Wir schreiben den Menschen doch nicht vor, wo sie leben müssen. Wir wollen ihnen Gelegenheit bieten, dort leben zu können, wo sie wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn es da Anpassungsprobleme gibt wie im Wohnungsbau, dann müssen wir, wie wir das gestern gemacht haben, darüber diskutieren, was wir machen, um das zu überbrücken, und was gemacht werden muss, um den Markt wieder auszugleichen. Das will ich hier jetzt nicht wiederholen. Das sind alles Gründe.

Aber „Die Flüchtlinge sind schuld“, das ist Ihre Hauptbotschaft.

(Enrico Komning [AfD]: Nein! Ihre Politik ist schuld! Nicht die Migranten!)

Und dann kommen Sie und argumentieren auch noch, die Kommunen seien überfordert.

(Marc Bernhard [AfD]: Natürlich sind sie das!)

Und an anderer Stelle sagen Sie dann im Zweifelsfall auch noch, eine Kommune kann die Schultoiletten nicht sanieren, weil die Flüchtlinge das ganze Geld, das für die Kommune ist, verbrauchen. Nehmen Sie doch mal zur Kenntnis, welche Hilfe der Bund den Kommunen leistet, um diese Überforderung nicht entstehen zu lassen.

(Marc Bernhard [AfD]: Die haben Sie doch gekürzt!)

Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz!

(Marc Bernhard [AfD]: Um 2 Milliarden Euro gekürzt!)

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir die Kosten der Unterkunft in erheblichem Umfang finanzieren,

(Marc Bernhard [AfD]: Sie haben die um 2 Milliarden Euro gekürzt!)

und nehmen Sie zur Kenntnis, dass von den nicht mit Wohnungen versorgten Menschen in unseren Kommunen 440 000 Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften leben, eben weil ihnen keine Wohnung zugewiesen worden ist.

(Leif-Erik Holm [AfD]: Das ist doch nicht die Realität, Herr Möring! Wann waren Sie denn das letzte Mal außerhalb dieses Bundestages?)

Und wenn Sie dann behaupten, dass es eine Privilegierung in Form von Zusatzmieten für Vermieter gibt, weil sie an einen Flüchtling vermieten, dann hätte ich dafür gerne mal den Beleg.

(Leif-Erik Holm [AfD]: Realitätsverweigerung ist das!)

Denn wenn ein Sozialamt die Kosten der Miete übernimmt, dann gibt es dafür Sätze, und die hängen nicht davon ab, wer dort einzieht, sondern die hängen davon ab, was es für eine Wohnung ist, wie groß sie ist und wie viel Platz eine Einzelperson, eine Familie oder ein Ehepaar braucht.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Marc Bernhard [AfD])

Erzählen Sie hier nicht solche Märchen.

Sie wollen, dass die Kommunen eine Art Notwehrrecht bekommen, um Aufnahmen abzulehnen.

(Marc Bernhard [AfD]: So wie der Städte- und Gemeindebund das auch will!)

Ich habe Ihnen gerade eben gesagt, warum die Kommunen das nicht brauchen. Und selbst wenn, beantworten Sie mal die Frage, wie Sie sich das denn vorstellen in der Praxis. Unser Staatsgebiet ist in lauter Kommunen aufgeteilt, und wenn Sie in der einen Kommune keine Menschen unterbringen, müssen die in eine andere Kommune. Dann sagen Sie der mal, dass sie diese Leistungen erbringen soll, weil eine andere Kommune das nicht kann,

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

und das vor dem Hintergrund, den ich eben dargestellt habe, dass der Bund in erheblichem Umfang Hilfen dafür bereitstellt. Der Bund zahlt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann kommen wir zu dem absurdesten Teil Ihrer Anträge, nämlich zu der Forderung nach der Änderung von Bauvorschriften und Energieeinsparverordnungen. Wir haben diese Regelungen in einer Situation getroffen, in der wir in kurzer Zeit eine große Zahl von Menschen unterbringen mussten, für die es nur Gemeinschaftsunterkünfte – um nicht zu sagen: Notunterkünfte – geben konnte.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: So ist es!)

Um die Plätze dafür zu schaffen, haben wir das Baurecht geändert und gesagt: Das geht auch in Gewerbegebieten. – Wir haben die Energieeinsparverordnung geändert, um sagen zu können: Da kann man auch wohnen. – Wissen Sie, wo die Leute damals gewohnt haben? Ich habe das bei mir im Wahlkreis erlebt. Wir haben in einem leerstehenden Baumarkt Kojen aufgebaut, ohne Decke, ohne Tür, nur mit einer kleinen Schleuse, wo die Menschen monatelang leben mussten. Das war die Art von Unterkunft, die wir durch diese Bauvorschriften ermöglicht haben. Dann kommen Sie und sagen, das sei ein Privileg

(Ulli Nissen [SPD]: Pfui!)

und so müsste mit den Wohnungslosen in Deutschland umgegangen werden. Das ist doch absurd.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen doch wohl nicht im Ernst eine solche Notlösung zur Dauerlösung für Wohnungslose in Deutschland machen. Das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Marc Bernhard [AfD]: Wieso verlängern Sie dann bis 2022?)

Damit ist völlig klar, dass das, was Sie uns vorgelegt haben, blanker Unsinn, blanker Populismus ist und nichts anderes zum Zweck hat, als Ihnen die Gelegenheit zu bieten, hier Ihre Botschaften von Hass, von Neid, von Ungleichbehandlung und die Botschaft, dass die Flüchtlinge schuld sind, unter die Leute zu bringen.

(Zuruf des Abg. Marc Bernhard [AfD])

Das machen wir nicht mit. Ich will gar nicht auf Weihnachten verweisen: Das ist zu jeder Jahreszeit gleich unsinnig, gleich unverschämt, spaltet unsere Gesellschaft und löst keine Probleme.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es ist nur dazu geeignet, Ihre Botschaften unter die Leute zu bringen. Diese Botschaften heißen: Wir wollen nicht zusammen sein, und wir wollen auch keine Probleme lösen. – Das machen wir nicht mit.

Dass wir Ihre Anträge ablehnen, muss ich gar nicht betonen. Das können wir mit all Ihren Anträgen machen; denn sie sind alle gleich: substanzlos oder Hassbotschaften. Wir können sie nicht teilen. Wir lehnen Ihre Anträge ab.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Klaus Mindrup für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7409163
Wahlperiode 19
Sitzung 138
Tagesordnungspunkt Wohnungsnot und Obdachlosigkeit
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