20.12.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 138 / Tagesordnungspunkt 23

Elisabeth KaiserSPD - Altschulden der Kommunen und Wohnungsunternehmen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eines der zentralen Ziele der Bundesregierung, ein gutes Leben in ganz Deutschland zu ermöglichen, und ob ich gut lebe, hängt maßgeblich davon ab, wo ich lebe.

Wenn es Gemeinden und Städten gut geht, dann spüren wir das; denn für diese Kommunen ist es überhaupt gar kein Problem, neben den Sozialkosten und den Kosten für den öffentlichen Nahverkehr, den Brandschutz und die Schulen noch Geld für die sogenannten freiwilligen Leistungen aufzubringen, wie Bibliotheken oder Jugendklubs. Bürgerinnen und Bürger, die in sogenannten strukturschwachen Regionen oder in Kommunen mit Finanznot leben, spüren das genauso. Dort stehen die freiwilligen Leistungen, wie Jugendklubs oder Freibäder, auf der Kippe.

Die Gründe für die unterschiedlichen Entwicklungen der Kommunen in Deutschland sind zahlreich. Fakt ist aber, dass Altschulden eine wesentliche Ursache sein können, warum Kommunen trotz strengen Haushaltens nicht auf die Füße kommen; Bernhard Daldrup hat das sehr gut beschrieben. Die Entschuldung von Kommunen mit hohen Kassenkrediten ist deshalb eine Maßnahme, um die Handlungsfähigkeit vor Ort sicherzustellen und gleichwertige Lebensverhältnisse im Sinne von gleichen Chancen auf ein gutes Leben zu ermöglichen.

Wenn wir aber von gleichwertigen Lebensverhältnissen sprechen, dann müssen wir auf ganz Deutschland schauen, und da fällt auf, dass die Situation in den neuen Bundesländern noch eine andere ist als in den alten Bundesländern. Altschulden sind auch dort ein Problem, allerdings weniger eines der Kommunen an sich als vielmehr eines der kommunalen Wohnungsgesellschaften und der Wohnungsgenossenschaften.

Ich beschäftige mich schon eine Weile mit dieser Altschuldenproblematik, und manche meinen, das sei eher ein marginales Problem und vielleicht nicht der Rede wert. Doch wer das glaubt, der irrt sich gewaltig.

(Beifall des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Denn nimmt man alle fünf neuen Bundesländer – ohne Berlin – zusammen, dann kommt man auf insgesamt über 4 Milliarden Euro Altschulden, die auf den kommunalen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften lasten. Diese Altschulden sind vor allem beim Übergang in die Bundesrepublik entstanden, als die mit den Krediten der DDR-Staatsbank belasteten Gebäude auf die heutigen kommunalen Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften übertragen wurden.

Mit dem Altschuldenhilfe-Gesetz von 1993 wurde die kommunale Wohnungswirtschaft zumindest teilweise von diesen Schulden entlastet. Auch das Städtebauförderprogramm „Stadtumbau Ost“ hat einen großen Beitrag dazu geleistet, leerstehende Wohnungen vom Markt zu nehmen und die kommunale Wohnungswirtschaft von laufenden Kosten zu entlasten, und auch das hat gewirkt. Aber es reichte eben noch nicht aus; denn in einigen Regionen hat der demografische Wandel, die Überalterung und der Wegzug von jungen Menschen eben nicht aufgehört, und die Wohnungsleerstände steigen somit weiter an. In der Folge steigen eben auch die Kosten bei ausbleibenden Mieteinnahmen.

Demgegenüber stehen allerdings wichtige Investitionen, zum Beispiel eben für die energetische Sanierung von Gebäuden. Investiert werden muss trotzdem; denn die Mieterinnen und Mieter erwarten natürlich auch attraktiven Wohnraum.

(Beifall bei der SPD)

Das alles führt am Ende zu einer finanziellen Schieflage der Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, die nach wie vor zu den wichtigsten Akteuren der Stadt- und Regionalentwicklung in vielen Orten Ostdeutschlands gehören. Durch die mitgeschleppte Altschuldenbelastung war und ist es jedoch vielfach kaum möglich, die Wohnungsbestände schneller attraktiv zu machen, also zum Beispiel mehr Fahrstühle einzubauen, Türschwellen zu entfernen oder den Zuschnitt von Plattenbauwohnungen so anzupassen, dass auch die Erfordernisse für altersgerechtes Wohnen erfüllt werden.

Es gilt also, zu handeln. Das haben wir bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, und wir haben auch schon einiges auf den Weg gebracht. Auch die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hat hier erneut Lösungen angemahnt. Deshalb hätte es jetzt nicht unbedingt den Antrag der Grünen gebraucht, aber ich finde es gut, dass die Opposition hier Handlungsbedarf erkennt.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Ihr Vorschlag reicht meiner Meinung nach noch nicht aus; denn ein Altschuldenfonds von 10 Millionen Euro ist einfach zu wenig. Das könnte ein Anfang sein. Aber fraglich ist: Wer soll nachhaltig davon profitieren? Das bleibt unklar. Für uns ist ein neues Altschuldenhilfe-Gesetz oder ein Altschuldenfonds keine Antwort auf die ostdeutsche Altschuldenproblematik.

(Beifall bei der SPD)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für eine ziel- und zukunftsorientierte Politik statt einer Politik des Tropfens auf den heißen Stein. Kommunale Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften wollen wir in die Lage versetzen, ihre Bestände zukunftsfähig und attraktiv zu machen. Wir glauben, da braucht es drei Bausteine.

Erstens. Ein Investitionsprogramm, durch das die von Altschulden betroffenen Wohnungsunternehmen und ‑genossenschaften Investitionshilfen erhalten, wenn sie energetisch modernisieren und ihre Bestände altersgerecht umbauen. Förderfähig könnten zum Beispiel Unternehmen und Genossenschaften in Regionen mit vergleichsweise sehr hohem Leerstand sein.

Der zweite Baustein liegt ganz klar in der Städtebauförderung. Hier braucht es ein passgenaues Instrument, das auch finanziell gut ausgestattet ist,

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

das genau die Probleme des demografischen Wandels und der Strukturschwäche adressiert und zum Beispiel auch ermöglicht, dass Teilabrisse in den Quartieren möglich sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aktuell sind wir in der Koalition dabei, die Städtebauförderung grundlegend zu reformieren. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, den Fördersatz für Rückbaumaßnahmen im künftigen Programm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ zugunsten der neuen Länder auszugestalten. Wichtig war auch, dass der Bund die Förderhöchstgrenze beim Abriss von 70 Euro pro Quadratmeter auf insgesamt 110 Euro anhebt und so eben auch auf die spürbaren Kostensteigerungen eingeht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der dritte Baustein liegt in der langfristigen Stärkung der kommunalen Wohnungswirtschaft und der Wohnungsgenossenschaften, zum Beispiel durch gezielte Anreize sowohl für die Neugründung als auch für die Beteiligung von bestehenden Genossenschaften. Auch hier hat die SPD Maßnahmen vorgelegt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Viele Punkte aus Ihren Anträgen sind bereits in der Umsetzung, oder wir arbeiten daran. Deshalb werden wir heute die vorliegenden Anträge ablehnen. Wir freuen uns aber über die Unterstützung, das gemeinsame Ziel zu erreichen, nämlich gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu schaffen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein wunderbares Weihnachtsfest und alles Gute fürs neue Jahr.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort hat Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7409746
Wahlperiode 19
Sitzung 138
Tagesordnungspunkt Altschulden der Kommunen und Wohnungsunternehmen
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