15.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 139 / Zusatzpunkt 1

Alexander Graf LambsdorffFDP - Aktuelle Lage im Nahen und Mittleren Osten

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Sehr geehrter Herr Präsident, ich danke für die Promotion ehrenhalber, muss sie aber zurückweisen. Das ist gefährlich in der Politik. Ich habe keinen Doktortitel erworben. Ich habe nicht promoviert, habe das auch nicht vor. – Ich wollte das nur ganz kurz fürs Protokoll festgehalten haben.

Meine Damen und Herren! Wir haben gerade eine Rede des Bundesaußenministers gehört. Wenn man ihm zugehört hat: Es war viel Richtiges in dem, was er gesagt hat.

Ich finde aber, wenn man seine drei Punkte mal auseinandernimmt – die akute Krise, den Erhalt des Atomabkommens und die Einheit des Irak –, interessanter, was der Bundesaußenminister hier nicht gesagt hat. Er hat nicht gesagt, welche Schritte denn die europäischen Außenminister beschlossen haben, was jetzt von der Europäischen Union getan werden soll. Er hat auch nicht gesagt, wie der Iran im Nuklearabkommen gehalten werden soll. Und er hat vor allen Dingen nicht gesagt, wie der Kampf gegen den IS fortgesetzt werden soll, über den er richtigerweise sagt, das müsse konsequent geschehen.

Lassen Sie uns die Punkte durchgehen. Am Anfang hieß es: Es hat ein paar Provokationen des Iran gegeben, und dann hatten wir die Krise. – Nein, meine Damen und Herren, es sind mehr als ein paar Provokationen, mit denen uns der Iran seit vielen, vielen Jahren konfrontiert. Der Iran ist eines der schlimmsten Terrorregime der Welt. Wir sehen es jetzt gerade wieder bei den Demonstrantinnen und Demonstranten, deren Mut man nur bewundern kann. Dass sich in diesem Land noch Menschen trauen, auf die Straße zu gehen, ist für Demokraten wirklich unglaublich. Was die an Mut aufbringen!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der AfD)

Wir sehen auf der anderen Seite, nach außen gerichtet, den Iran als Aggressor im Libanon mit der Hisbollah, im Gazastreifen mit dem Islamischen Dschihad. Von beiden Seiten werden Raketen auf Israel geschossen. Ähnliches gilt für Syrien und für den Irak. Soleimani ist ja nicht im Iran angegriffen worden. Er war im Irak unterwegs. Was hat der Mann da eigentlich getan?

(Zuruf des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])

Schauen wir doch bitte mal nur aufs letzte Jahr. Da haben die Iraner Tanker in der Straße von Hormus angegriffen. Sie haben eine Raffinerie in Saudi-Arabien angegriffen.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das sind Behauptungen! Keine Beweise!)

Sie haben eine Militärbasis der Amerikaner im Irak angegriffen. Sie haben eine Drohne abgeschossen. Und am Schluss, ganz zum Schluss, hat der Iran mit Hunderten, ja Tausenden Teilnehmern eine Angriffswelle auf die amerikanische Botschaft in Bagdad organisiert. Das ging bis hin zu einer möglichen Besetzung.

(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Hochinteressant!)

Jetzt, meine Damen und Herren, denken wir mal eine Sekunde an die Geschichte der Region zurück, an die Geschichte der USA und der Region. Wer sich an 1979 erinnert, der weiß, was in Washington die Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran ausgelöst hat. Dass die Amerikaner dann reagiert haben, kann ich nachvollziehen. Wie sie reagiert haben, kann man mit Fug und Recht kritisieren, sowohl im Hinblick auf die völkerrechtlichen Grundlagen als auch im Hinblick auf die politischen Konsequenzen. Nur, nachdem sich die Amerikaner 2019 die ganze Zeit zurückgehalten haben, war diese Reaktion in meinen Augen jedenfalls nicht überraschend.

(Beifall bei der FDP – Zustimmung des Abg. Armin-Paulus Hampel [AfD])

Was haben die Außenminister der Europäischen Union beschlossen? Josep Borrell wurde ein Mandat erteilt, allerdings ohne Hinweis darauf, wie sich Europa jetzt einbringen will.

Meine Fraktion begrüßt, dass die Bundesregierung versucht, das Atomabkommen mit dem Iran zu erhalten. Wir halten es auch für richtig, den Streitschlichtungsmechanismus ausgelöst zu haben. Aber die Frage, um die jetzt gestritten wird, ist: Wie soll ein solches Zusatzabkommen erreicht werden? Da sagen die Amerikaner, wir sollten das Abkommen aufkündigen. Wir Europäer sind der Meinung, es wäre besser, ein Zusatzabkommen zu verhandeln, das auch das ballistische Raketenprogramm einschließt.

Ich bin der Meinung: Es ist richtig, den Versuch zu machen, das Abkommen zu erhalten – aus einem ganz einfachen Grund. Wie haben wir Möglichkeiten, zu kontrollieren, was der Iran tut? Mit Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Organisation in den Anlagen im Iran oder ohne diese Inspektoren? Natürlich nur mit Inspektoren. Wird das Abkommen aufgekündigt, müssen die Inspektoren das Land verlassen. Es ist besser, auf diesem Abkommen aufzusetzen, anstatt alles abzureißen und völlig neu anzufangen. Diplomatie funktioniert – das muss Donald Trump vielleicht mal verstehen – anders als die Immobilienbranche.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist genauso richtig, für die Einheit des Irak zu streiten, sich für die Einheit des Irak einzusetzen. Der Irak ist nicht irgendein Land. Er liegt zwischen der Türkei, dem Iran und Saudi-Arabien in der Mitte einer geopolitisch hoch heiklen Region. Und der IS ist das schlimmste Element, die schlimmste Bedrohung für die staatliche Einheit des Irak, vor allem für die Menschen dort. Wenn wir deswegen in der Fortsetzung im Kampf gegen den IS konsequent sein wollen, dann frage ich mich, warum Sie, Herr Minister, eben mit keinem Wort erwähnt haben, dass der wichtigste Beitrag, den Deutschland leistet, nämlich die Aufklärungsflüge unserer Tornados, eingestellt werden soll. In zehn Wochen wollen die Deutschen, will die Bundesrepublik Deutschland sich von dieser Aufgabe zurückziehen.

(Thomas Hitschler [SPD]: Der Nachfolger übernimmt!)

Die Basis in al-Asrak ist genau die Basis, auf die die Soldaten aus Bagdad und Tadschi verlegt werden konnten. Wer die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten in der Region ernst nimmt, auch derer in Erbil, der kann die Basis in al-Asrak nicht allen Ernstes aufgeben.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Es wäre richtig, meine Damen und Herren, wenn die Bundesregierung uns ein verändertes Mandat vorlegen würde,

(Zuruf des Abg. Thomas Hitschler [SPD])

in dem Deutschland einen wirklichen Beitrag im Kampf gegen den IS, nämlich die Fortsetzung der Aufklärungsflüge durch unsere Tornados, leisten würde.

Herr Kollege, kommen Sie bitte wirklich zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Ich wünsche der Bundesregierung namens meiner Fraktion für die Libyen-Konferenz hier am Sonntag alles Gute. Wir wünschen gutes Gelingen. Wenn es gelingen sollte, in dem Land Stabilität zu erzeugen, würden wir alle davon etwas haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das war jetzt großzügig wegen der Promotion. – Herr Kollege Graf Lambsdorff, ich bitte um Verzeihung für die Promovierung; aber Sie hätten es verdient.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Heike Hänsel.

(Beifall bei der LINKEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ich hätte auch gern einen Titel!)

– Frau Dr. Hänsel, Sie können jetzt zu uns sprechen.

(Heiterkeit – Beifall des Abg. Ulrich Lechte [FDP])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7413745
Wahlperiode 19
Sitzung 139
Tagesordnungspunkt Aktuelle Lage im Nahen und Mittleren Osten
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