15.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 139 / Zusatzpunkt 1

Norbert RöttgenCDU/CSU - Aktuelle Lage im Nahen und Mittleren Osten

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Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Irak, im Iran eine neue Lage, und wir haben es dort mit neuen Realitäten zu tun. Die Situation ist unberechenbar geworden. Ich persönlich bin darum immer sehr zurückhaltend mit den Voraussagen. Ich bin auch beeindruckt, wer alles glaubt zu wissen, was nun passiert. Ich glaube, wir wissen gar nicht, was alles passiert und passieren kann. Die Lage ist brüchiger geworden – sehr brüchig –, sie ist gefährlich, und wir haben in dieser Form eine neu zugespitzte, unmittelbare Konfrontation zwischen Iran und USA. Das macht die Lage völlig neu.

Jetzt kann man natürlich richtigerweise zurückschauen: Wie konnte es dazu kommen? Wie bewerten wir das im Einzelnen? Ich möchte nach vorne schauen und mich mit einer Frage beschäftigen, nämlich der Frage: Was bedeutet die neue Lage für uns,

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sehr gut!)

wie gehen wir damit um, was ist unsere Antwort, was können wir tun? Ich möchte dazu fünf kurze Anmerkungen machen.

Meine erste Anmerkung ist: So anders die Lage ist – die Ziele, die wir dort verfolgen, sind die gleichen geblieben, nämlich die Terrororganisation des IS zu bekämpfen und den Irak als Land nachhaltig zu stabilisieren und ihm dabei zu helfen, dass er die Selbstständigkeit erwirbt. Das sind die Ziele, die bleiben, die geblieben sind. Und all diejenigen – ich glaube, es ist eine große Mehrheit hier im Haus –, die diese Ziele unterschreiben, die müssen auch die Frage beantworten: Was ist denn unser Vorschlag, wie wir die Ziele erreichen? Meine Damen und Herren, die Ziele allein reichen nicht, sondern wir brauchen jetzt auch Instrumente und Mittel.

(Beifall des Abg. Jürgen Hardt [CDU/CSU])

Meine zweite These ist, dass durch die neue Lage unsere Verantwortung dafür, diese Ziele zu erreichen, gewachsen ist. Das mag uns nicht gefallen; es ist aber Teil der neuen Realität, dass wir mehr Verantwortung haben. Unsere Verantwortung erwächst zunächst einmal aus unserer Pflicht, die Sicherheitsinteressen unserer eigenen Bürger zu schützen. Wenn die Lage im Irak, im Iran, im Mittleren Osten gefährlicher wird, dann wird sie auch für unsere Bürgerinnen und Bürger, für Deutschland, in Europa gefährlicher. Wir müssen es einmal verstehen und sagen: Wir können unsere Sicherheit in unserem Land, in unseren Städten nicht von der Unsicherheit im Mittleren Osten abkoppeln, meine Damen und Herren. Wir sind miteinander verknüpft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und wir haben durch die Aktion und Entscheidung der USA wahrscheinlich einen geringeren politischen Gestaltungsspielraum der USA, vielleicht auch geringere Akzeptanz der USA für Diplomatie in der Region. Wer, wenn nicht wir, soll die geschwundenen politischen Möglichkeiten ausgleichen und ersetzen? Wir haben mehr Verantwortung durch die jüngsten Ereignisse.

Dritte Anmerkung. Wer ist denn eigentlich „wir“? „ Wir“ sind nach meiner Auffassung die E 3 zusammen mit der Europäischen Union. Nicht wir, Deutschland, nicht wir, die EU-27, sondern die E 3, also Deutschland, Frankreich, Großbritannien, sind zusammen mit der Europäischen Union diejenigen, die jetzt in der Handlungsverantwortung stehen. Wann, meine Damen und Herren, wenn nicht in dieser Situation, die uns unmittelbar angeht, soll denn diese Form europäischen außenpolitischen Handels entstehen? Ich glaube, jetzt ist es dabei.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Viertens. Gibt es Voraussetzungen zur Wahrnehmung unserer Verantwortung? Ja, die gibt es – vor allem die, dass wir gewollt sind im Irak. Natürlich wird jetzt der innerirakische Machtkampf zwischen proiranischen und prowestlichen, offenen Kräften entschieden. Den müssen wir abwarten. Wenn wir nicht gewollt sind, wenn die USA nicht gewollt sein sollten, dann können wir nicht da sein.

Und das Allerletzte – fünftens –: Wodurch werden wir unserer Verantwortung gerecht? Ich bin zutiefst davon überzeugt – ich meine, darüber müssen wir hier diskutieren –: Wir werden unserer Verantwortung nur durch einen umfassenden Einsatz, der zivilen Aufbau beinhaltet, einen Einsatz, der diplomatische Arbeit beinhaltet, das Nuklearabkommen fortzuentwickeln, und, drittens, durch einen Einsatz, der auch militärische Präsenz vor Ort beinhaltet, nachkommen können. Zu glauben, wir könnten einen wirksamen Einsatz leisten und ein Element von den dreien wegnehmen, ist eine Illusion. Zu den Realitäten gehört, dass wir einen umfassenden europäischen Beitrag im Irak leisten müssen, meine Damen und Herren. Das ist unsere Verantwortung, und wir müssen ihr gerecht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD der Kollege Thomas Hitschler.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7413880
Wahlperiode 19
Sitzung 139
Tagesordnungspunkt Aktuelle Lage im Nahen und Mittleren Osten
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