Volker UllrichCDU/CSU - Strafgesetzbuch - Verunglimpfung der EU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute einen Gesetzentwurf des Bundesrates, der vorsieht, einen neuen Paragrafen in das StGB, § 90c, einzuführen und damit die Verunglimpfung der Symbole und auch der Flagge der Europäischen Union unter Strafe zu stellen.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Aha! Sehr gut!)
Ich will vorausschicken, dass bislang die Symbole des Bundes und der Länder geschützt sind, weil wir unsere eigene Verfasstheit, den eigenen Staat und die den Staat ausmachenden Werte besonders schützen wollen und müssen. Ich kann zumindest staatsrechtlich jedem beipflichten, der sagt, dass die Europäische Union kein Staat ist. Sie ist auch kein Bundesstaat. Aber sie ist mittlerweile mehr als nur irgendeine internationale Organisation. Sie ist ein Staatengebilde sui generis, welches mittelbare Hoheitsgewalt ausübt, welches wie kein anderes internationales Organisationsformat für Frieden, Freiheit, Sicherheit und Grundwerte steht.
Aber es geht noch weiter. Ihre Flagge hängt nicht umsonst auch hier im Plenarsaal des Deutschen Bundestages.
(Thomas Seitz [AfD]: Nein! Die kostet viele Milliarden! Das ist richtig! – Gegenruf der Abg. Ulli Nissen [SPD]: Oh!)
Sie hängt deswegen dort, weil wir nicht nur in der Präambel des Grundgesetzes, sondern auch in Artikel 23 Grundgesetz eine besondere Integrationsverantwortung innerhalb der Europäischen Union formuliert haben. Mit dem Schutz der Symbole der Europäischen Union schützen wir diese Integrationsverantwortung
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
und sagen, dass all die Werte, die mit der Europäischen Union verbunden sind, auch in besonderem Maße schützenswert sind, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Herr Ullrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dehm?
Ja.
Ich danke Ihnen, Herr Ullrich, für die Zulassung der Frage; es sind eigentlich zwei Fragen. – Was glauben Sie, was Herr Gessler im Stück „Wilhelm Tell“ von Schiller zum Unterschied zwischen der Fahne und dem Hut gesagt hätte?
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Zweite Frage: Wenn das so ist, warum ist dann die Fahne der UNO, die uns so wichtig ist und bisher viel mehr für den Frieden bedeutet und gebracht hat, nicht geschützt?
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Schöner Vorschlag! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Gute Idee! Übernehmen wir gleich! – Gegenruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ich will Sie nicht auf falsche Gedanken bringen! – Fabian Jacobi [AfD]: Kommt noch! Das ist das Nächste dann!)
Das Spannende ist, Herr Kollege Dr. Dehm, dass Sie mir die Frage zum Gesslerhut – ich glaube, es war eine Debatte zum Thema Böhmermann – als Zwischenruf schon mal gestellt haben. Vielleicht sollten Sie sich etwas Neues einfallen lassen.
(Zurufe von der AfD)
Der Gesslerhut ist aus „Wilhelm Tell“ von Schiller; um das noch mal deutlich zu sagen.
Aber es geht hier nicht um irgendwelche Symbole,
(Fabian Jacobi [AfD]: Doch, es geht um Symbolik! Genau darum!)
sondern es geht darum, wie wir unsere staatliche Ordnung und die Symbole, die Respekt verdient haben, organisieren.
(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
– Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen; aber jetzt ist die Beantwortung der Frage des Kollegen Dr. Dehm an der Reihe. – Es geht darum, dass wir die Symbole, die diese Qualität der Europäischen Union besonders ausmachen, vor Verunglimpfung schützen wollen. Denn all das, was mit der Europäischen Union zu tun hat, insbesondere mit der Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Freiheit und Sicherheit, wollen wir auch in unserem Staatswesen besonders vor Verunglimpfung geschützt wissen.
(Fabian Jacobi [AfD]: Das sind genau die Dinge, die wir vor der EU schützen müssen!)
Deswegen legen wir diesen Gesetzentwurf vor, Herr Kollege Dehm.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich will außerdem darauf hinweisen, dass diese Flagge auch die Flagge des Europarats ist
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist sie nicht!)
und sich dementsprechend der strafrechtliche Schutz zukünftig auf beide Organisationen erstrecken wird und muss.
(Fabian Jacobi [AfD]: Das ist jetzt aber sehr gewagt!)
Das bedeutet, dass die Menschenrechte und die Frage der Geltung des Rechtsstaats damit auch in einer besonderen Art und Weise geschützt werden.
Das heißt übrigens nicht, dass deswegen Kritik nicht möglich ist. Gerade weil es sich um ein Ausdrucks- und Meinungsdelikt handelt, wird auch der zukünftige Tatbestand sehr restriktiv auszulegen sein. Es geht nicht darum, dass Kritik verboten wird, sondern es geht um die Verächtlichmachung. Es geht darum, dass der Diskurs verroht wird, dass letzten Endes aus solchen Taten böse Worte werden und dass aus bösen Worten Gewalttaten werden.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Ach, die alte Argumentation!)
Wir wollen nicht das Bild in die Welt setzen, dass hier in Deutschland Demonstrationen mit brennenden Flaggen möglich sind, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gerold Otten [AfD]: Brandenburger Tor!)
Das Gleiche betrifft übrigens auch Flaggen von ausländischen Staaten.
Wir müssen darüber sprechen, inwieweit hier hinsichtlich der Meinungsfreiheit ein Spannungsfeld entsteht, was „Flagge“ bedeutet, ob das Ganze auch Symbole betrifft. Das werden wir in der Anhörung diskutieren.
Auslöser war in der Tat das Verbrennen der israelischen Flagge vor dem Brandenburger Tor. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn hier, mitten in Berlin, die israelische Flagge verbrannt wird, ist das schlichtweg unerträglich. Darauf muss der wehrhafte Rechtsstaat auch mit den Mitteln des Strafrechts reagieren, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es geht neben der Frage des Strafrechts aber auch um eine insgesamt wichtige gesellschaftliche Debatte: Wie verhindern wir die Verrohung im politischen Diskurs? Die Meinung zu äußern, ist wichtig. Wenn einem die Meinung nicht gefällt, muss man Widerspruch ertragen. Aber Hass und Hetze, Anfeindungen, Worte, die in Gewalt münden, sind eines Rechtsstaats unwürdig und erschüttern das politische Klima. Dagegen müssen wir uns wehren.
Dieser Gesetzentwurf ist ein kleiner Bestandteil einer Gesamtstrategie, die wir aufstellen, um den wehrhaften Rechtsstaat zu schützen, meine Damen und Herren. Lassen Sie uns damit zügig beginnen, und lassen Sie uns insgesamt sehr konstruktiv über diese Frage diskutieren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7413898 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 139 |
Tagesordnungspunkt | Strafgesetzbuch - Verunglimpfung der EU |